Wieder einmal sind wir bei einer Band gelandet, die eben nicht ‚nur’ eine Band, - sondern, wie pflegt man im allgemeinen zu sagen, bereits eine Institution ist. Allerdings laufen jene langsam aber sicher Gefahr ins Abstellregal zu wandern. So erklärte mir doch kürzlich erst ein junger Fotografen-Kollege, dass er noch nie etwas von Yes gehört hätte und ihm diese gänzlich unbekannt sind. Tja., und das gibt denn doch etwas zu denken. Aber das allein ist es nicht, was die Legende rund um die Nummer Eins Artrock Band am Musikhimmel langsam etwas ins Abseits befördert. Tatsache ist auch, dass deren einzelne Individuen so ein starkes Ego besitzen, dass, wenn der eine oder andere wegfällt, dies eine nicht unbeachtliche Wunde verursacht. Im Fall von Yes haben jene Veränderungen inzwischen etliche Narben hinterlassen, Narben die zwar zwischenzeitlich verblasst sind, nur um irgendwann erneut aufzubrechen. Allen Yes Liebhabern muss ich da nicht lange erklären, um welche Brandmale es sich handelt.


Yes in den glorreichen Siebzigern

Aber wo wir schon mal dabei sind, dann sei der Name Rick Wakeman genannt, der, aus was immer für welchen Gründen vor einigen Jahren das Handtuch geworfen hatte. Ihm folgte kurz drauf zu allem Überfluss auch noch Sänger Jon Anderson. Einen Wakeman hätte man ja noch irgendwie verschmerzen können. Aber nichts schlägt eine größere Wunde als der Verlust des Frontmannes. Offizielle Begründung war damals eine Krankheit, wegen der Mr.Anderson pausieren müsse. Aber da der Rest der Band keinesfalls rasten wollte, oder besser gesagt, auf Kohle verzichten zu gedachte, holte man sich kurzerhand einen wesentlich jüngeren Lookalike namens Benoit David an Bord, der auch gesanglich dem Orginal fast schon banal ähnelt. Kein Wunder, so war Benoit doch jahrelang in einer kanadischen Yes-Tributeband tätig. Beim Keyboarder Ersatz blieb es hingegen  anfangs zumindest in der Familie. So übernahm Rick Wakemans Sohn Oliver dessen Job. Aber auch das ist schon wieder Geschichte. Gegenwärtig  begrüßen wir Geoff Downes einmal mehr im Yes Boot. Er war in der Vergangenheit bereits einmal Mitglied, allerdings nur von 1980 bis 1981. Trotzdem auch hier ist Verwandtschaftsbande angesagt. Denn er und Gitarrist Steve Howe spielen schließlich auch bei Asia zusammen in einer Band.

Auf alle Fälle besteht die Band – wie auch immer – jetzt seit 43 Jahren und anscheinend ist kein Ende in Sicht. Trotzdem, und da wären wir jetzt bei Teil 2 zur Begründung für die Abwanderung ins Abstellregal, muss die Kulttruppe nunmehr kleinere Weihnachtsplätzchen backen. Denn ich kann mich noch gut erinnern, als Yes noch unsere Olympiahalle gefüllt haben mit 12.000 Leuten. Und das ist noch gar nicht so lange her. Auch beim letzten Mal war es immerhin noch die Philharmonie im Gasteig mit 2.000 Besuchern. Heute Abend in der Tonhalle zählen wir schätzungsweise grad mal 1.000 Seelen, und das sind allesamt Freunde der Progrock Band aus früheren Tagen. Da sieht man schon an manch angegraute Schläfen. Next Generation Fans, die das Gen von ihren Eltern weitervermittelt bekommen haben, bemerkt man hier nur sehr wenige.
Und angepasst ans fortgeschrittene Alter, sowohl was die Band als auch das Publikum angeht, wird der Startschuss zum abendlichen Kammerkonzert ohne Odeuvre und bereits um 20 Uhr eingeleitet, bzw. zehn Minuten verspätet. Und daran bin ich nicht ganz unschuldig, bzw. das Management der Band, die ihre ganze Organisation in Sachen Presse etwas unkoordiniert organisiert hatten.
Der Zauber beginnt, um ehrlich zu sein, etwas lasch und zieht sich dementsprechend in die Länge. Allerdings ist nach geraumer Zeit eine rasante Steigerung zu bemerken, die nicht zuletzt auf Mr. Howes exzellentes Gitarrenspiel zurück zu führen ist. Nein, man kann über ihn sagen was man will, - ja er ist ein Egozentriker und äußerst eigenartiger Zeitgenosse, aber seine 6 Saiten hat er im Griff wie kein Zweiter. Was für ein Wahnsinnsgitarrist, aber andererseits kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass er nicht wirklich mit dem Herzen da oben steht, sondern das Alles vor allem wegen der Kohle über sich ergehen lässt. Und, er ist mitnichten ein Showman, der sich im Scheinwerferlicht seines Könnens sonnt. Ihm entfleucht weder ein Smile noch eine anderweitige Emotion. Im Gegenteil stoisch und mit einer Miene, als ob er einem Staatsbegräbnis beiwohnt, fidelt er seine akrobatischen Drahtseilakte durch den Fleischwolf, ständig mit einem kritischen Auge auf seine Bandkollegen bedacht.


Den Gegenpol dazu stellt Chris Squire dar, der am Bass zusammen mit Schlagzeuger Alan White den Rhythmus bestimmt. Beide geben sich souveräen und überlegen in ihrem Tun, im Gegensatz zu Geoff Downes, der sichtlich gealtert, am überdimensionalen 3seitigen Keyboard, eine gewisse Unsicherheit ausstrahlt. Zumindest vermittelt er anfangs dieses Gefühl, um später dann  zusehends an Selbstsicherheit zu gewinnen. Benoit David, der in die Fußstapfen des großen Jon Anderson gesteppt ist und locker als Sprössling der restlichen Yes Mitglieder durchgehen könnte, nimmt das Ganze hingegen mit einer – immer noch jugendlich anmutenden Natürlichkeit. Und er kann es, yep – er ist in der Lage all die schwierigen Passagen in den höchsten Tönen durch zu acken. Aber bei allem Respekt, um mich zu wiederholen: er ist halt nicht Jon Anderson. Auf gut deutsch, ist das genauso, als ob Deep Purple ohne Ian Gillan , oder die Stones ohne Mick Jagger auftreten würden. – Aber gut, die Tatsachen sind nun mal nicht zu ändern. Und wir wussten es ja vor diesem Konzertbesuch, dass die Konstellation in Yes eben jene, schon beschriebene sein würde.
Auf alle Fälle arbeitet sich die Band durch filigrane Klang Improvisationen, ohne sich dabei aber, im Gegensatz zu früher, in zu ausschweifende Soli zu versteigern. Lediglich Steve Howe bekommt seine Soloeinlage, die auch sehr viel Anerkennung findet. Yes beziehen sich sowohl auf ihre Wurzeln, greatest Hits als auch auf aktuellere Töne und dürften somit den Großteil der Zuschauer zufriedengestellt haben.


"Steve Howe" - die graue Eminenz

Und last but not least – wie sagt man so schön: kein Yes Konzert ohne ‚Owner Of A Lonely Heart’, dem größten Hit, den die Band in 43 Jahren jemals hatte, sowie in der Zugabe das einzigarte ‚Roundabout’. Und genau mit diesen beiden Songs gibt uns die Band das Gefühl, künstlerisch alles serviert bekommen zu haben, was ein Yes Konzert so ausmacht.

Musikalisch mag das in der Tat auch zutreffen, aber, um mich erneut zu wiederholen: da oben fehlen nun mal Jon Anderson und Rick Wakeman. Und deshalb bleibt mir last but not least nur zu sagen: es war ein ganz passables Konzert, aber mit den klassischen Yes, so wie wir sie zu ihren besten Zeiten gekannt haben, hat das hier eher weniger zu tun..... Andererseits die Jungs da oben wollen halt noch mitnehmen was geht. Denn wer weiß, wie lange sie mit ihren 60+ noch in der Lage dazu sind..... Und damit stehen sie mit Sicherheit nicht allein da im Showgeschäft.....
http://www.yesworld.com

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