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Lange hat’s gedauert, bis sich Kanadas Achtziger Jahre Heavy Metal Band Anvil wieder aufgerafft hat, Europa zu besuchen. Kein Wunder eigentlich, so ging doch die berüchtigte Konzertreise im Jahr 2005 als die Disaster Tour in die Bandhistory ein mit manchmal nur 10 Leuten pro Show. Dass es nach so einem Reinfall dann erst mal etwas länger dauert, um sich wieder aufzurappeln, ist nur allzu verständlich. Aber Frontmann Lips gehört zur Sorte Mensch, die man schlechthin als Stehaufmännchen bezeichnet. Er hat nie aufgegeben, weder in den Achtzigern, als nach anfänglichen Erfolgen der Stern zwischenzeitlich auch mal gesunken war, noch in den Neunzigern oder eben wie jetzt nach der Disaster-Tour. Er hat sich immer wieder aufgerappelt, und wie er so schön meint: da ist nur die Musik, meine Musik, und für die lebe und sterbe ich. Um Anvils History kurz Revue passieren zu lassen, sei nur so viel gesagt, als dass Lips, der im richtigen Leben auf den Namen Steve Kudlow hört zusammen mit Drummer Robb Reiner bereits seit 1974  gemeinsam Musik macht. Aber erst mit dem Album ‚Hard’nHeavy’ im Jahr 1981 und unter dem Namen Anvil, erzielten sie die gewünschte Aufmerksamkeit. Auf diesem Debüt geht es zwar noch etwas kommerzieller zu, aber es enthält die großartigen Songs ‚School Love’, ‚At The Apartment’ und ‚I Want You Both with Me’. Gleich ein Jahr später folgte ‚Metal On Metal’, das obgleich von der British New Wave Of Heavy Metal beeinflusst, wesentlich härter ausfällt. Und dieser Gangart blieben Anvil treu. Seitdem sind 28 Jahre und 13 Studioalben vergangen, sowie natürlich etliche Compilations. Die letzte Veröffentlichung feierten Anvil im Jahr 2007 mit dem passenden Titel ‚This is Thirteen’.
Und da gibt es noch diesen Dokumentarfilm. 2009 erschien "Anvil! Die Geschichte einer Freundschaft" unter der Regie von Sacha Gervasi. Es ist ein ungeschminkter Film über diese Band, der viele positive Reviews erhielt und Anvil wieder stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückte. Lips hatte für die Produktion dieses Streifens sein Hab und Gut verkauft um das Projekt finanzieren zu können, und das, obwohl er nicht wissen konnte, ob es sich lohnen würde. 

Es hat sich gelohnt, und wie. Der Streifen, der, wie gerade gesagt, die brutale Wahrheit über das Leben einer Rock’n’Roll Band beschreibt, die aber nie aufgibt, schlug in Kanada und in den USA wie eine Bombe ein. Und mit einem Schlag waren Anvil wieder in aller Munde.
Und jetzt sind wir genau an dem Punkt, wo sich Lips und Robb gedacht haben müssen: jetzt probieren wir es noch einmal – jetzt oder nie mehr. Fakt ist, diesmal ist es keine Disaster Tour hier in Europa, sondern eine  solide, handfeste Angelegenheit mit vielen alten Fans aus den Achtzigern, die sich (wahrscheinlich) dank des Films an die Musik dieser Band wieder erinnert haben. Und da sind auch, so wie heute Abend beobachtet, einige junge Zaungäste, solche, die großteils noch gar nicht geboren waren, als Anvil ihr Debüt ‚Hard’n’Heavy’ veröffentlichten.

Unser 59:1 Club ist wohl gefüllt mit ca. 200 Zaungästen. Wer  hätte das gedacht, wenn wir uns an die 10 Hansln, inklusive meiner selbst im Jahr 2005 erinnern. 

Das einzige Manko, das sich an diesem Abend heraus kristallisiert, ist die Tatsache, dass die Supportband, nämlich Girlschool, genau hier in München nicht mit von der Partie ist im Gegensatz zu den meisten anderen Auftrittsorten. – Andererseits bin ich diesbezüglich auch wieder nicht wirklich traurig, denn bekanntlich beginnen Konzerte an dieser Stätte hier nie früher als 21.30 Uhr. Und inklusive eines Supportacts können die Events dann schon mal bis lange nach Mitternacht dauern. Die Tatsache, dass auch noch just gleichzeitig Spanien gegen Portugal spielt bei der WM in Südafrika, will ich mal vernachlässigen, da immerhin zwischen 150 und ca. 200 Leute den Weg hier her gefunden haben. Und im Gegensatz zum letzten Mal mit nur 10 verlorenen Seelen, ist das ein, fast schon sensationeller Fortschritt, - dank des Films vermute ich..
 In unserem Fall gehen Anvil um Punkt 22 Uhr on Stage und bieten uns 80 Minuten Nostalgie pur – back to the Eighties, und das mit sehr viel Witz, hohem Unterhaltungswert und.... einer Höllenenergie. Ich meine, Lips ist immerhin auch schon 54 Jahre alt. Aber Jesus... – davon merkt man nun weiß Gott nichts. Er beginnt sein Set, indem er sofort mitten ins Publikum rein springt und uns ein impulsives Gitarren-Instrumental offeriert. 

Und das ist genau das was gut ankommt. Das Zauberwort heißt: Publikumsnähe. Beim dritten Song ‚School Love’ steht ohnehin die ganze Bude Kopf. Kurz darauf folgt eine, fast 15 minütige Version von ‚Mothra’ ein weiterer Anvil Knaller, übrigens der Song, der Lips selbst am nächsten steht. Hierfür wird sogar ein hübscher Dildo zur kleinen Hilfestellung hinzu gezogen und der Meistro beweist, dass man auch mit einem solchen die 6 Saiten bedienen kann. – Aber auch das – noch – aktuelle Album ‚This Is Thirteen’  wird anhand des Titletracks nicht vergessen. Lips hat im Interview vor der Show aber verlauten lassen, dass man schon an ein neues Studiowerk denke und dieses spätestens im kommenden Frühjahr veröffentlichen wolle. – Um das Band Line up zu komplettieren, sei natürlich neben Lips und Robb Reiner......... 

 noch Glenn Gyorffy oder auch Glenn 5 am Bass genannt, der seit 1996 mit von der Partie ist. 

Und dieser präsentiert uns an einer Stelle seinen, nicht alltäglichen, 12saitigen Bass. Genauer beschrieben sind es die 4 üblichen Hauptsaiten, wobei jede durch 3 weitere Untersaiten verstärkt ist. Ehrlich gestanden, habe ich so einen Exoten noch nicht oft gesehen. Dadurch hört sich natürlich der melodische Tiefgang um etliches voluminöser an. Auch Robb, der so wie Lips die 50 schon seit längerem hinter sich gelassen hat, zeigt konditionell ebenfalls keine Schwächen, und solche machen sich ja am Schlagzeug normalerweise sofort bemerkbar. Tut es aber nicht – im Gegenteil. Letzter Song vom offiziellen Set – wie könnte es anders sein: ‚Metal On Metal’. An dieser Stelle sei vermerkt, dass Anvil scheinbar keine Setlisten on Stage benötigen, deshalb gibt’s auch keine hier.


(alle Clips mit freundlicher Genehmigung der Band online gestellt)

Alles in allem waren es 80 und ein paar zerquetschte, absolut kurzweilige Minuten, die uns Anvil hier geboten haben und das mit, wie schon erwähnt, hohem Unterhaltungsfaktor dank Lips' tiefgründigem Humor.
Und ich denke mal, dass für Anvil spätestens zu ihrem Movie  jetzt, der zweite Frühling angebrochen ist. Na ja, vielleicht is’ es schon der dritte... aber auch egal...
Anvil geben noch einige weitere Konzerte und treten auch am diesjährigen Bang Your Head Festival in Balingen auf. Wer sie also noch nicht gesehen hat und das Interesse (wieder) geweckt ist, dann nichts wie hin. Alle Infos darüber findet man unter:
http://www.anvilmetal.com/

Einige Off Stage Schnappschüsse gibts wie immer im Diary

sowie weitere Impressionen auf
www.metalhammer.de