Manchmal kommen sie doch noch aus ihren Löchern gekrochen, jene alten englischen Punkrelikte, die einst mit rebellischer Bösartigkeit gegen die Gesellschaft und die Politik wetterten, zwar damit nicht wirklich viel bewirkten, aber dafür umso beliebter bei der damaligen Jugend waren, die zu ihrer Zeit einfach nur anders sein wollten, als die konservativen Erwachsenen. Und das nur wieder, um spätestens eine Dekade später genauso wie ihre Erzeuger im strikten Otto Normalverbraucher Klischee ihr Dasein zu fristen.
Die revolutionär-musikalischen Vorbilder hießen damals Sex Pistols, The Clash, Toydolls, Exploited, Sham 69, The Dead Kennedys – um nur einige zu nennen und eben auch Peter & The Testtube Babies. Letztere erreichten zwar nie den Popularitätslevel der Sex Pistols oder von The Clash, gehörten aber dennoch unweigerlich zur End-Siebziger Punkbewegung dazu mit Song wie ‚Elvis Is Dead’ oder Banned From The Pubs“.  -  Die Truppe rund um Peter Bywaters hat seit 1978 13 Alben veröffentlicht und drei Eps, sowie drei Compilations auf den Markt gebracht. Obwohl sich die Testtube Babies nie aufgelöst hatten, gab es immer wieder längere Pausen zwischendurch, vor allem zwischen 1998 und 2005. Und genau seit sechs Jahren tourt Peter, inzwischen vierfacher Vater, auch wieder fröhlich durch die Weltgeschichte und kommt so gut wie jedes Jahr für einige Termine nach Deutschland, und das wiederum immer um die Weihnachtszeit. Und so beehrt uns der Weihnachtsmann aus Brighton, England auch diesmal im Dezember 2011, genauer gesagt drei Tage vor Heilig Abend hier in der Münchner Backstage Halle um noch mal so richtig den Punk flöten zu lassen.


Aber bevor Peter die Planken wackeln lässt hier drin, heizen erst mal Armstrong den Ofen vor.

Die Punkband aus dem hohen Norden Deutschlands sind zwar eine halbe Generation jünger als ihre Vorbilder die Sex Pistols, verfolgen aber in etwa den gleichen Weg. Auch wenn die Rebellion sich in unserer modernen Zeit so gut wie ausschließlich auf der Bühne abspielt. In Armstrongs Fall gilt das wiederum auch nur für die Musik. Denn optisch ähneln sie eher der - biederer Bankbeamter trifft auf Fernfahrer Romantik. Aber die anfängliche Skepsis schwindet im Verlaufe ihres Sets, denn da kommt tatsächlich was rüber. Und einige der Stücke aus den bislang 2 veröffentlichten Alben,  bleiben sogar hängen im sensibilisierten Gehörgang. Leider reicht es da bei etlichen der Zuschauer nicht ganz dazu. Und statt sich in der Räumlichkeit zu verteilen, bevorzugen es 95% aller Zaunspechte, sich in vornehmer Zurückhaltung zu üben, so dass mindestens 8 Meter vor der Bühne gähnende Leere herrscht. Ich tippe allerdings dabei eher auf eine Art scheuen Komplex, der niemanden sich trauen lässt ein wenig aus der grauen Menge im Hintergrund heraus zu steppen.

Und so halten wir zu viert die Stellung ganz vorne, meine Wenigkeit vor allem, um einige Schnappschüsse der Supportband zu ergattern, und ich freue mich obgleich meiner immensen Bewegungsfreiheit. Für die Band da oben sieht das natürlich etwas anders, bzw. fühlt es ein wenig eigenartig an, verständlicherweise. Nix für ungut, meinen Segen haben die Brüder, und ich freue mich einmal mehr, dass Deutschland doch noch Künstler aus dem Punkrock Sektor vorzuweisen hat.
http://www.myspace.com/armstrongrocks

Und dann heißt es erst mal – ‚Disco Inferno’ aus den Boxen, (im Original von The Trammps) und Peter & The Testtube Babies tanzen im wahrsten Sinn des Wortes auf die Bühne, stilgerecht gewandet und mit passendem Perücken- Haircut. Bravo! Da haben sich die Engländer nun mal tatsächlich was originelles einfallen lassen.

Halleluja!!! Da bleibt kein Hühnerauge unbewässert. Und für die Kamera ist es zudem ein wahrlich gelungenes Futter. Gekonnt geht der treibende Discobeat, jener der ebenfalls in den Siebzigern für mächtig Furore gesorgt hatte, in die realen Gitarrenläufe und Drumbeats hier on Stage über. Und die Band legt los, als ob der Maya Kalender heute schon sein letztes Blatt umdreht. Flugs wird aus dem eher braven Soul-Inferno bitterböser Punk, wie er tatsächlicher nicht sein könnte. – Vom Original Line up der Testtube Babies sind zwar nur noch Peter himself und  Gitarrist Del Strangefish übrig, aber da pfeift der Weihnachtsmann grad drauf. Denn was die Oldies hier vom Stapel lassen, lässt die Bude fast implodieren, und die Fans sind nicht mehr zu halten.


Ein Durchqueren der Räumlichkeit ist nur noch unter Lebensgefahr möglich, also sehen wir lieber davon ab und halten uns per 200er Zoom in der äußersten Ecke links oder rechts außen auf, um von dort noch einige annehmbare, visuelle Eindrücke zu ergattern.
Irgendwann wird es zu heiß hier drinnen, und der fremde, elektrifizierte Wischmob fliegt von den Häuptern der Testtube Babies in hohem Bogen in alle Windrichtungen, um noch mehr physische Freiheit für deren akustischer Vermöbelungstaktik zu schaffen.

Das ist Punk wie er leibt und immer noch lebt und leider Gottes viel zu wenig praktiziert wird. Und von wegen Tee und Mineralwasser da oben auf dem Punkaltar. Im Gegenteil, dem bösen Image entsprechend regiert hier das bayerische Weißbier, das auch noch gefährlich schwappend im passenden Glas mitrockt und das auch noch in vielfacher Ausführung. Aber keine Angst, bis zum Ende der Punkparty ist der Inhalt sämtlicher gläsernen Behältnisse genüsslich gelehrt. Der Beweis für die Wertschätzung des köstlichen Gersten -, bzw. Hefe Saftes ist Peters grazile Figürlichkeit, die sich vom Spargeltarzan  in jungen Jahren zu – klein, dick aber glücklich – Anfang Fuffziger Modelmaßen etabliert hat.

So ganz exakt werden die 15 Gebote auf der Setliste auch nicht eingehalten. Aber die beiden Hymnen – ‚Banned From The Pubs’ und ‚Elvis Is Dead’ sind selbstredend mit dabei. Denn jene sind für die Testtube Babies in etwa das, was für die Sex Pistols ‚Anarchy In The UK’ und ‚God Save The Queen’ ist.


'Elvis Is Dead'

Punksongs sind in der Regel kurz und schmerzvoll und die Konzerte noch kürzer. Wobei in unserem Fall hier über eine Länge von 75 Minuten wahrlich nicht gemeckert werden kann. Und genauso wie die Schlacht begonnen hat, hört sie auch wieder auf, nämlich dass der Punk wieder zurück in den Disco Sound aus den Boxen übergeht. Und Peter und Co. lässt es sich nicht nehmen, da unten im Publikum noch ein zusätzliches Tänzchen aufs Parkett zu legen zusammen mit seinen Anhängern... bis.... ja bis er halt einfach nimmer.... äh sorry, ich meinte natürlich, bis sein letztes Weißbier zur Neige geht. Ohne das geht ja nun wohl gar nichts mehr.... Also prost und lasset den Weihnachtsmann kommen und Peter nach Hause kehren, auf dass unser Englisch Lehrer (im täglichen Leben) nächstes Weihnachten wieder kommt. Und don’t worry, das Hefeweizen und das kühle Helle geht gerade hier in München nun wirklich niemals aus. Prost und Happy New Year – sag ich schon mal.....
http://www.testtubebabies.co.uk/


alte Freundschaft rostet nicht












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