Bekanntlich gibt’s es gute
und schlechte Konzerte, Konzerte wo man sich vor lauter Begeisterung
wegschmeißt, Shows, wo man vor lauter Wut die Stätte vorzeitig verlässt,
Gigs, die man so hinnimmt wie sie sind – also durchschnittlich. Und da
gibt es Auftritte, wo man nur noch heulen möchte, aber das wiederum
nicht, weil sie, wie oben brillant oder grottenübel sind, sondern weil
sie schlicht und ergreifend todtraurig sind. – Yep, Ihr habt richtig
gehört. Denn beim Alannah Myles Konzert hier in München, sind die ca.
200 anwesenden Gäste erst mal komplett schockiert, was sich ihnen da
visuell bietet. – Umso schlimmer ist es für diejenigen, die die
kanadische Rockröhre zu ihren Hightimes rund um 1990 bereits live
erleben durften. Das war zu der Zeit, als ihr größter Wurf ‚Black
Velvet’ weltweit die Charts erstürmte. – Jesus, Maria was für
einen Durchstarter hatte die damals 32Jährige bildhübsche Sängerin da
hingelegt. – Alannah war in aller Munde und hätte gut und locker
nebenbei noch für die nächsten Miss World Wahlen kandidieren können.
Ihr wurden zig Affären nachgesagt und andere Skandälchen. Aber das
Schicksal wollte es anders. Erstens konnte sie den Erfolg von ‚Black
Velvet’ nie mehr wiederholen, zweitens war und ist ihre einzige große
Liebe immer noch – nur – die Musik, und außer ihrer geliebten Katze
kein anderer. Und drittens warf sie vor einigen Jahren erst ein
Reitunfall und dann noch ein Autounfall vollkommen aus der Bahn. Ein
Chiropraktiker und dessen anscheinend falsche Therapie taten das ihrige,
um Miss Myles für etliche Jahre an den Rollstuhl zu fesseln. Und genau
während jener Zeit hat sie sich selbst geschworen, dass sie irgendwann
wieder auf aufrecht auf eine Bühne steigen kann. - |
Anfangs kämpft sie massiv
mit ihrem Mikrophonständer, der nicht so will, wie sie will. Irgendwann
schmeißt sie ihn weg und will einen anderen haben. In der Zwischenzeit
hält sie das Mikophon blank in den Händen was ihr aber auf Dauer
sichtlich schwer fällt, genauso wie das trinken aus der
Plastik-Mineralwasserflasche. – Es ist nicht nur das Laufen und der
Kopf, es ist vielmehr die ganze Körpermotorik, die bei ihr nicht mehr
stimmt. Nur die Stimme ist immer noch dieselbe, wenngleich auch nicht
mehr ganz so ausdrucksstark wie damals. Und ab und zu mischt sich ein
fremder Ton in die Struktur, wobei ich mir da nicht sicher bin, ob sie
jetzt falsch gesungen hat, oder ob sie die andere Tonart einfach nicht
mehr schafft. Umringt ist die Myles von hervorragenden Musikern wie zum
Beispiel Dragoslav Tanakovic, der Keybord, Gitarre und Harmonica spielt,
oder auch Leonardo Valvassori am Bass, dann der junge kanadische Sänger
Donny Anderson und last but not least Schlagzeuger Dale Harrison. Vertreten ist so ziemlich jeder Song, den man von Alannah Myles kennt, ob das gleich die erste Nummer ‚After The Goldrush’ ist oder ‚Rocking Horse’ und ‚Sonny Say You Will’ und andere....Aber sie nimmt sich auch einer Cover-Version von I Can’t Stand The Rain’ an, im Original von Ann Peebles aus dem Jahr 1973. Aber eigentlich warten alle nur auf eine Nummer, und was kann das wohl anderes sein, als ‚Black Velvet’.- Und Miss Myles Herz Ass folgt als letzter Song vor der Zugabe. Für letztgenannte... bleibt sie selbstredend gleich sitzen. Alles andere wäre zu beschwerlich.
Mein persönlicher Fave ‚Still Got This Thing’ beschließt ein Rockkonzert, das keinesfalls zum Party - machen animierte, sondern eher zum stillen nachdenklichen Hinhören verleitet hat, dank der fehlenden, einstigen, Explosivität einer Alannah Myles die früher vor Energie und Sexappeal nur so sprühte und vor der keine Box sicher war zum rauf klettern und wieder runter springen. Nur ihre Stimme und die Songs selbst erinnern noch an das frühere Leben einer nunmehr um Jahrzehnte gealterten Frau. Durch die sitzende, gebeugte Haltung und dem, fast konstant nach unten, gerichteten Blick, fehlt auch der Vibe, die sprühenden Funken, wie man es so theatralisch zu nennen pflegt. – Ich für meinen
Teil kann mich nur sehr schwer entscheiden, ob mir dieses Gastspiel
jetzt gefallen hat oder nicht. Wie gesagt: einerseits sei Alannah Myles
eine riesengroße Achtung geschenkt, dass sie in ihrem Zustand
wieder live auftritt, andererseits ist der visuelle Aspekt und
der tragische Ausdruck so
bedauerlich, dass man im Endeffekt nicht weiß, ob man sich jetzt darüber
freuen soll, dass sie immer noch da ist, oder eben weinen muss. Zu wünschen
wäre es ihr jedenfalls von Herzen, dass sie wieder zunehmend an
physischem Boden gewinnt, und es ihr irgendwann auch wieder erheblich
besser geht. Aber wie auch immer... zumindest
‚Black Velvet’ wird unvergessen bleiben in den Annalen der
Rockmusik. |