Anfangs kämpft sie massiv
mit ihrem Mikrophonständer, der nicht so will, wie sie will. Irgendwann
schmeißt sie ihn weg und will einen anderen haben. In der Zwischenzeit
hält sie das Mikophon blank in den Händen was ihr aber auf Dauer
sichtlich schwer fällt, genauso wie das trinken aus der
Plastik-Mineralwasserflasche. – Es ist nicht nur das Laufen und der
Kopf, es ist vielmehr die ganze Körpermotorik, die bei ihr nicht mehr
stimmt. Nur die Stimme ist immer noch dieselbe, wenngleich auch nicht
mehr ganz so ausdrucksstark wie damals. Und ab und zu mischt sich ein
fremder Ton in die Struktur, wobei ich mir da nicht sicher bin, ob sie
jetzt falsch gesungen hat, oder ob sie die andere Tonart einfach nicht
mehr schafft. Umringt ist die Myles von hervorragenden Musikern wie zum
Beispiel Dragoslav Tanakovic, der Keybord, Gitarre und Harmonica spielt,
oder auch Leonardo Valvassori am Bass, dann der junge kanadische Sänger
Donny Anderson und last but not least Schlagzeuger Dale Harrison.
Vertreten ist so ziemlich jeder Song, den man von Alannah Myles kennt,
ob das gleich die erste Nummer ‚After The Goldrush’ ist oder ‚Rocking
Horse’ und ‚Sonny Say You Will’ und andere....Aber sie nimmt sich
auch einer Cover-Version von I Can’t Stand The Rain’ an, im Original
von Ann Peebles aus dem Jahr 1973.
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Aber eigentlich warten alle nur auf eine Nummer, und was kann das wohl
anderes sein, als ‚Black Velvet’.-
Und Miss Myles Herz Ass folgt als letzter Song vor der Zugabe. Für
letztgenannte... bleibt sie selbstredend gleich sitzen. Alles andere wäre
zu beschwerlich.
Mein persönlicher Fave ‚Still Got This Thing’
beschließt ein Rockkonzert, das keinesfalls zum Party - machen
animierte, sondern eher zum stillen nachdenklichen Hinhören verleitet
hat, dank der fehlenden, einstigen, Explosivität einer Alannah Myles
die früher vor Energie und Sexappeal
nur so sprühte und vor der keine Box sicher war zum rauf
klettern und wieder runter springen. Nur ihre Stimme und die Songs
selbst erinnern noch an das frühere Leben einer nunmehr um Jahrzehnte
gealterten Frau. Durch die sitzende, gebeugte Haltung und dem, fast
konstant nach unten, gerichteten Blick, fehlt auch der Vibe, die sprühenden
Funken, wie man es so theatralisch zu nennen pflegt. –
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Ich für meinen
Teil kann mich nur sehr schwer entscheiden, ob mir dieses Gastspiel
jetzt gefallen hat oder nicht. Wie gesagt: einerseits sei Alannah Myles
eine riesengroße Achtung geschenkt, dass sie in ihrem Zustand
wieder live auftritt, andererseits ist der visuelle Aspekt und
der tragische Ausdruck so
bedauerlich, dass man im Endeffekt nicht weiß, ob man sich jetzt darüber
freuen soll, dass sie immer noch da ist, oder eben weinen muss. Zu wünschen
wäre es ihr jedenfalls von Herzen, dass sie wieder zunehmend an
physischem Boden gewinnt, und es ihr irgendwann auch wieder erheblich
besser geht. Aber wie auch immer... zumindest
‚Black Velvet’ wird unvergessen bleiben in den Annalen der
Rockmusik.
http://www.alannahmyles.com/ |