ach wie gut, dass jeder weiß, dass das unser Backstage gar nicht leis’, drei Hallen hat in jeder Größe, für ganz viel Rauch und fein Getöse. Und so tut Paparazzi  sich gar spielen, mitzunehmen von den vielen, gleich zwei Events zu gleicher Zeit, wo jedes nach ‚nem Echo schreit.Deshalb Gesellen seid zur Hand , Von der Stirne heiß, rinnen muss der Schweiß. Soll das Werk den Meister loben, Doch der Segen kommt von oben äh bzw. von unten in unserem Fall.

So, und damit endet meine lyrische Ader, wobei der letzte Satz nun weiß Gott nicht von mir, sondern von einem gewissen Herrn Friedrich Schiller stammt, der mit seinem Lied von der Glocke anno dazumal einen weiteren Meilenstein in der deutschen Dichtkunst setzte. – So weit hab’ ich’s zwar noch nicht gebracht, und ich bezweifle auch, dass dies mit Konzertkritiken jemals möglich sein wird. Aber  wir sind hier an dieser Stelle ja auch nicht so mega anspruchsvoll, als dass wir den Nobelpreis in Literatur anstreben.
Ich begebe mich also wieder mal in die Twilight Zone zwischen Yellow Press und konservativer Berichterstattung,  Und der einzige Bezug zu Schillers Eingangsstrophe  zur Glocke, ist der, dass jene tatsächlich wie die Faust aufs Hühnerauge, allgemein betrachtet, auch auf Konzert Reviews hier passt.  
Gut, da simma jetzt wieder und denken uns einmal mehr, wie praktisch es doch ist, wenn  die Hallen Tür an Tür liegen, wenn es gilt zwei Shows unterschiedlicher Künstler mitzunehmen. In unserem Fall hier muss man nicht mal das Haus verlassen, sondern kann die 10 Meter Distanz von einer Eingangstür zur anderen innen drin zurück legen. 

Trotzdem sind die Wände schalldicht, und keiner kriegt vom anderen was mit im jeweiligen Wohnzimmer. (Anm.: im Werk gegenüber, das ebenfalls durch einen ca. 1minütigen Fußweg erreichbar ist,  findet zudem noch eine dritte Veranstaltung statt. Aber auch davon bekommt man höchstens die paar Hundert Teenies zu Gesicht, die sich vor der Halle tummeln.)
Wir wenden uns hingegen in der Backstage Halle dem Prog Rock und Blues-Rock’n’Roll zu und im Backstage Club hingegen den  LA Garagenrock Klängen. Bei einem solchen Unternehmen Petticoat bleiben allerdings meist die Supportbands auf der Strecke, und man kann auch nicht eine der Headliner Shows zur Gänze anschauen.
Aber fangen wir hübsch der Reihe an. Und Punkt 1 auf der Programmliste heißt:
Vargas – Appice – Shortino...

Und da sind wir schon bei der Frage, was  machen drei Weltklasse Musiker in ihrer spärlichen Freizeit, die musikalisch im Prinzip in Dutzende Projekte involviert waren und immer noch sind, und bereits alles erreicht haben, was es zu erreichen gibt, na ja fast alles? Klar doch, man tut sich zusammen, um einmal mehr miteinander zu musizieren und live aufzutreten. Damit das Ganze zusätzlich noch etwas Zaster abwirft und der Rubel rollt, wird  zudem auf die Schnelle ein flottes Scheiblein  mit Coverversionen vieler bekannter Ohrwürmer fabriziert. (Anm:geht halt am schnellsten)  Denn jeder Kuchen isst sich nun mal besser, wenn es dazu etwas Schlagsahne gibt.  Tja und alles könnte so schön sein! – Ist es aber leider nicht.
Das Problem, bzw. die Probleme sind schnell und simpel erklärt: erstens kommt jeder der drei Musiker aus einer anderen musikalischen Sparte. Der Spanier Javier Vargas ist ein anerkannter Meister in Sachen Blues. Carmine Appice ist im Fusion- und Klassik Rock beheimatet, während Paul Shortino eher aus dem Glamrock Bereich lugt. Und alle drei Stilistiken ziehen ein unterschiedliches Fanklientel an. Hinzu kommt noch der Umstand, dass dieser Fankreis im Laufe der Jahre eher geschrumpft als angestiegen ist, und die jüngere Generation mit diesen drei Namen so gut wie gar nichts mehr anfangen kann. Nur wir Alten erinnern uns noch, dass Meistro Appice mal bei Vanilla Fudge war, mit denen er übrigens nach wie vor ab und zu mal einen Nostalgiegig aufs Parkett legt. Abgesehen davon spielte dieser Ausnahme Drummer und Bruder von Vinnie Appice bereits bei Cactus, Ozzy, über Blue Murder bis hin zu Ted Nugent, und ist immer noch bei den wiederauferstandenen King Kobra. Paul Shortino machte seinem Namen in den Achtzigern mit Rough Cutt alle Ehre, war zwischendurch auch mal bei Quiet Riot und singt jetzt ebenfalls bei King Kobra. Eigentlich hätte auf dieser Tour noch Vanilla Fudge Bassist Tim Bogert mit dabei sein sollen, aber der ist leider verhindert, als springt der argentinische 4 Saiten Wizard
Luis Mayol ein, der auch der Vargas Blues band angehört.

Und es gibt da noch ein Problem, dass sich da Fates Warning nennt und nicht so sehr als Supportact von Vargas & Co. fungiert, sondern vielmehr als Doppel-Headliner

Und dabei wiederum prallen zwei Welten aufeinander. Denn diese Amerikaner stehen für Prog Rock ala’ Dream Theater und frickeln sich bierernst durch 20 – bis 30minütige, höchstkomplizierte Soli. Die Band ist seit, man möchte es kaum glauben, 1983 unterwegs. Aber vom Ur-Lineup ist lediglich Gitarrist Jim Matheos übrig geblieben. Immerhin ist Sänger Ray Alder bereits vier Jahr nach der Gründung eingestiegen, also 1987.  Bassist Joey Vera, den wir auch von Armored Saint kennen, ist seit 1996 im Boot. Hinzu kommen noch Gitarrist Frank Aresti und der 2007 eingestiegene Drummer Bobby Jarzombek. Und ein neues Album gibt’s – noch – nicht! Dieses soll aber, lt Band, noch in diesem Jahr erscheinen. Wird auch gut sein, denn das letzte Werk ‚FWX’ hat immerhin schon acht Jahre auf dem Krummstiefel. Und Ihr wisst ja, in der heutigen Zeit da muss man einfach nonstop am Ball bleiben, um nicht schnell wieder in der Versenkung zu verschwinden. Und so was gelingt nur durch exzessives touren oder neue Ton-Dukaten, wobei ersteres inzwischen fast noch lukrativer ist. Beides haben die Amis in den letzten Jahren vernachlässigt, und dessen sind sie sich auch durchaus bewusst. Also heißt es jetzt, nix wie aufgerüttelt aus dem Dornröschen Schlaf und aus den Daunenfedern geschüttelt, und raus an die Front, auch wenn dies eine Kooperation mit einer stilistisch total unterschiedlichen Schachpartie bedeutet.
Und da sind wir eben bei jener  zweiten Problematik......


Bei Fates Warning ist unsere Backstage Halle noch relativ gut gefüllt, und die Band, die nach längerer Abstinenz gerade dabei ist, sich wieder etwas frei zu schwimmen, erhält auch einen beachtlichen Applaus, auch wenn, die vorhin erwähnte Pause, deutlich spürbar ist in der etwas holprigen Performance. Nicht falsch verstehen jetzt. Hier sind einige pingelige Perfektionisten am Werk von hohem musikalischen Niveau und Können. Trotzdem lässt sich eine kleine Unsicherheit in den eigenen Reihen da oben, nicht verleugnen. Für ihre Fans lässt die Setliste dafür keine Wünsche offen, und deshalb entlässt man sie auch mit viel Zuspruch und Applaus.

Und genauso wie Fates Warning in Richtung Dressing Room verschwinden, streben auch etliche Besucher des Konzerts dem Ausgang zu.



 
http://www.fateswarning.com


Das Resultat ist: Die Kemenate leert sich deutlich sichtbar, und zurück bleiben nur noch ca. 200 Musikliebhaber der alten Schule.


Was kurz darauf folgt ist eine Zeitreise, nach dem Motto: Oldies but Goldies, performt von einem höchstkonzentrierten Javier Vargas, einem lasziven, aber nach wie vor geschmeidigen  Carmine Appice und einem aufgescheuchten Suppenhuhn namens Paul Shortino. Wobei man zu dessen Ehrenrettung sagen muss, dass der, inzwischen 59jährige Sänger, noch immer sehr gut bei Stimme ist. Zum Zuge kommen etliche bekannte Mitgröhl-Gassenhauer der Rock’n’Roll History von Cream bis AC/DC, und von King Kobra bis hin zu Rough Cutt und Quiet Riot. (siehe Setliste , wobei live die Reihenfolge etwas verändert wird, um schnelle und langsamere Töne besser durchzumischen) 

Selbstredend gibt es ein astreines Gitarrensolo und einen extensiven Drum - Salto Mortale ganz nach Art des Hauses Appice, der sich da buchstäblich im Rampenlicht sonnt, nicht nur hinter seinem Monster-Instrument, sondern auch front stage, nur mit Sticks bewaffnet, um dem Publikum zu zeigen, wie man den Rhythmus richtig klopft. Paulchen bemüht sich redlich die Allgemeinstimmung zum überschwappen zu bringen. Aber dies will ihm nicht so recht gelingen.


Problem Nummer Drei ist nämlich, dass wir es hier, um mich zu wiederholen, mit drei sehr unterschiedlichen Musikern zu tun haben, der eine ein Frickler an den 6 Saiten, der andere ein  sophisticated Drummer und der Dritte hingegen eine Stimmungskanone. – Sagen wir mal so: wenn man die Vargas Bluesband live erleben würde, dann ist dies, in der passend-richtigen Stimmung bestimmt ein qualitativ hochwertiges Erlebnis. Wenn Carmine Appice demnächst mit seinem Bruder Vinnie zur Drum War Attacke over Europe los legt, dann ist das sicherlich ebenfalls sehens- und hörenswert und wahrscheinlich spektakulär. Und wenn last but not least Paul Shortino mit einer straighten Rock’n’Roll Partie loslegen würde,  dann wäre das wahrscheinlich Party pur.


So aber fehlt dem Ganzen, wie soll ich es am Besten beschreiben? – irgendwie der letzte Biss. Einerseits kriegt man eine volle Palette aller großen Rockklassiker geboten, andererseits widersprechen sich diese in der so diversen Performance. Somit wirkt der ganze Zauber im Endeffekt eher wie eine gemütliche Cafe Partie am Sonntag Nachmittag im Senioren Separee` und nicht so sehr wie eine energiegeladene Rockshow.  

Und deshalb enden diese 90 Minuten auch mit einem etwas zwiespältigen Nachgeschmack. Und dieser heißt: hohe Musikalität interpretiert behäbig-gemütlich nichts Neues wie es sich eben für eine ältere Herren Riege gehört, die gerade den Versuch zu ihrem dritten Frühling gestartet haben .  Nur gut, dass das karge Publikum zum größten Teil ebenfalls dieser Generation angehört, sonst würde diese Behäbigkeit glatt noch auffallen
J))



http://www.vargasblues.com/  http://www.carmineappice.com/   http://paulshortino.com

Okay, ich muss gestehen, ich hab’ den Schlusspfiff bei obigem Event nicht mehr miterlebt, sondern bin nach etwas über einer Stunde hinüber geschlittert in den Club, wo nach satten fünf Supportbands gerade eben die LA Guns zum Appell gepfiffen haben.


Wohlgemerkt, hier handelt es sich um die Tracii Guns Version dieser Band. Und es herrscht immer noch Uneinigkeit bei den Fans und den Medien, ob denn jetzt diese hier, oder die von Phil Lewis angeführten LA Guns die einzige wahren Guns wären. Heilandsakra, warum müssen sich die Leut’ auch immer so in die Haare kriegen. Wobei Tracii es wahrscheinlich inzwischen bitter bereut, sich den Bandnamen nicht schon in den Achtzigern rechtlich gesichert zu haben. Das Problem (Nummer 4 heute Abend) ist, dass just eben die anderen LA Guns auch gerade durch Europa touren. Und wenn Mann oder Frau nicht eingeweihte Hardcore Fans sind, dann kann dieser Umstand ganz schön für Verwirrung sorgen.  Ich lasse hiermit die Antwort auf diese Frage ebenfalls offen und gehe einfach rein danach, was hier just in diesem Moment da oben auf der Bühne abgeht. Und das ist so explosiv,  dass mir die Rentner Combo von vorhin und nebenan noch um einiges phlegmatischer erscheint. Ich stelle auch einmal mehr fest, was für ein grandioser Gitarrist Tracii Guns eigentlich ist. Und obwohl auch er wacker auf den runden 50er zustrampelt, wirkt er alles andere als träge. Unterstützt wird er von einer, wiederum fast neuen Band, vor allem was die Leadvocals betrifft, die in seiner Band innerhalb eines Jahres gute drei Mal gewechselt haben.


So war es vor nicht allzu langer Zeit noch Jizzy Pearl von Love/Hate, der sich dann die Klinke mit einer weiblichen Stimme namens Dilana Smith in die Hand gegeben hat. Aber auch die war nur von kurzer Dauer, lt Tracii besitzt die Dame zwar eine hervorragende Stimme und Ausstrahlung, aber sie hatte wohl so einige Hygiene Probleme und war für den Rest der Band folglich nicht tragbar (siehe Interview) Der gegenwärtige Frontmann hört auf den Namen Scott Foster Harris und ist gerade mal 21 Jahre jung und könnte locker Drummer Doni Grays,63, Enkel sein. Aber der Junior sieht gut aus, kann gut singen und besitzt genau die Kondition, die man für eine gepfefferte Rockshow benötigt. Und das ist sie dann auch mit viel Drive und Sex Action. Ledigich die allgemeine Raumakustik lässt wieder mal etwas zu wünschen übrig. Aber auch daran gewöhnt man sich. -  Den ca. 150 Fans gefällts offensichtlich ebenfalls, obwohl sich auch hier bereits eine gewisse Müdigkeit im Publikum erkennen lässt, die aber vielmehr von dem  5 Supportacts-Marathon herrührt. Endergebins ist aber, dass wir es hier mit einer fetzigen Rock’n’Roll Partie zu tun haben, bei der aber auch keine Sekunde Langeweile aufkommt.
http://www.lagunsofficial.com/


Was bleibt noch zu sagen nach diesem lange, aber sehr ereignisreichen Abend.....?!
Nun denn...
wie der Klang im Ohr vergehet, der mächtig tönend ihr erschallt, so lehre sie, dass nichts bestehet,
dass alles Irdische verhallt. - Und jetzt lassen wir Schillers Glocke trotz aller Gemeinsamkeiten schlummern gehen, sonst klingelt sie noch in  übermorgen in unserer musikalischen Litanei nach.

                          PS: bevor ich's vergesse.... Backstage Schnappschüsse gibts wie immer im
Diary