München-City


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München-West


Es passiert zwar nicht soooo oft, aber es passiert mitunter, dass man an einem Abend zwei Aufträge zu erfüllen hat. Wenn dabei dann allerdings die Termin-Lokalitäten eine, fast komplette Großstadt-Durchquerung voneinander entfernt liegen, wird’s schwierig. Und das selbstständige Fliegen hat die Menschheit bis zum heutigen Tag noch nicht erlernt. Andererseits existieren heute Abend zwei Umstände, die mich diese Aufgabe dann letztendlich doch vollbringen lassen. Zum einen gibt es seit kurzem direkt an unserem Backstage Areal eine neue S-Bahnstation mit Direktverbindung von einem Ende zum anderen. Und zweitens findet jenes Event, nämlich das Konzert von Sepultura im Rahmen des alljährlichen Free & Easy Festivals statt, bei dem der Eintritt umsonst ist und die teilnnehmenden Bands später als normal, in diesem Fall der Headliner um 22.30 Uhr  auf die Bühne gehen.
Anreise also per Auto ist um 18.30 Uhr im Backstage. Der Vorteil: man kriegt um diese Zeit noch einen komfortablen Parkplatz. Der Termin für das vereinbarte Interview mit Sepultura verzögert sich leicht nach hinten, was aber wiederum kein Problem darstellt, denn das anschließende Photoshoot von Anne Clark im Ampere Club gleich um die Ecke in 10 km Luftlinie Entfernung :-)) beginnt erst um 21 Uhr. – Den chaotischen Tourmanager  der Brasilianer hier im Backstage, der ständig irgendwas von Problems faselt, lassen wir links liegen, nach dem Motto: selbst ist der Mann...äh... bzw. Frau, und ich schnappe mir die Brüder gleich höchstpersönlich zum zwischenmenschlichen Gedankenaustausch. Sepultura Gitarrist Andreas Kisser versichert hoch und heilig, dass in der Band Friede, Freude, Eierkuchen herrscht, man gerade über ein neues Album nachdenke und Europa für die Band das non plus ultra für die persönliche Karriere darstellt. Jaaaaa, und last but not least wird noch ein kurzes Statement zu Mäxchen Cavalera abgegeben, dem ehemaligen Freund & Kupferstecher und anschließendem Erzfeind, mit dem man sich wohl in letzter Zeit wieder etwas angenähert hat. Aber natürlich stimmen die, derzeit kursierenden Gerüchte keinesfalls, dass Max in absehbarer Zeit wieder mit im Boot wäre. – Das alles ist natürlich äußerst diplomatisch formuliert – klar doch.


auf's Foto klicken, um den Smalltalk
mit Andreas per WMP anzuhören 
(Länge ca. 16 Min. mit musikal.Intro)

Der Small Talk ist beendet,......

noch schnell ein Schnappschuss unseres Baierischen Thrashmetal Nachwuchses
Dust Bolt, die die Ehre haben, für Sepultura heute Abend einzuheizen.

http://www.myspace.com/dustbolt

....und das Auto bleibt wo es ist, denn 1) wollen wir den guten Parkplatz behalten, und 2) sind wir mit der S-Bahn ohnehin 10x schneller. Was heißt wir? Ich bin natürlich alleine, und mache mich auf den Weg ins Ampere – 7 S-Bahn Stationen weiter.


Anne Clark und ihre Band starten ihr Set pünktlichst um 21 Uhr, und der Laden ist sehr gut gefüllt mit schätzungsweise 500 Fans.

Interessanterweise verbreitet das Publikum genau jenes Feeling, dass Anne Clarks Musik widerspiegelt. Andersrum könnte man es genauso beschreiben. Bei genauerer Betrachtung befinden sich hier vor allem Individualisten, Exzentriker, Studenten, Grüne, aber auch einfach nur wissbegierige Musikliebhaber, die sich zum ersten Mal von Clarks Rhythmen überzeugen wollen. Mir persönlich bleibt leider nicht allzu viel Zeit, um die Show genauer zu studieren, die ersten drei Songs, während derer ich versuche bei der spärlichen Beleuchtung noch das Beste draus zu machen und anschließend noch zwei weitere Hymnen mitnehmen, um einen wagen Eindruck zu gewinnen.

Avantgardistische Elektronik mit Rock und Folk und sogar etwas Klassik versehen wäre die beste Beschreibung. Ich bezeichne das Ganze als Cross Over, und die mittlerweise 50jährige Anne Clark trägt ihren Text eher gesprochen als gesungen vor. Zugegeben, das Ganze ist sehr eigenwillig und gewöhnungsbedürftig, hat aber durchaus seinen Reiz, der einen zum aufmerksamen anhören verleitet. Über ein Dutzend Studioalben und etliche Compilations und Live-Recordings hat die Engländerin seit 1982 veröffentlicht. Und obwohl sie nach wie vor in der Independend Szene logiert, hat sie ihren festen Platz im Genre. In ihrer Begleitband befindet sich auch Gitarrist
  Jeff Aug, der gleichzeitig auch der Booker dieser Tournee ist, und natürlich  sind auch die restlichen Musiker hier nicht zu verachten.

Den einzigen Umstand, den ich persönlich nicht wirklich nachvollziehen kann, ist die oft beschriebene düstere Aura von Anne Clark, ich hier aber vergeblich suche. Auch egal, den  Zuschauern gefällt offensichtlich was sie dargeboten bekommen und danken es Miss Clark mit sichtlich positivem Zuspruch. Mir bleibt keine Zeit mehr, und ich verlasse das Geschehen mit fliegenden Fahnen. Weitere Infos zu Anne Clark gibt’s unter: www.anneclark.com/   Sound-Beispiele gibts hier zu hören.

 Okay, back again per S-Bahn zurück quer durch die Stadt zum Backstage Areal, wo es nur noch Minuten dauert, bis Sepultura ihren Stiefel vom Stapel lassen. Allerdings ist noch immer nicht aller Tage Abend was die Hürden eines fliegenden Reporters betrifft. Das Problem heißt ‚Free & Easy’ – umsonst und zum Nulltarif. Und genau das lassen sich gerade junge Leute nicht zwei Mal sagen. Denn wo kriegt man schon mal was geschenkt auch wenn es nicht unbedingt exakt dem individuellen Musikgeschmack entspricht. Das Resultat ist ein absolut überfülltes Wohnzimmer. Und für den Weg vom Haupteingang bis zum Fotograben benötige ich sagenhafte 13 Minuten inklusiver Ausübung des Faustrechts um zu meinem Ziel zu gelangen. Dann geht alles ratz fatz. Sepultura werden begrüßt wie die Rolling Stones in Papua NeuGuinea und legen los, dass der Dampf in der Backstage Sauna  zu Wackelpudding wird.

Die Beleuchtung zum knipsen ist wie immer eine Katastrophe, aber das sind wir ja schon gewohnt von den Brüdern. Die Absperrung nach vorne schwankt bedrohlich, hält aber Gott sei Dank dem Hexenkessel stand. Und ich denke mal, dass die Band selbst, schon lange kein so zahlreiches und ausgeflipptes Publikum mehr hatte, wie eben just in diesem Moment hier. 26 Jahre Existenz kann die brasilianische Vorzeigeband Nr. 1 in Sachen Thrashmetal jetzt vorweisen. Wobei man dazu sagen muss, dass vom Ur-Line up nur noch Paulo Xisto Pinto Jr. am Bass übrig geblieben ist. Aber da Gitarrist Andreas Kisser nur 3 Jahre nach der Bandgründung dazu gestoßen war, gilt er heute als der Hauptsongschreiber und Kopf der Combo. Aushängeschild ist hingegen Sänger Derrick Leon Green, der seit 1998 das Mikro schwingt und mit seinem extravagantem Aussehen definitive das Hauptaugenmerk auf sich zieht.


(c)Sackhaarrasierer

Das aktuelle Album ist immer noch A-Lex, das bereits im vergangenen Jahr erschien und als reines Konzeptwerk die Thematik rund um Clockwork Orange beschreibt. Trotzdem ist die Setliste heute Abend ein bunter Querschnitt durch die Sepultura History inklusive den Klassikern ‚Arise’ und ‚Roots Bloody Roots’. – Auch hier gilt, nach 3 Songs ist Schluss mit lustig was die Knipserei angeht. Und da es außer im Fotograben, gelinde ausgedrückt, unerträglich ist und nicht mal mehr eine Tze Tze Fliege einen Kopfstand machen kann, gibt’s nur noch eine Lösung: nämlich die Flucht nach vorne – straight ab durch die Mitte an der Bühne vorbei und raus.... einfach nur raus. Und ich habe selten so sehr die ‚sehr’ frische Abendluft genossen, wie just in diesem Augenblick. – Den Rest des Sets spielen Sepultura, genauso wie Anne Clark zuvor, wenngleich auch aus anderen Gründen, - ohne mich. Mein Auftrag ist erfüllt, und irgendwer wird sich vermutlich gleich riesig freuen über eine leer gewordene Parklücke. Good Night, und bis zum nächsten Mal – Sepultura, dann hoffentlich wieder in normal-üblichen Rahmen, zwar kostenpflichtig, aber dafür wieder ohne Explosionsgefahr.


(c)Sackhaarrasierer

http://sepultura.uol.com.br

Auch so lässt sich Kohle verdienen

 


Good Night