Endlich is’ er da, und
lange genug haben wir auch darauf gewartet. Ich für meinen Teil hab’
diesen Musiker zum letzten Mal anno 1990 in London live on Stage erlebt,
wobei es sich da lediglich um einen Gastauftritt bei der Spaß -
Rock’n’Roll Truppe Bad News im legendären Marquee Club gehandelt
hatte. Bei den wenigen anderweitigen Freaks unter den ca. 4.000
anwesenden Zuschauern hier, dürfte das letzte Beck Live Erlebnis noch länger
zurück liegen. Aber als jener noch bei den Yardbirds fidelte oder mit
der Jeff Beck Group tourte, da steckte ich selbst noch in den Kinder-
bis Jugendschuhen. Kurios ist jedenfalls der Umstand, dass Gott und die
Welt unter allen Musikliebhabern den Namen Jeff Beck zwar generell
kennt, aber niemand vermag dessen Karriere tatsächlich in einzelne
Bausteine zu zerlegen. -
Dieser Musiker hatte nie
solche Erfolge gefeiert wie Eric Clapton oder Jimmy Page, dennoch gilt
er mit seinen Visionen zwischen Jazz-Rock bzw. Fusionmusik (z. B. auf
Wired und auf There and Back, feat. Simon Phillips), Psychedelic und
Progressive Guitar Music als eine ebenso bestimmende Kraft in der
Rockmusik. Für seine Instrumentals wurde er bislang fünfmal mit einem
Grammy Award ausgezeichnet: 1986 für Escape, 1990 für Jeff Beck's
Guitar Shop mit Terry Bozzio und Tony Hymas, 2002 für Dirty Mind, 2004
für Plan B und 2010 für A Day in the Life.
Abgesehen davon, dass er zu
den weltallerbesten Gitarristen gehört, spielt er fast ausschließlich
mit den Fingern und benutzt nur sehr selten ein Plektrum (nur für
besonders schnelle Soliläufe). –
Wahrscheinlich beliefen sich die Gründe
für diese erstmalige Europa Tour seit sehr langer Zeit, auf den Umstand
der Veröffentlichung seines neuen Albums ‚Emotion & Commotion’
und den gerade verliehenen Grammy für die Instrumentierung des Beatles
Klassikers ‚A Day In The Life’. Es sind nur eine Handvoll Termine für
die sich Jeff Beck die Ehre gibt, und einer davon findet Gott sei Dank
in München statt.
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Begleitet wird Beck übrigens von der
Ausnahme-Bassistin
Rhonda Smith, Jason
Rebello am Keyboard, und last but not least von einem der besten
Schlagzeuger und Songschreiber der Welt – Mr. Narada
Michael Walden. Und an diesem Punkt stellt sich wirklich die Frage,
wer von den Beiden – Beck oder Walden der größere Musiker ist.
Ehrlich gestanden ist das auf das weltweite Spektrum bezogen fast eher
letzterer. Aber abgesehen von den Initialen auf der Basstrommel, deutet
nichts weiter auf seine Identität hin. Und die meisten können sich
unbeeinflusst auf diesen Firstclass Musiker konzentrieren. Wobei
andererseits ist man ja in erster Linie wegen Jeff Beck gekommen.
Die Vorhut kommt von Joe Bonamassa, der selbst ein begnadeter
Nachwuchs-Bluesrocker ist, der sich schon längst mit eigenem Namen
etabliert hat.
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Und jener hat sich in den letzten Jahren
im Gegensatz zu Beck des öfteren in
unseren Breiten blicken lassen und mit brillanten Auftritten seinen
eigenen Status gefestigt. Der Clou ist, dass Bonamassas größtes Idol
just der Headliner dieses Abends ist nämlich Jeff Beck. – Und als
Supportact ist sich Joe in diesem Fall alles andere als zu schade. Im
Gegenteil er empfindet es als Ehre, seinen eigenen Hero anheizen zu dürfen,
und das sogar um 10 Minuten früher als angesetzt.
Langer Rede kurzer Sinn, Bonamassa unterstreicht hier einmal mehr sein
Talent und Können und zeigt, dass er im Prinzip seinem Vorbild in
nichts nachsteht, außer vielleicht in Sachen Reputation und was die
Zahl der bisherigen Auszeichnungen betrifft. Und natürlich driften die
Stilistiken etwas auseinander. Während Jeff Beck eine wilde Mixtur aus
Rock, Fusion, Funk und Blues vertritt, steht Bonamassa einzig allein für
den Bluesrock. Und diesen spielt er nicht nur, sondern er singt und lebt
ihn auch.
Kurios ist auch die Aura, mit der sich der Musiker umgibt im
schicken Dandy Look, der ihn viel älter wirken lässt, als er
eigentlich ist. Trotz seiner, noch jungen Jahre, hat Bonamassa gerade
erst sein zehntes Studioalbum namens ‚Black Rock’ veröffentlicht.
Dieses ging umgehend auf Nummer 1 in den Billboard Blues-Charts, und in
den normalen Top 200 Hitlisten auf Platz 38. Und jenes bildet denn auch
den Fokus des, etwas über eine Stunde dauernden Sets. – Und wie immer
hinterlässt Joe Bonamassa einen hervorragenden Eindruck, auch wenn 90
Prozent aller Zuschauer hier voller Neugier vor allem auf Jeff Beck
warten. Nun ich denke, dass es nicht allzu lange dauert, bis Joe uns
wieder beehrt, und dann auf alle Fälle wieder als Headliner.
http://jbonamassa.com/
Um 20.30 Uhr geht’s weiter, und ein ‚sehr’ jugendlicher Jeff Beck
betritt das Podest. Zumindest macht es den Anschein von weitem. Weil aus
der Nähe sieht die Sache denn doch etwas anders aus.
Die schlanke
Silhouette besitzt ein, vom Leben gefurchtes Gesicht. Und bei der
Haarpracht, die seit 40 Jahren die selbe zu sein scheint, bin ich mir
alles andere als sicher, ob es sich hierbei noch um die eigene handelt.
Aber gut an solchen Äußerlichkeiten soll’s nicht scheitern, sag ich
mal. Aber Ihr wisst ja, das Auge isst immer mit. Und dem Fall bleibt es
mit Sicherheit nicht hungrig, wenngleich auch mit einem etwas grotesken
Beigeschmack. Auf alle Fälle zeigt sich Beck souverän und sehr
selbstsicher. Und die anfängliche Sonnenbrille, die wahrscheinlich ein
wenig zur Coolness dazu beitragen sollte, ist in kürzester Zeit
Vergangenheit.
Gut so für uns Fotografen, denn nichts ist so aussagekräftig
an einer Person als seine/ihre Augen. Jeffs Programm ist ein fast
instrumentales Feuerwerk individueller Gitarrenkunst. Die wenigen
gesanglichen Einlagen kommen von Bassistin Rhonda Smith, die wieder
einmal beweist, dass auch Frauen durchaus ihren Mann stehen können, vor
allem was das Können am Bass angeht. –
Und dann ist da natürlich
Narada Michael Walden, den die meisten hier gar nicht wahr nehmen.
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Jener
zeichnet auch als Produzent und Mitautor mehrerer Nummer-1-Hits
verantwortlich, darunter I Wanna Dance With Somebody von Whitney Houston
und Nothing's Gonna Stop Us Now von Starship. Für Freeway Of Love, ein
Hit für Aretha Franklin, bekam er 1986 zusammen mit Jeffrey Cohen einen
Grammy. Bei den Grammy Awards 1988 wurde er als Produzent des Jahres
ausgezeichnet. – Wie auch immer, der aufmerksame Zuhörer hier, dürfte
bei Waldens exzellentem Schlagzeugsolo mehr als nur die Ohren gespitzt
haben. – An diesem Punkt
stiehlt er Beck fast schon ein wenig die Show. –
Ansonsten brilliert Jeff mit Stücken wie z.B. Corpus Christi.
Hierbei
handelt es sich ursprünglich um einen religiösen Text aus dem 16.
Jahrhundert, dem in den 1930ern eine getragene, dabei eingängig-gefällige
Melodie verpasst und der 1994 vom amerikanischen Singer-Songwriter Jeff
Buckley in eine sparsam begleitete, allerdings mit engelsgleicher
Falsettstimme vorgetragene Form gebracht wurde. Beck hat daraus sein
ganz eigenes Menü gebrutzelt mit einem durchaus individuellen Stempel.
– Und dann wäre auch die getragene Melodie zu ‚Somewhere Over The
Rainbow’ von der unvergesslichen Judy Garland.
Bekanntlich sind die beiden Silben des Wortes "Somewhere"
durch eine Oktave getrennt. Spieltechnisch stellt das auf der Gitarre
kein Problem dar, es klingt aber meist relativ unspektakulär. Bei Beck
hingegen wird daraus eine lebendige Zirkulation, die in ihrer Sensibilität
schnurstracks auf das Organ von Judy Garland verweist. Und Giacomo
Puccinis "Nessun Dorma", das bereits von verschiedensten Künstlern
zum abwinken in den Kommerz zerpflückt wurde, erhält durch Jeff Becks
Interpretation eine höchst eigenwillige Note. Selbstredend steht
auch noch Jeffs Grammy Song, das Beatles Cover ‚A Day In The Life’
auf der Liste. – Ohne
jenes geht ein Beck nicht von der Bühne.
Leider vergeht die Zeit nun mal, wie üblich, viel zu schnell, und
Schlag 22 Uhr ist Schluss mit lustig. Das Publikum verlangt nach mehr,
und Beck hätte ihnen offensichtlich liebend gern noch viel mehr
gegeben. Diese Situation habe ich schon so oft hier am Tollwood bei
verschiedenen Künstlern erlebt.
Aber die Regeln der Stadtväter Münchens
sind unumstößlich und zeigen kein Erbarmen. Hierbei ist auch nicht
eine einzige Minute über die Zeit gestattet. Da hilft rein gar nichts
mehr – Punkt um. Fazit ist eine gelungene Vorstellung eines,
inzwischen 66jährigen Musikern, der sich dank seiner Musik immer wieder
gehäutet hat. Und auch wenn so einige Besucher mit einer reinen
Instrumental Performance so ihre Probleme gehabt haben, so liegt das
allerhöchstens an dem ungemein hohen Anspruchs in der Musik ansich. Und der
ist Jeff Beck selbst, allemal gerecht geworden. Aus und Amen.
http://www.jeffbeck.com/
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