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Nehmen wir es mal straight. Jimmie Vaughan war nie, ist nie und wird nie aus dem Schatten seines übermächtigen, längst verstorbenen kleinen Bruder Stevie Ray Vaughan ausbrechen können. Dabei war eigentlich er es, der Stevie in jungen Jahren die exzellenten Gitarrenriffs überhaupt beibrachte. An was es genau lag, dass Stevie stets mehr Beachtung fand als Jimmie und diesen einmaligen Kultstatus erzielte, sei einmal dahin gestellt. Denn die Virtuosität der beiden Brüder befindet sich in etwa auf dem gleichen Level. – Stevie Ray verstarb 1991 nur allzu früh bei einem Hubschrauberabsturz. Und in der Tat gibt es nur ein einziges gemeinsames Werk von Jimmie und Stevie unter dem Namen Vaughan Brothers, das mit Family Style’ betitelt, Anfang 1990 erschien und den Grammy 1991 als Best Contemporary Blues Album  erhielt. Nach Stevies Tod zog sich Jimmie Vaughan zunächst aus der Musikszene zurück, bis er 1994 sein Solo-Debüt Strange Pleasures veröffentlichte. Es folgten Out There (1998) und Do You Get the Blues? (2001).  Abgesehen davon gibt es seit 1997 die sogenannte Jimmie Vaughan Tex-Mex Stratocaster. Vaughan spielte 1998 im Film ‚Blues Brothers 2000’ mit. Und er ist ein guter Freund von Schauspieler Dennies Quaid  mit dem er an dem Jerry Lee Lewis Movie ‚Great Balls Of Fire’ zusammen arbeitete.

2006 tourte er hauptsächlich als Support von Bob Dylan in den USA und versuchte einmal mehr seinen Status noch weiter zu festigen.  Der mehrfache Grammy Gewinner ist außerdem ein leidenschaftlicher Sammler von Autos. – Inzwischen ist Jimmie Vaughan 59 Jahre alt, wurde vor einigen Jahren nochmal Vater von Zwillingen und hat eben erst sein erstes neues Album seit neun Jahren veröffentlicht. Es trägt den Titel ‚Plays Blues, Ballads & Favorites’ und genau mit diesem Teil hat er uns jetzt auch in Europa beehrt.

Aber Jimmie Vaughan leidet genauso wie all die anderen Bluesrock Genies unter der Tatsache, dass er zwar in Insiderkreisen ein hochgeachteter und etablierter Musiker ist, aber von der breiten Masse unbeachtet bleibt. Nennen wir es einfach den Zeitgeist der letzten Jahre, der Generationen Wechsel, die Musikwirtschaft.... – und es gibt mit Sicherheit noch zig verschiedene Gründe, warum Jimmie Vaughan heute Abend (und an all den anderen Tagen) nur in einem kleinen Club vor ca. 150 Bluesfans auftritt und nicht in einer großen Arena vor mehreren tausenden Leuten. Und letzteres hätte der gebürtige Texaner dank seines großen Talents nun wirklich verdient. Aber die Brötchen müssen klein gebacken werden, zumindest hier in Europa.

Und so teilt sich Jimmie mit der Tilt-A-Whirl Band und später noch der Bluessängerin Lou Ann Barton, die ihn gesanglich tatkräftigst unterstützt, die Bretter da oben. Denn singen wäre noch nie seine größte Stärke gewesen, meinte Jimmie selbst einmal. – Trotzdem muss ich sagen, dass mir, und ich denke mal, ich spreche da im Namen von allen Anwesenden hier, die Stimme von Mr.Vaughan keineswegs negativ auffällt. Übrigens Jimmie und Lou Ann haben bereits bei den Fabulous Thunderbirds miteinander musiziert. Und sie hielt auch das Mikro bei Triple Threat feat. Bruder Stevie Ray Vaughan. Bleibt also alles in der Familie.

Das erste Drittel der Show wird denn auch von Jimmie allein als Frontvogel bestimmt. Und erst dann erscheint auch 
Lou Ann Barton
. Die 56jährige Künstlerin, die ebenfalls aus Texas stammt, kann auf eine solide Solokarriere zurück blicken. Entdeckt wurde sie übrigens von keinem Geringeren als Glenn Frey von den Eagles in einem New Yorker Club. Ihr 1982er Debütalbum ‚Old Enough’ kam als einziges Debüt-Album des Jahres in die MTV Charts. Aber auch ihr Name beschränkt sich fast ausschließlich auf die Bluesszene. Auf alle Fälle harmonieren Barton und Vaughan hervorragend da oben auf der Bühne und ergänzen sich gegenseitig was Vocals und Instrumentation betrifft.

Und zumindest befinden sich hier im Münchner Publikum auch jede Menge junger Gäste, ein Beweis mehr, dass der Blues auch noch eine neue Generation anspricht, wenngleich diese auch, wie schon oben beschrieben, ziemlich begrenzt ist.
Mit ‚Comin’ And Goin’ einem selbstgeschriebenen Instrumental hat der Zauber hier begonnen und setzt sich anhand von etlichen Perlen des Blues Genres fort inklusive des exzellenten ‚Sugar Coated Love’ und natürlich des unvergänglichen ‚Boom Bapa Boom’. – Nein, hier kann keiner meckern und sich beklagen, außer über die abartige Hitze, die derzeit herrscht und sich gerade in so einem kleinen, sehr vollen Club unangenehm bemerkbar macht. Aber auch das ist schnell in den Hintergrund gedrängt auf Grund der großartigen 105 Minuten Performance der Tilt-A-Whirl Band. Und bei einer Erfahrung wie dieser hier, da steigt dann doch die Hoffnung, dass der Blues vielleicht noch eine weitere Generation überleben wird... und eventuell noch eine....
who knows.....
http://www.jimmievaughan.com/