Live Review 638

Wer??? – heißt’s hier schon wieder mal, wie so oft zuvor…. Aber vielleicht wird’s ja etwas interessanter, wenn ich Euch erzähle, dass ich den Bassisten dieser Gruppe hier, zum letzten Mal vor einigen Jahren vor satten 75.000 Fans im Münchner Olympiastadion geknipst habe. Yep, die Rede ist von Daryl Jones, dem legitimen Nachfolger von Bill Wyman bei den Rolling Stones seit 1993. Klar, dieser gute Mann war nie wirklich Mitglied der Stones und gilt bislang immer noch, als - nur Tourbassist. Aber wer sich etwas auskennt in filigranen Musikerkreisen, der weiß, dass Mr.Jones in seiner Sparte zu den Allerbesten gehört. Logisch, mit was anderem würden sich die Rolling Stones gar nicht abgeben. Und ja, Daryl besitzt auch eine eigenen Karriere, die aber wiederum nur von Kennern geschätzt wird. -

So, und jetzt sind wir an dem Punkt, wo die Schwierigkeit beginnt bei diesem Event. Denn natürlich bauen sämtliche Veranstalter die Promotion auf jener Tatsache drauf auf. Und der Name Rolling Stones zieht eigentlich so gut wie immer, - na ja, vielleicht nicht bei den ganz Jungen, aber mit Garantie bei der mittleren und älteren Generation unter uns. Dass aber das, was Daryl und die anderen beiden World Class Musiker da fabrizieren, musikalisch mit den Stones in etwa so viel zu tun hat, wie DJ Ötzi mit Sepultura, wird im vorhinein kaum bedacht. Aber das wiederum spielt keine Rolle, solange die Bude gerammelt voll ist. Was anschließend passiert, sei dahin gestellt. – Der zweite unumstößliche Umstand bei den Black Stone Raiders ist, dass Jones gar nicht die Hauptfigur in dem Reigen ist . Im Gegenteil er hält sich eher vornehm zurück, und das in jeder Beziehung. Aushängeschild ist vielmehr ein Herr namens Jean Paul Bourelly. Und damit kehren wir zur abfänglichen Frage zurück – wer? Denn genau wie bei allem anderen, ist auch hier der Name nur denjenigen ein Begriff, die sich mit erweiterten Form von Musik beschäftigen.

Bourelly ist in etlichen Varianten der Musik beheimatet, von World – über Jazz, Blues bis hin zum Rock.. Er war mit Miles Davies im Studio, und nahm Alben mit Robin Tower und Rod Stewart auf und trat mit Jack Bruce und Terry Bozzio auf usw. usw. – Last but not least ist da noch ein alter Bekannter, nämlich Will Calhoun, den wir alle von Living Colour her kennen. Auch Will ist ein Ass an seinem Instrument. Keiner spielt so viele Breaks in einer derartigen Geschwindigkeit und Länge so wie er. -

Wie sich die Drei kennengelernt haben und die Idee zu einer gemeinsamen Tour entstanden ist, kann ich nicht genau sagen, da leider im Vorfeld die Zeit für ein Gespräch fehlt. Aber es ist eine unbestrittene Tatsache, dass sich hier drei Musiker der Superlative zusammen getan haben, um ihre individuellen Vorliegen auszuleben.
Kurz und gut das Village im Bayerischen Habach habe ich selten so voll erlebt. Wo sich normalerweise durchschnittlich an die 50 Gäste einfinden, sind heute Abend mindesten 3x so viele da. Und unsereins muss um jeden Zentimeter Platz kämpfen. Aber, um mich zu wiederholen, ist das alles eine Folge der durchaus cleveren Promotion.
Die Black Stone Raiders starten ihr Intermezzo gegen 21 Uhr, und innerhalb kürzester Zeit ist es im Raum mucksmäuschenstill. Nein, hier gibt’s kein Satisfaction oder Brown Sugar oder auch nur annähernd so was in der Art. Das hier ist ausgetüfteltster Fusion Sound mit Elementen aus allen vier Himmelsrichtungen – würde ich jetzt fast sagen. Und in so manchem Gesicht der Zuschauer zeigt sich nach kürzester Zeit nicht nur ein Fragezeichen. Bourelly zeigt uns, wie man tüftlerisch und doch mit einer spielenden Leichtigkeit Akkorde bis zur absoluten Perfektion auseinander klabautern kann. Der stimmliche Höhenflug hingegen ist eher Geschmackssache, passt aber durchaus dazu. – Will Calhoun, der nie auf einem anderen Schlagzeug spielen würde, als auf seinem eigenen, beweist uns seine, fast schon überirdischen Drummer-Fähigkeiten in einem fast 15minütigen Feuerwerk. Das interessante dabei ist, dass es trotz der überdimensionalen Länge keine einzige Sekunde langweilig wird. Nur Daryl Jones hält sich mit Soli zurück.

Gott sei Dank gibt es denn doch so einige Musikfreunde, die diesen komplexen, überaus schweren Stoff sehr zu schätzen wissen, inklusive meiner selbst. Das was das Trio in seiner 2stündigen Show aborgelt, ist allererste Sahne, ohne wenn und aber. – Allerdings muss man wirklich das Feingefühl und Gespür besitzen, um das zu erkennen. Und das tun vielleicht, wenn’s hoch kommt, 30 von den 150 anwesenden Zaungästen.
Dies ist denn letztendlich auch der Grund, warum es keine lauten Zugabe Rufe mehr gibt. Und so hervorragend der musikalische Blumenstrauß auch war, so hat er doch nur sehr bedingt  Anerkennung gefunden.  Ja mei....wir sind hier nun mal nicht bei den Rolling Stones und auch nicht bei 0 8 15 Trallala...
Mitgröhlarien... 

Wer sich nur auf Namen verlässt, der ist selber schuld, würd’ ich mal sagen. Und es gibt ja immer noch das Internet, wo man sich zur Genüge informieren kann, mit was man es zu tun hat, wenn man den Künstler bzw. die Band noch nicht kennt. – Ich tue mich da hingegen leicht, denn ich wusste sehr wohl, was mich erwartet. Und jawohl, es hat mir ausnehmend gut gefallen, auch wenn es etwas gewöhnungsbedürftig war.  Mein Tipp also: ein unbedingtes Muss für den anspruchsvollen Konsumenten, aber Finger weg für alle Otto Normalverbraucher – und Rolling Stones Verfechter... It’s as easy as that....
http://www.bourelly.de/                     
http://www.darryljones.com/
http://www.willcalhoun.com/

Offstage Schnappschüsse im Diary