Es gibt Personen, die
mit ihrem Mangel an Charme äußerst verschwenderisch umgehen – besagt
zumindest ein Sprichwort von Dichter Raimund Vidra`nyi. Und ein weiteres
von Goethe liest sich: Ein Charakter ruht auf der Persönlichkeit, nicht
auf den Talenten. – Und beides trifft auch Ritchie Blackmore zu wie
die berühmte Faust aufs Augenlicht. Aber der gute Mann hat nun mal das
berühmteste Hardrock Riff aller Zeiten komponiert und sich damit, und
eben seinen Talenten einen Gedenkstein in der History of Rock’n’Roll
gesetzt. Also pfeif auf charakterliche Exzentrik. Und auch wenn er heute
keine Rockmusik in dem Sinn mehr praktiziert, sondern vielmehr sein
Augenmerk auf althistorische Klänge gelegt hat, so wird er dank seiner
Vergangenheit den Stempel eines der größten Rockgitarristen überhaupt,
nicht wieder los werden. Kein Wunder also, dass sich neben vielen Fans
des Altertum Kults auch etliche Deep Purple Verfechter im Publikum eines
Blackmore Night Konzerts befinden. Nennen wir’s mal so. Blackmore’s
Night stehen sozusagen für einen Sound, den man in weiterer
Vergangenheit wahrscheinlich als Heavy Metal des Mittelalters bezeichnet
hätte.
Wobei das mit dem
Mittelalter ja so auch wieder nicht stimmt, denn Blackmores bevorzugte
Epoche ist die Renaissance. Und die
wiederum hatte ihre Hoch-Zeit zwischen 1400 und 1600. Da war das
Mittelalter schon längst Vergangenheit. Nichts desto trotz legt
Sir Richard seit etlichen Jahren eher Wert auf ein gediegen- düsteres
Ambiente mit diesem Touch von leicht morbider Melancholie, die lediglich
vom sonnigen Wesen seiner Angetrauten Candice Night aufgeheitert wird. Oft
habe ich mich schon gefragt, wie diese beiden so unterschiedlichen
Charaktäre miteinander harmonieren. Aber ich vermute mal, Gegensätze
ziehen sich an, wie es immer so schön formuliert wird. Abgesehen davon
besitzt auch Candy, wie Ritchie sie liebevoll zu nennen pflegt,
ein riesengroßes Talent bzgl. ihrer vokalen Fähigkeiten und der
humoristischen Gabe, das Publikum zwischen der musikalischen
Darbietung witzig zu unterhalten.
Eines muss man gleich eingangs vermerken. Bei einem Konzert von
Blackmore’s Night gibt es keine festgelegte Setliste. Das Ganze
ist eine einzige Jamsession, die spontan vom Cheffe bestimmt und
geleitet wird. Mit der Backing Band werden lediglich einige
Fixpunkte besprochen. Alles andere ergibt sich von selbst und muss
gleichzeitig vom Tontechniker fast augenblicklich akustisch
proportioniert werden. Und so kann je nach Lust und Laune eine
solche Performance zwischen 75 Minuten und 2 ½ Stunden dauern, -
wie gesagt, alles eine Frage der jeweiligen Tagesverfassung von
Sir Ritch und der Reaktionsschnelligkeit aller restlichen
Beteiligten.
Gespielt wird bekanntlich lediglich an Stätten, die dem Genre
entsprechen, sprich Schlösser, Burgen, klassischen Theatern
Klosterkemenaten etc. Aber das brauche ich ja den eingefleischten
Fans und Freunden von Blackmore’s Night nicht nochmal zu erzählen.
In unserem Fall heute, ist es das schmucke Münchner Prinzregenten
Theater, das, - man höre und staune, sich als absolut restlos
ausverkauft erweist. Im Klartext heißt das ca. 1.100 Zuschauer
sitzen hier drinnen.
Der Zauber wird von meinem „Lieblingsinstrument“ eingeleitet,
das von einem schmucken Gesellen quer durch die Ränge lustgeflötet
wird. Oh Dudelsack ich hör dir trapsen, und derjenige der dieses
Monstrum erfunden hat, gehört meiner Meinung nach, heute noch
geteert und gefedert.
Aber Gott sei Dank sind Geschmäcker
bekanntlich verschieden. Und so erfreut sich dieses Blasinstrument
nach wie vor allgemeiner Beliebtheit, besonders rund ums Loch
Ness, in Mittelalter- bzw. Folklore Kreisen und am Nordpol.
Pardon, letzteres wohl denn doch nicht........
Unser Junker
Wohlgesell’, der, wie sich später heraus stellt, auch bei
Blackmores Partyband mitmischt, tut jedenfalls alles, um uns in
Stimmung zu bringen, nicht nur mit dem Dudelpfeife, sondern auch
mit so einigem anderen altmodisch-exotischem Gerät. Ladies and
Gentlemen, darf man vorstellen:Albrecht Schmidt-Reinthaler, seines Zeichens auch
Generaldirektor des sogenannten „Geyers Schwarzer Haufen“.
Und von jenem haben.
lt. Candy, die Blackmore’lis recht anständig stibitzt. Demzufolge ist
es Alberichs... pardon Albrechts natürlich (wir sind ja hier nicht im
Nibelungen Ring)- gutes Recht, auch etwas mitzumischen bei Mirakulix’sZaubertrank.
Und jener beginnt mit einem Feitstanz von Rumpelstitzchen nach dem
Motto: ach wie gut, dass niemand wirklich weiß, dass ich Earl Grey of Chimney
heiß’, so das Pendant des 4-Saiten Spezialisten von Blackmore’s
Night, der sich da gekonnt in Szene zu setzen weiß, bevor der große
Meister die Bühne betritt.
Eine
gewisse Ähnlichkeit ist nicht zu verleugnen :-)
Muss
er auch, denn just wenn Sir Ritch und Mistrel Candice die Szenerie
betreten, rückt alles andere in den vornehmen Hintergrund. Schade
eigentlich, denn anhand der alles einnehmenden Präsenz von Lady and Lord
Blackmore, verschwindet der untermalende, aber unerlässliche Hofstaat im
verschmelzenden Nirvana.Dabei handelt es sich bei jenem um wirklich
exzellente Musiker. Klar doch, mit etwas minderem würde sich Herr
Blackmore auch gar nicht erst abgeben. – Ein sehr schwungvolles ‚Locked
Within The Crystal Ball’ leitet das delikate Kammerkonzert ein. Und
Erinnerungen werden wach an den Videodreh
von anno dazumal vor 2 Jahren zu diesem, sehr schönen Stück. Die olle
Plastik-Lampenkugel... äh sorry ich meine natürlich der Crystalball,
verstaubt heute noch in meinem Wohnzimmerschrank, nur die Magie hat sich
leider verkrümelt. -
Live kommt
die Nummer aber fast genauso gut rüber wie im Video. Und hier im Theater
steigt auch kein schwarzer Mann aus dem Spiegel und erschreckt unsere
holde Maid, die uns alsbald mit der frohen Botschaft bezüglich des
Nachwuchses im Hause Blackmore überrascht, der seit Mai dieses Jahres
seinen Platz auf diesem Planeten beansprucht. Allerdings hat Töchterchen
Autumn Esmeraldadavon abgesehen,
ihre Eltern auf dem momentanen musikalischen Trip zu begleiten. Ergo
halten sich die Termine dieser Konzertreise auch in absehbaren Grenzen.
Ach ja, der kleine, neue Erdenbürger hat auch dem aktuellen, neuen
Chartbreaker - (im wahrsten Sinn des Wortes) - Album seinen Namen
geliehen. Und immerhin steht Super-Ritch nicht allein da mit der Tatsache,
dass er mit 65 nochmal Vater geworden ist. Rod Stewart steht diese Ehre
als nächstes zu.
Aus der mühsam
zusammen getüftelten Setliste - ( der Dank geht an Kollege Schöwe und ans
Blackmore’sche Rumpelstitzchen, das sich im nachhinein selber nicht mehr
genau erinnern kann, was es da eigentlich alles runter geeiert hat)
- ist zu ersehen,
dass sich die Renaissance mit Ludwig van Beethoven und der Neuzeit
verbandelt hat. Cross Over nennt man eine solche Stilverquickung im
allgemeinen heutzutage. Neben etlichen bekannten Blackmore’s Night
Gassenhauern wird dann auch Luggies 9te angefidelt, die Carmina Burana
frei nach Carl Orff und später nochmal Beethovens Schicksalssymphonie,
besser bekannt als die Fünfte....Der
eigenen Vergangenheit gedenkt Meistro Blackmore nur ein einziges Mal mit
einem exaltierten Abstrich von ‚Soldiers Of Fortune’. Aber das war’s
auch schon, was die längst abgeschlossene Sure des Korans rund um Deep
Purple angeht. Rockmusik habe er schließlich lange genug praktiziert,
meinte er mal in einem Statement. Und die Vergangenheit wäre für ihn so
interessant wie eine vergammelte Kirchenmaus die dank des
Verwesungsprozessesgar nicht
mehr wirklich vorhanden sei – zumindest für ihn.....
Auf alle Fälle
scheint Junker Blackmore heute Abend in gnädiger Stimmung zu sein und
legt einen Bewegungsdrang an den Tagbzw. Abend, der fast schon olympiareif ist. Es wird tief im Fundus
der eigenen, individuellen Kreativität gekramt und ausschweifend
akustisch umgesetzt. Aber genau an diesem Punkt sind wir bei der Tatsache,
dass so eine akustische Klangorgie auch nach hinten los gehen kann, vor
allem wenn sie so gediegen und unterschwänglich in die Länge gezogen
wird, wie gerade eben. Baldrian erübrigt sich als Einschlafhilfe. Aber
Gott sei’s getrommelt und gepfiffen, ist die Schlummerphase nicht von
Dauer und explodiert im nächsten Augenblick, äh... na ja, so ca. nach 20
Minuten, wieder in einem visuell unterstrichenen Sternschnuppen Regen par
excellance.
Nachstehend
alles was man zum neuen Album 'Autumn Sky' wissen muss
(c) Ritchie Blackmore TV
Die gnädige
Partystimmung vom Boss erlaubt zudem eine nochmalige Rückkehr, um mit den
zusätzlichen Gebeten ‚The Village Laterne’
und ‚The Times Are Changing’, den, wie schon erwähnt, zweieinhalbstündigen
Bandwurm feierlich abzuschließen. Das Amen in der Kathedrale ist somit
gezwitschert, und trotz einiger kleiner Schwächen, auch was die örtlichen
Klangverhältnisse betrifft (wobei ich mir da aber wiederum nicht sicher
bin, ob’s nicht am, eher ungünstigen Sitzplatz meinerseits gelegen hat) – kann
man zu diesem Gastspiel keine weitere Kritik abgeben. Die positive
Reputation bleibt auf alle Fälle gesichert. Und nur einigen, wenigen Fans
drängt sich viel später noch ein schaler Nachgeschmack auf, nachdem
diese, trotz geduldiger, sagenhafter 3stündiger Wartezeit am
Hinterausgang, nicht mal mehr einen Augenaufschlag von Sir Ritch erhalten.
Aber so is’ er nun mal, unser Infant Terrible des Renaissance
Rock’n’Rolls. Sonst wäre er nicht Ritchie Blackmore, - stimmts oder
hab’ ich recht?Und um
diesen Monolog auch wieder mit einem Sprichwort abzuschließen: „Der
einzige Unterschied zwischen wankelmütigen Launen und einer lebenslangen
Leidenschaft ist der, dass die Launen meistens etwas länger anhalten
(Oscar Wilde) - Oh wie wahr...!!!!!! http://www.blackmoresnight.com/
PS: trotz
Blackmore Dominanz sollte man den Rest einer guten Band nicht
ignorieren.........