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So, jetzt wirds richtig schwierig für mich. Nein, nicht was die Musik ansich betrifft, sondern es geht um den Umstand, dass ich unseren deutschen Vorzeige-Metal-Gitarrero schon mindestens, gefühlte 150 Mal live gesehen habe. Na ja, sagen wir mal, so um die 20 Shows werden’ sicher schon gewesen sein in den vergangenen 20 Jahren. Und das genügt vollkommen, um das individuelle Urteilsvermögen zu beeinflussen. Aber als Musikjournalist muss man auch diese Hürde bewältigen und jenes Gefühl ignorieren, das einem sagt: ‚das hab’ ich ja schon 100 Mal gesehen und vor allem gehört. Ist ja auch so, aber es gibt dann doch diese kleinen, aber feinen Unterschiede vom einen zum anderen Mal und natürlich immer wieder ein neues Album, das es zu promoten gilt. In dem Fall heißt jenes ‚The Crest’ und ist das 14. Studiowerk von Herrn Pell, wenn man das Coveralbum ‚Diamonds Unlocked’ miteinbezieht.  Und natürlich gibt es da noch mehr als ein Dutzend Live- und Compilation-Scheiben, sowie drei DVDs.
Nehmen wir’s mal beim Wort, Axel ist nicht nur einer von vielen deutschen Hardrock Musikern, er ist auch schon fast so etwas wie eine Institution. – Aber nicht nur das, sondern im Juni macht er auch noch den runden Fünfziger voll und sieht keine Sekunde älter aus. Nun, besser formuliert wäre: der Meistro hat sich in den letzten 15 – 25 Jahren so gut wie nicht verändert und sieht immer noch gleich aus, inklusive Haarstil, Look und intellektuelle Stirnfalte. Und all das samt seiner Musik, das zieht nach wie vor, zumindest auf dem kontinentalen Abschnitt von Europa. –  Auch diesmal hat sich die Münchner
Hautevolee in Sachen True Metal (Anm. danke Herr Schöwe für diesen Ausdruck,wieder eingefunden, um zum... ich weiß nicht wievielsten Mal  zu Axel Rudi Pell & Band abzustrampeln. Allerdings ist hier wiederum :-))  bei genauerem Hinschauen festzustellen, dass das ausgewählte Publikum zum Großteil aus Rock’n’Roll Verfechtern aus dem Münchner Umland besteht und weniger aus Stadtasylanten selbst. Denn diese unterscheiden sich von jenen wie Kongo Neger von japanischen Sheng Fui Enthusiasten. Ja gut, so was in der Art halt... Aber um es mal beim Namen zu nennen, das Münchner Publikum sieht anders aus und gibt sich auch so, nämlich exaltiert, exzentrisch und äußerst störrisch, während die Landeier tatsächlich noch ihre antiken Kutten und langen Matten zur Schau stellen. Dank sei ihnen jedenfalls, denn sie bringen zumindest etwas Stimmung in die etwas altmodische Maschinerie.


ganz dem Rocker Image entsprechend :-)))


...Und genau für die, wollen Freedom Call vorneweg sorgen. -

Zugegeben, ich tue mich persönlich etwas schwer mit diesem sogenannten Truemetal, der auch noch ‚sehr’ deutsch klingt. Letzteres soll jetzt keinen negativen Anstrich haben, aber irgendwie fehlt mir hier, genauso wie bei einigen Artgenossen der Nürnberger, das letzte Pfefferkorn in der Mühle. Aber lassen wir das mal dahin gestellt. Denn hier spielt mit Sicherheit auch ein wenig persönlicher Flavour of the Century mit.
Fakt ist, Freedom Call sind mit 12 Jahren Existenz und sechs gesammelten Werken ebenfalls ein fester Bestandteil der deutschen Szene. Und mit ‘
Legend of the Shadowking’ werden die Karten jetzt neu abgemischt. Die aktuelle Besetzung besteht nach wie vor aus Chris Bay (Voc/Git), Gitarrist Lars Rettkowitz (ab 2005), Bassist Samy Saemann (ab 2009)  und Neuzugang Drummer Klaus Sperling (Ex-Primal Fear, Sinner)  (seit diesem Jahr) – Merlin trifft in Babylon Ludwig den II von Bayern, so in etwa lautet der neue Slogan und das im opulentestens Powermetal Jargon.

Die Overtüre kommt nur bedingt an bei den 800 Schäflein hier. Aber gut, Supportbands haben es ja nie so ganz einfach , wie wir hinreichend aus Erfahrung wissen. Andererseits ist so ein Slot halt nach wie vor die beste Chance seinen Bekanntheitsgrad auszudehnen. Weitere Infos über diesen Vierer gibt’s unter:
http://www.freedom-call.net/


Dafür gehen unsere Provinzrocker hier augenblicklich die Eiger Nordwand hochgekrochen, als Axel Rudi und sein Komitee die Sitzung eröffnen.

Bei letzterem hat sich im allgemeinen nicht viel verändert. Johnny Boy zwitschert inbrünstig in zwei Oktaven, und das glockenhell und astrein mit Sidolin streifenfrei poliert .

 Bassist Volker Krawczak hat anscheinend immer noch keine Benachrichtigung von den Weightwatchers erhalten. Keyboarder Ferdy besitzt mit Sicherheit, die pflegeleichteste Frisur dieser Galaxis....

... und Mike the Animal glaubt totsicher daran, dass er die Reinkarnation von Frank Sinatra ist. Zu letzterem kommen wir gleich noch mal etwas ausführlicher.

 Aber erst mal starten wir durch mit ‚Too Late’ und arbeiten uns mit Narrenfreiheit ‚Fool Fool’ durch die ‚Devil Zone’, um mit Geschichten aus der Gru... äh sorry, um die Krone (‚Tales of The Crown) und tödlichen Träumen einen gelungenen Lava Flow Cocktail zu kreieren. Der geht wiederum in einen Terranischen Gewittersturm über, der Franky Boy auferstehen lässt, um dafür den Platz hinter Monstrum für kurze Zeit Mr. Gioeli zu überlassen. Ach ist das herrlich! Mike Terrana a.k.a. Frank Sinatra mit einer inbrünstig-geschmetterten Version von ‘My Way’. Was will man mehr. Aber genauso soll es ja schließlich sein. Rock’n’Roll ist nicht nur bierernst, sondern soll vor allem unterhalten. Und dass gerade Mike Terrana der geborene Showman ist, ist ja weitreichend bekannt.

Was den großen Meister selbst betrifft, kann ich mich nur wiederholen, nämlich dass der Spirit des großen Mentors Ritchie Blackmore allgegenwärtig ist. Das trifft nicht nur auf die Art und Weise der Instrumentierung zu, sondern auch auf die Körperhaltung und toternste Mimik, die Herr Pell ebenfalls von jeher an den Tag legt. Aber versteht mich nicht falsch. Das soll jetzt nicht abwertend ausgelegt werden.

Stilistisch sind wir irgendwo in den Achtziger Jahren stehen geblieben  was den deutschen Power Metal betrifft und werden uns auch zukünftig nicht mehr großartig verändern. Muss er auch gar nicht, der gute Axel. Denn er fährt ganz passabel mit seinem Stiefel. Es reicht zwar nicht zum Superstar Status, aber immerhin zu einem gesunden Mittelstand, natürlich ‚nur’ im hauseigenen Genre. Wie schon eingangs erwähnt, ich empfinde den Epos Fidibus hier nicht weiter außergewöhnlich oder gar dramatisch. Aber das wiederum hat wohl eher mit der Macht der Gewohnheit zu tun.

http://www.axel-rudi-pell.de

Weitere Impressionen gibts unter: www.metalhammer.de


fast 50, aber immer noch young at Heart