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Mit ungutem Gefühl denke ich zurück an vorletztes Jahr, als ich das letzte Mal diese Paganfest Tour mit Station in München besuchen wollte. Allerdings ging das damals gründlich in die Hosen, als das heidnische Spektakel just an Allerheiligen und das im, ach so katholischen Bayern stattfand. Ergo der Beginn des Events wurde auf  0 Uhr verschoben, da unsere Kirche nun mal vorschreibt, dass am 1.November keine Unterhaltungsveranstaltungen stattfinden dürfen. Ab Mitternacht aber dann -  Bahn frei, denn dann heißt das Datum 02.11. (Anm. als ob das einen Unterschied machen würde) Dumm war nur, dass die Gäste des damaligen Konzertes diese Verschiebung erst kurz vor Einlass erfuhren inklusive meiner selbst. Tja, und darauf hin gab es dann nur diejenigen, die eisern durchhielten, oder Leute wie mich, die sich dachten, leckt mich am Arsch... – Und deshalb auch kein weiteres Paganfest mehr für mich bis eben heute. (Anm. es fand noch eines im vergangenen Jahr statt, aber auch das aus organisatorischen Gründen ohne mich.)

Nun gut, heute ist Gott sei Dank nicht Allerheiligen oder sonst ein außerordentlicher Anlass, und die Schose geht pünktlich und ohne Verzögerung um 19 Uhr los. – Halt, doch nicht ganz..... denn es treten hier exakt fünf Bands auf  und keine Spur von irgendwelchen Special Guests.-
Ein weiteres Phänomen, das sich bei dieser Paganfest Tour auftut, ist die Tatsache, dass keiner der anwesenden Fans allerhöchstens älter als 20 Jahre ist. Und das Resultat ist, dass ich mich inmitten all dieser Kiddies wie eine gediegene Großmutter fühle. Da hilft auch alles nichts von wegen jung im Herzen geblieben und so eine ähnliche Philosophie. Also Augen zu und mit dem Kopf durch die Wand, wir haben schließlich einen Fotoauftrag zu erfüllen.
Da es sich hierbei um satte fünf Akteure handelt, wie schon oben erwähnt, versuche  ich jede Combo nur im Kurzstil anzuschneiden und eher Fotos und Clips sprechen zu lassen, damit sich jeder selbst ein Bild machen kann von den schrägen Vögeln. Und klar doch, fotogen sind sie allesamt, und das ist grad für mich schon so einiges wert.


Mit einer russischen Overtüre fangen wir an, die sich da Arkona nennt.

Und Fokus dieser Band ist selbstredend Sängerin Maria („Mascha“) ‚Scream‘ Archipowa, die sich hauptsächlich der Muttersprache bedient bei ihren durchaus variablen Gesängen. Die Moskauer können bereits auf eine Bilanz von fünf Studioalben und zwei Livealben  und eine Compilation zurückblicken, alles produziert seit dem Gründungsjahr 2002. Russische Folklore bestimmt den Ton, der ansonsten ziemlich kompromisslos hart ist. Da ich hier allerdings nicht das ganze 30minütige Set miterlebt habe, enthalte ich mich einer weiteren Auseinander-Differenzierung und beschränke mich lediglich auf meinen persönlichen, spontanen  Eindruck, der sich partout nicht mit weiblichen Stimmen in diesem Genre anfreunden will. Fideln oder Schalmei etc. – gut und schön, aber zwitschern – nein danke! Aber gut, wem’s gefällt, der ist ansich gut bedient.

Weitere Infos zu Arkona gibt’s unter: http://www.arkona-russia.com/



Die nächsten Vertreter in der teilnehmenden Runde sind Varg.

Und damit kommen wir zu einem, nicht ganz unheiklen Thema. So wird diese Band vermeintlicher Weise in die rechtsradikale Ecke gedrängt, was jene immer wieder vehement abstreiten. Woher diese Gerüchte Tendenz kommt ist nicht ganz raus. Sei es bezüglich der äußerst fraglichen Texte der Songs oder eventuell wegen der Namensähnlichkeiten zu einem norwegischen Herrn, der da Varg  Vikernes heißt. Jener Musiker begründete ein sehr rechtsextremes Neuheidentum und saß als Mörder des Black-Metal-Musikers Øystein „Euronymous“ Aarseth satte 16 Jahre im Knast. (Mehr über diesen finsteren Gesellen gibt’s hier zu lesen.) Wie auch immer, unsere deutschen Varg gibt’s jedenfalls erst seit fünf Jahren, während derer sie drei Alben veröffentlicht haben. Die Rote Körperbemalung tut das ihrige um den finsteren Touch, der diese Brüder umgibt, zu verstärken. Musikalisch passen sie sich an den Pagan Trek hier an, wenngleich auch noch um eine Spur death-metallischer ohne tatsächliche  folkloristische Stilbrüche.

Sänger Freki aka Philipp Seiler betont demnach zwischen den Epen auch lautstark, dass die Band nichts mit Rechtsradikalismus am Hut hätte und brüllt inbrünstig hinaus: „fuck off Nazis.“ – Ehrlich gestanden habe ich in diesem Moment nicht den Eindruck, als ob das auch nur eine Seele hier irgendwie gebissen hätte Und nehmen wir’s mal straight: 1) wissen all die 16jährigen Teenies hier gar nicht mehr wirklich, um was es da tatsächlich geht, und 2) wollen jene im Augenblick nur abrocken und sonst gar nichts. Und das tun sie auch mit aller Ausdruckskraft. Varg selbst dürfen sich freuen, denn nach etlichen wilden Spekulationen dürfen sie jetzt doch am diesjährigen Wacken Open Air auftreten. Viel mehr gibt’s hier nicht zu sagen, außer dass es sich als äußerst schwierig erweisen kann, sich eines unguten Images zu entledigen. – Sofern es sich tatsächlich „nur“ um ein Image handelt.... – Hoffentlich!
http://www.varg.de/

Aller paganischen Dinge sind drei und das wären nunmehr Dornenreich aus Ösiland.

Alle Achtung, ganze 16 Jahre haben die Dark Metaller bereits auf dem Buckel inklusive sechs Studioalben,  einer Livescheibe und einer DVD. Diese Truppe habe ich bereits einmal live erlebt, allerdings damals in rein akustischer 2 Mann Besetzung. Dieses Mal beginnt der Zauber auch als Duo-Set, belebt sich aber nach zwei Stücken durch ein Schlagzeug, natürlich alles in dunkelblau und viel Nebel gehüllt. Zugegeben, dass was Jochen „Evíga“ Stock (Voc/Gitarre), Thomas „Inve“ Riesner (seit 2006) und Moritz „Gilvan“ Neuner (Drums) da fabrizieren, ist etwas gewöhnungsbedürftig. Und das liegt nicht nur an der Fidel. Aber es ist deutlich festzustellen, dass Dornenreich über eine beachtliche Anhängerschaft verfügen, die vor allem aus weiblichen Trauerweiden besteht, die sich den düster-traurig- und teils aggressiven Klängen mit Genuss hingeben. Ich für meinen Teil hege noch keine Suizid Gedanken, jene die man bei dieser Musik gut und gerne entwickeln könnte aber natürlich nicht muss. Alles eine Art von Auffassung und persönlichen Geschmack.  Außer Frage steht jedoch, dass es sich bei den akustischen Darstellern um exzellente Musiker handelt.

Abgesehen davon, sind Dornenreich mit Sicherheit bestens dazu geeignet, den individuellen Hang zur Melancholie zu verbessern. Also gilt für jeden, der sich auf Friedhöfen, einsamen, verregneten Bahnhöfen oder im schottischen Hochmoor besonders heimisch fühlt: - Dornenreich liefern die perfekte Untermalung dazu.

http://www.dornenreich.com/

Gruezie miteinand sagen wir jetzt zu Eluveitie, die hiermit unseren Schweizer Exklusiv-Export darstellen was Pagan- bzw. Folkmetal angeht.

Der Name ist Programm, denn die Eidgenossen haben sich wahrlich schon einen festen Platz an der Front gesichert. Das hier ist nicht nur eine Band, sondern fast schon ein Orchester mit satten acht Mitgliedern – sowohl weiblich als auch männlich. Oberfeldwebel ist aber immer noch Christian „Chrigel“ Glanzmann, der sich heute Abend als Mützenmann präsentiert, vielleicht auch, um etwaige visuelle Schwachstellen zu kaschieren. Braucht man aber heutzutage nicht mehr hey hey,.. oder doch?! Anyway, Fakt ist, diese Truppe sagt mir in diesem Bandpaket mit Abstand am meisten zu, mit ihrer individuellen Mixtur aus Metalcore und Brauchtumstönen.

Einzig allein der Dudelsack stört mich. Ihr wisst ja, - dieses Instrument ist für mich wie das rote Tuch für den Stier. Aber gut, das gehört nun mal dazu, wenn Eluveitie das Keltentum der Helvetier auseinander klabautern. – Ich frage mich nur so oft, warum sich all diese Bands zwar einerseits immer auch irgendwelche Kulturen berufen, aber sich nicht nur ausschließlich deren Sprachen bedienen bei ihren Shows. Denn seien wir mal ehrlich, was immer die da oben von sich geben in Wort und Text wird beim inbrünstigen Moshen ohnehin von keinem Fan wahrgenommen, egal ob in englisch, deutsch oder gälischem Graubünden Dialekt. Schmarrn... aber Ihr wisst was ich meine....

Aber ums kurz zu machen, Eluveitie kommen trotz gesanglicher Abstriche einer der beiden weiblichen Spielleute und dies bedingt wg. Unpässlichkeit, trotzdem hammermäßig gut an beim jugendlichen Publikum. Und das wiederum wird wieder mit viel Gegenliebe beantwortet. Last comment: die Schwitzerlis werden mit Sicherheit noch längere Zeit ihre Emmentaler Stammwürze exportieren.

http://www.eluveitie.ch/

Sodala, einen hamma noch in der langen Litanei. Und das sind Finntroll, - die Kings on the Road auf diesem Paganfest.

Woher die Kameraden stammen, brauche ich hier an dieser Stelle wohl nicht mehr betonen, nach dem Motto: alles im Namen enthalten. Wir sind im verflixten 13.Jahr ihrer Existenz und mit grad mal fünf Alben und drei Eps haben uns die Nordländer bislang beglückt, natürlich alles im Stil von sogenanntem „Trollish Hoedown Metal“. Heissa, mir schmilzt schon die Großhirnrinde bei all diesen Ausdrücken und Beschreibungen innerhalb des Genres. Ein Kuriosum sind mit Sicherheit die Polka Einflüsse, die sich durch Finntrolls Heavy Metal ziehen und welche einen sogenannten Aufhörer darstellen. Das ist  dieses gewisse Etwas, dass einem unweigerlich die Lauscher auf 180 verzwirbelt. Frontmann Mathias „Vreth“ Lillmåns, der im Prinzip erst seit vier Jahren mit von der Partie ist, verfügt über eine ansehnliche Ausstrahlung und selbstredend Stimme die sich zum Teil der ältesten Gesangsformen der Welt, dem so genannten Joik der finnischen Ureinwohner (Samen), (so zum Beispiel im Lied „Jaktens Tid“) bedient.

Und einmal mehr kommt das meiste Echo offensichtlich von der weiblichen Anhängerschar im Publikum. Aber was solls? Schaden tut es auf keinen Fall – so oder so. Lustig ist auch noch der Umstand, dass, obwohl die Band finnischer Herkunft ist, sie sich doch der schwedischen Sprache bedienen, da diese angeblich irgendwie trollischer klingen würde. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass der erste Sänger dieser Band Jan „Katla“ Jämsen schwedischer Herkunft war. Die Songs  handeln von Trollgeschichten (wie sollte es auch anders sein)  an Natur-, Kriegs- und heidnischen Thematiken. Allerdings wer sich da nicht intensiv damit beschäftigt, wird das meiste nicht wirklich verstehen. Auch egal...  hier geht’s hauptsächlich um die Unterhaltung, und die wiederum wird durch die Musik ansich bestimmt. Tja, und jene wiederum ist universell, egal in welcher Sprache.

Fazit dieses Abends, unser Kindergarten hier im ausverkauften Backstage Werk ist 100%ig zufrieden gestellt worden, und die Kiddies haben ihren Schokoladenkuchen samt Zuckerguss bekommen mit allem drum und dran. Aber deshalb geben wir noch lange nicht unsere Konfession auf.  Ob Heidentum oder katholischer Veitstanz, - auch egal... pfeif drauf, scheeen wars und guat’ Nacht.....
http://www.finntroll.net/