Live Review 628


Heute haben wir wieder mal eine dieser Situationen, die man auch im Musikgeschäft gut und gern als Fahrt ins Blaue bezeichnen mag. Denn ehrlich gestanden, habe ich von einer Band namens Favez mein Leben lang noch nichts gehört. Und Das heißt was, meine Freunde, das könnt Ihr mir glauben. Denn zu allem Überfluss gibt es die Truppe aus dem schweizerischen Lausanne schon 18 Jahre samt 10 Alben. Kaum zu glauben, und ich bin nahe dran, mein musikalisches  Allgemeinwissen neu zu überdenken. Andererseits – man kann auch nicht allwissend sein, und klar doch.... ich lerne immer gern dazu – keine Frage. Wenn sich hinterher das Ganze auch noch als angenehme Überraschung herausstellt so wie hier, dann ist das umso erfreulicher.
Beim heutigen Auftritt der Schweizer, plus zweier lokaler Münchner Bands, handelt es sich zu allem Überfluss noch um ein Frei-Konzert hier im Feierwerk, genauer definiert im dortigen Orangehouse, wo um 21 Uhr mit ‚Promise Broken’ der Startschuss fällt.

Viel kann ich Euch zu diesem Outfit nicht sagen, außer dass sie allesamt offensichtlich noch sehr jung sind. Mit sehr jung meine ich um die 20 und ein paar Zerquetschte. Aber laut den spärlichen Infos machen die vier Münchner immerhin bereits seit 2006 miteinander Musik und haben bislang eine EP am Start. Ihr Jargon beläuft sich auf eine Indie-Alternativ Rocklinie, die allerdings noch nicht wirklich eine individuelle Eigenständigkeit gefunden hat. Ich meine damit diese spezielle Note, die sie aus dem Dschungel anderer Acts so hervor hebt, dass man bereits bei der spätestens dritten Note erkennt: das sind Promise Broken. – Aber ich will da mal nicht so hart in meiner Kritik sein. Wie gesagt entschuldigt hierbei die Jugend für vieles, und Promise Broken haben noch jede Menge Zeit sich zu entwickeln. Und der Enthusiasmus ist unbestritten vorhanden – keine Frage! Also so what?! Auf geht’s zur fröhlichen Weiterentwicklung, um eventuelle Träume eventuell irgendwann wahr werden zu lassen.
http://www.myspace.com/promisebroken

Auf geht’s in die nächste Runde, und die wird von The Dope eingeklingelt.

Das wiederum sind Rudi Maier (Voc/Git), Franz Neugebauer (Drums) und ein Apple Computer und das war’s auch schon. Indie Noise Rock bezeichnet das Duo seinen, zugegebenermaßen sehr eigenwilligen Stil. In, fast vollkommener Dunkelheit versucht unser John Lennon in spe (zumindest vom visuellen Aspekt her) mit einer, fast schon verzweifelten Attitude das Gehör des musikalischen Individualisten zu überzeugen. Nun, schwierig zu sagen, inwieweit ich hierbei Gefallen finde. Lasst es uns mal so beschreiben: egozentrischer Rock trifft auch melancholisch-schwermütigen Singer/Songwriter Jargon, getragen von einem verzweifelten Aufschrei abstrakter Klangwolken... Na ja, so weit man sich darunter überhaupt etwas vorstellen kann. Eines erzielen The Dope aber mit Sicherheit, nämlich die Aufmerksamkeit des Großteils des Publikums, das sich immer noch nicht entscheiden kann, ob es lieber draußen vor der Tür im Freien seine Raucher-Session fortsetzen soll, oder  zu Gunsten der Supportbands auf diese verzichten soll. http://thedope.de/



Aber spätestens, als Favez dann schließlich und endlich um 23.30 Uhr die Bühnenbretter stürmen, verzichtet auch der ärgste Kettenpaffer für 90 Minuten auf seinen Glimstengel. Und hier drinnen befinden sich schätzungweise 200 Kiddies, nicht zuletzt dank des Umstandes, dass es sich hier um ein Gratis Konzert handelt.

Und es ist offensichtlich, dass Favez hier in München schon so einige Independent Anhänger besitzen. – Also bin ich denn letztendlich trotz des arg späten Startschusses, doch ziemlich neugierig auf das was sich just in diesem Moment da oben heraus kristallisiert. Wobei noch hinzuzufügen ist, dass dank der Extralänge des Abends die Füße schon schmerzen und die innere Uhr sagt: knipsen und dann schnell ab durch die Mitte. – Aber nach gerade mal 2-3 Minuten Favez live on stage sind der gepeinigte Fersensporn und die Zeitansage meines Handys komplett vergessen. Das was da oben abgeht , ist, wie soll ich’s beschreiben? – na ja einfach  klasse, mal ganz bescheiden formuliert. -
Okidok, Favez aus Lausanne das sind: Sänger/Git.
Chris Wicky, Gitarrist Guy Borel. Bassist Yvan Lechef,Drummer
Fabrice Mentron, Pianist Jeff Albelda und Keyboarderin Maude Oswald. – Ich habe mir später sagen lassen, dass diese Indie Band zwar im Underground schon fast so etwas wie Superstar Status besitzt, aber von der breiten Masse bislang nicht wirklich beachtet wurde. Dabei ackern sie sich förmlich den Allerwertesten auf in Sachen Livearbeit.  Das neue und insgesamt zehnte Release namens ‚En Garde’ ist eben erst erschienen. Und dieses gilt es jetzt auch zu promoten. Auf alle Fälle sind die Lausanner, deren Durchschnittsalter ich auf Mitte bis Ende Dreißig schätze, fit wie Adidas Hightech Latschen. Und Gitarrist Guy und Bassist Yvan liefern sich fast schon einen Wettstreit in Sachen athletischer Hochsprung Artistik. Für mich hingegen wird das Ganze zum Sport - so einen Luftsprung im Bild einzufrieren. Musikalische Richtlinie hin oder her, das hier ist schneller, harter Rock mit gewissen Ecken und Kanten, der ohne Frage mitreißend zum abrocken verleitet. Dank ihrer Herkunft scheinen Favez außer der französischen Landessprache eher den englischen Slang gepachtet zu haben, und nicht so sehr dem Deutschen mächtig zu sein. So werden auch die Ansagen hauptsächlich in englisch gehalten.

Und Sänger Chris erlaubt sich zwischendurch die Frage: „ wer ist älter als 20? Der Großteil der Hände gehen in die Luft. – „Und wer ist älter als 30?“ – Noch immer zeigen etliche Arme eine Reaktion. Als aber dann die Frage kommt: „Und wer ist älter als 40“ – und nur noch ich zaghaft einen Finger hebe, meint der gute Mann ganz nonchalant: „nein, das glaub ich jetzt nicht, Du siehst doch höchstens aus wie 38“. – Sehr nett!!!!!!! Aber wie heißt es so schön? – immer den Humor bewahren. Und ich denke mir im Stillen: na Gott sei Dank hat er nicht noch gefragt, wer bald 50 wird :-)))) denn spätestens dann, wäre ich endgültig als Dinosaurus hier drinnen abgestempelt gewesen. Andererseits, da man ja immer so alt ist wie man sich fühlt, bin ich halt in dem Fall heute Abend tatsächlich noch 38, was soll’s.
Fakt ist auf alle Fälle: Favez haben hier in München alle Register gezogen und gezeigt, dass sie eine durchaus ernstzunehmende Rockband sind, die es versteht eine geile, kurzweilige und energiegeladene Show auf die Bretter zu legen. – Ich  bin wider meiner eigenen Erwartung bis zur allerletzten Minute geblieben und hab’ mir selbst geschworen, wenn Favez das nächste Mal hier in München auflaufen, dann bin ich 150%ig wieder mit dabei. – Und PS! – Mein eigenes musikalisches Allgemeinwissen ist somit um eine gelungene Erfahrung  reicher geworden.
http://www.favez.com/