Totgesagte leben länger. Dieses Sprichwort ist ja allseits bekannt. Was Mitch Ryder betrifft, würde vielleicht eher der Ausdruck scheintot passen, vor allem vom visuellen Aspekt her. Den ca. 10 Jahre andauernder Drogen-Exzess im Nachhinein bitter bereuend, nimmt er die Schuld diesbezüglich auch voll und ganz auf sich. 67 Jahre ist er jetzt alt, ist dankbar, dass er noch da ist und lebt sein Leben nur noch Tag für Tag und keine weitere Sekunde im voraus. Ob mit den Detroit Wheels, solo oder wie seit 1994 in Europa mit Engerling, Mitch Ryder hat es trotz etlicher physischer Hürden, stets verstanden irgendwie am Ball zu bleiben, wobei er in den Sechzigern und Siebzigern.seinen Schwerpunkt noch in den Staaten verwurzelt hatte. Später dann verlegte sich jener Fokus nach Europa. Und seit er die ostdeutsche Combo Engerling als seine Begleitband im Boot hat, kehrt Mitch so gut wie jedes Jahr nach good old Europe zurück, meistens im Frühjahr, um unsere Clublandschaft an Songs wie ‚Ain’t Nobody White’ oder ‚Devil In A Blue Dress’ und viele andere seiner Gassenhauer zu erinnern.
Es ist jetzt schon einige Jahre her, dass ich mir diesen Künstler zum letzten Mal live angeschaut habe. Und gefühlt ist es an der Zeit, dies jetzt zu wiederholen, und sei es nur drum, um Vergleiche zum letzten Einstand zu ziehen. Die momentane Tour führt Mitch Ryder einmal mehr durch halb Europa mit eben diesem heutigen Zwischenstopp in der Münchner Garage. – Allerdings unglücklicher hätte der Zeitpunkt nicht gewählt werden können, so findet doch just heute Abend das Fußball Championsleague Achtelfinal-Spiel : FC Bayern München gegen FC Basel, und das auch noch hier in unserer Allianzarena statt. Aber vermutlich ist das höhere Gewalt, denn so ein Konzerttermin lässt sich auch nicht nach Lust und Laune legen, sondern muss mit den übrigen Dates abgestimmt werden. – Sagen wir mal so, ich hab’ ehrlich gestanden weniger vermutet als die ca. 100 Musikfreunde, die letztendlich doch den Weg zur Garage auf sich genommen haben, um Mitch Ryder live on Stage zu sehen, manche zum ersten Mal, andere zum dritten, oder sogar zum vierten Mal.


Und gleich zu Beginn kündigt er uns an, dass dies eine sehr lange Show sein würde, aber keine schnelle, sondern eine gediegene und wohlüberlegte... Um es präziser auszudrücken, letztere erwähnte und verneinte Schnelligkeit liegt so oder so im Bereich des unmöglichen, was Ryders physische Konstitution angeht. Denn diese lässt, um es mal grob auszudrücken,  ohnehin keine buchstäblichen Luftsprünge zu. Im Gegenteil, in unserem Fall hier liegt der Bewegungsradius bei gerade mal höchstens drei Metern. Dieser wiederum wird von Mitch im Verlaufe des Auftritts mit zwei künstlichen Hüftgelenken entschuldigt. Beschreiben wir’s mal so: die Stimme ist nach wie vor gut und hat keineswegs gelitten durch den restlichen gesundheitlichen Frevel. Ryders Songs sind nach wie vor up to date und klingen keinesfalls verstaubt. Dazu kommt noch eine hervorragende Backing Band, die unseren Star tatkräftigst unterstützt.

 


Aber was mir etwas Kopfzerbrechen macht, ist der Umstand, dass die, gerade erwähnte Stimme samt der schnittigen Songs so gar nicht zur visuellen Motorik passen will, wenn Ihr versteht was ich meine. Und daran muss man sich erst gewöhnen. Hinzu kommt noch, dass der straighte Augenkontakt fehlt, da Mitch niemals seine Sonnenbrille abnimmt, aus was immer für welchen Gründen. Denken kann sich aber jeder so seinen Teil obgleich dieses Umstandes. Wie auch immer, meine Aufmerksamkeit ist heute ohnehin auf dem Sprung zweigeteilt.Sprich zur einen Hälfte bin ich ganz Ohr beim gegenwärtigen musikalischen Geschehen, aber die andere Hälfte oder besser formuliert, mein linkes Ohr lauscht per Kopfhörer mit Spannung dem zunehmenden Debakel der Schweizer Gäste aus Basel beim FC Bayern.  Und ums gleich vorneweg zu nehmen, ich bin jetzt zwar nicht der ultimative Fan unserer Münchner Parade Elf, aber in diesem Fall hilft man als Einheimischer denn doch eher zu den hiesigen Kumpels – klar doch! Wie das Ganze ausgegangen ist, wissen die meisten von Euch ohnehin, und dem ist auch nichts mehr hinzuzufügen. Ein 7 : 0 spricht für sich. Und jetzt heißt es in der nächsten Runde hoffentlich Nikosia und nicht etwa Barcelona oder Real Madrid. Denn bei letzterem Los  können wir zu 99 Prozent ebenfalls in Kürze unseren Hut ziehen, um uns von der Championsleague zu verabschieden und unser schönes Stadion fürs Finale fremd zu verleihen.



Aber zurück zu Mitch Ryder, der sich hier trotz aller gesundheitlichen Defizite wacker durch ein zwei Stunden Programm kämpft das so gut wie nichts auslässt außer..... ‚Devil In A Blue Dress’ – sein im Prinzip größter Hit in mehr als 40 Jahren. Dabei stammt jener nicht mal von ihm im Original sondern von einem gewissen Shorty Long und dem Motown Produzenten Mickey Stevenson. Long nahm das Stück bereits 1964 auf, allerdings in einer viel langsameren Version als es zwei Jahre später Mitch Ryder tat, der daraus wiederum ein Medley bastelte, das auch ‚Good Golly Miss Molly’ enthielt.
Aber damit war’s leider nix heute Abend. Und ich schreibe dies mal einer Laune des Chefs zu, der ohnehin als ziemlich schwierig und extrovertiert gilt. Andererseits ist diese Tatsache auch wieder nicht so tragisch, denn er macht mit etlichen anderen Smashsongs wieder wett dafür. Und musikalisch dürften wohl die meisten hier auf ihre Kosten gekommen sein ohne weitere Missstände.


Ein Dankeschön geht aber auf alle Fälle noch an Engerling und deren astreine Performance. Ich denke mal, der Besuch eines ihrer Konzerte ohne illustren Frontvogel lohnt sich ebenfalls.
Und mein Tipp am Rande: eine Show von Mitch Ryder ist keinesfalls verkehrt, aber vielleicht sollte man das Hauptaugenmerk mehr auf sein Gehör verlagern und weniger auf den visuellen Aspekt, denn sonst könnte daraus locker eine  leichte Irritation resultieren.
http://www.mitchryder.net/


Für einige Gedankengänge von Mitch Ryder
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(streaming Audiofile via WMP - starting with a brief music intro)