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Alles fing an mit einem Schnaps. Genauer gesagt war das im Jahr 1986 oder 87. Ganz genau weiß ich das nicht mehr. Aber es passierte auf einem Open Air Festival in Dornbirn, in Westösterreich im schönen Vorarlberg. Golden Earing waren damals Headliner, Luther Allison (Gott hab ihn inzwischen selig) spielte, und neben einigen anderen Künstlern auch die Nits. Und genau die wären dort fast nicht aufgetreten, weil.... ja weil der verdammte Schnaps aus dem wunderschönen Stubaital in Tirol die ganze Partie eine gute Stunde vorher flach gelegt hatte. Nein, das Zeugs hatte auch nicht mehr als 40% wie jeder andere Hochprozentige, aber es war, und ist es immer noch, so ziemlich das Höllenschärfste, was es auf diesem Planeten gibt. Und warum? Kann ich Euch nicht genau sagen, aber es handelt sich um ein Geheimrezept das in jedem Fall Chili Schoten enthält, die man wiederum aber nicht riecht oder schmeckt. Jedenfalls genügt ein Tropfen davon, und Ihr wisst nicht mehr genau, ob der Ural nicht doch im Südpazifik liegt. Genau das wussten die Nits damals auch nicht mehr. Nein, nicht weil sie besoffen waren, sondern, weil die Schärfe einem Kamikazeflug auf der Sonnenkorona gleich kam.  Auweia, war das ein Ritt auf dem Zaunpfahl inklusive jeder Menge Angstschweiß meinerseits, auf dass die Brüder zur Stage Time wieder halbwegs fit sein würden. Gott sei’s getrommelt und geflötet waren sie das denn auch wieder mit Hilfe von Brot.Denn was anderes hilft da nicht.
Aber vergessen habe ich diesen Vorfall in den ganzen letzten 24 Jahren nicht, während derer ich die Band sehr wohl noch einige Male live erlebt habe.

Heute ist es auch wieder einmal soweit. Bzw. das war es bereits vor ca. 3 Wochen, als zur großartigen Pressekonferenz hier in München gepfiffen wurde, bei der ich dann aber, dank der „übereifrigen“ Münchner Presse, sogar das luxuriöse Vergnügen eines Einzelinterviews mit Henk Hofstede genoss, dass Ihr hier übrigens noch einmal auskundschaften könnt. Nun, andererseits ist das „enorme“ Medieninteresse (im gegenteiligen Sinn) auch nicht weiter verwunderlich, denn die Nits lassen sich 1) tatsächlich nur alle Jubeljahre mal im Nachbarland Deutschland anschauen. Und 2) hat die aktuelle Scheibe ‚Strawberry Wood’ ihren Kaiserschnitt daheim in Amsterdam schon vor einem halben Jahr erlebt , während sie hierzulande eben erst durchs Taufbecken genudelt wurde. Aber eigentlich ist Punkt 2 zu vernachlässigen, denn der durchschnittliche Musikhörer außerhalb der Niederlande kennt ohnehin, und wenn überhaupt, nur die Hymne „In The Dutch Mountains“ aus dem Jahr 87. Wobei ich hier wiederum mitnichten die berühmten Ausnahmen von der Norm bestreiten will.  Und die besteht, zumindest hier in München im Ampere Club heute Abend, aus etwa 150 Insidern – im wahrsten Sinne all meines Geschwafels. 
Die Band besteht nach wie vor aus Henk Hofstede (Voc/Git), Rob Kloet (Drums) und Robert Jan Stips, der 83 in die Band gekommen war, 92 wieder ausgestiegen und 2004 wieder zurück gekommen war. Die restlichen Partizipanten entnehmt bitte der Band Bio. –

Was mich immer wieder fasziniert, ist die Tatsache, dass wir hier in Deutschland, trotz der nahen Grenzen zu anderen Ländern, absolut keine, oder nur wenig Ahnung bzgl. deren Musikszene haben. Oder könnt Ihr mir im Stehgreif 10 französische Top Ten Künstler nennen?! Bei den Niederlanden verhält es sich nicht viel anders, sieht man mal von Golden Earring, Focus, Ekseption,  und Heintje oder eventuell Within Temptation und Pestilence ab, um nur einige wenige Künstler verschiedener Kategorien aus dem Stehgreif zu nennen. Fakt ist, während die Nits in ihrer Heimat seit Jahrzehnten absoluten Kultstatus besitzen und in Hallen mit 5.000 oder gar noch mehr Fans auftreten, müssen sie sich bereits einige Kilometer hinter der Landesgrenze mit allerhöchstens 200 verlorenen Seelen zufrieden geben. Aber Gott sei Dank ist das für die Oldies aus Amsterdam kein Problem. Sie sind weder abgehoben noch leiden sie unter Starallüren. Und sie wissen genau, dass man in der momentanen, lauen Musikwirtschaft zuschauen muss, wo man bleibt. Sich nur auf die Niederlande zu beschränken, das wäre nicht ihr Stil. Also haben sie sich einen gemütlichen Rahmen gesetzt ohne dabei allzu große finanzielle Risiken einzugehen. 
Okay, back to the Action in unserem Ampere Club, wo die Avantgarde Show der Nits pünktlich um 20.30 Uhr vom Stapel plätschert.

Allerdings wer auch immer sich hier eine energiegeladene Rockshow erwartet hat, wird umgehend eines Besseren belehrt. Nits Musik ist anders. Es handelt sich dabei um eine, durchwegs ruhige Note im besten Singer/Songwriter Stil, die aber sehr wohl schnelle und auch kraftvolle Passagen enthält. Der Hauptaugenmerk liegt natürlich auf dem neuen Album ‚Strawberry Wood’, aber es wird natürlich auch ein Streifzug durch 34 Jahre Nits Geschichte berücksichtigt. Und die wiederum enthält immerhin 21 Studioalben.


"Tannenbaum"

An die Wand projizierte Lichtspielereien untermalen die akustische Klangwelt und sorgen für diese gewisse, leicht morbide Stimmung. Ein Stück vom neuen Album gefällt mir besonders gut. Es heißt ‚Tannenbaum’ und die Idee dazu entstand lt. Henk Hofstede auf einer Zugfahrt von Budapest Richtung Heimat, wo er diesen Mann traf, der ihm quasi seine Lebensgeschichte erzählt hatte. – Abgesehen davon und etlichen weiteren Highlights aus der Nits History, darf natürlich ein Song absolut nicht fehlen, nämlich ‚ In the Dutch Mountains’, mit dem die Band 1987 ihren einzigen internationalen Nr. 1 Hit feiern konnten.
Der anschließend Zuspruch sorgt dann noch für eine Zugabe, die das, ca. 2stündige Art-Pop-Spektakel beschließen, einem kleinen, aber feinen Konzertjuwel ohne großartiges Verlangen nach mehr.


'In The Dutch Mountains'

Apropo, ganz unten in meinem Wohnzimmerschrank zu Hause, da steht noch immer eine, fast leere Flasche mit jenem Höllengesöff, das mir die Nits zeitlebens unvergesslich gemacht hatte. Wer immer jetzt neugierig geworden ist, der darf gerne noch seine Fingerkuppe eintauchen und kosten. Denn für mehr, übernehme ich keine Verantwortung mehr :-))
http://www.nits.nl/   

Einige Aftershow Schnappschüsse gibts wie immer im Diary