Man merkt langsam, dass die Anzahl der Bluesrock Gitarristen wieder deutlich zunimmt, vor allem was deren Präsenz hier in Germany angeht. Und so haben wir, wie es derzeit scheint, fast jeden Monat einen weiteren dieser Wundergitarristen auf der Matte stehen. Und kurioserweise schwärmen sie alle von einer Tatsache, nämlich dass es ja ach so wundervoll ist bei uns hier spielen zu dürfen, denn der Boden wäre ja in Deutschland so viel fruchtbarer als irgendwo sonst. Unsereins hingegen befremden diese Ausagen eher, denn bei den meisten Konzerten dieser Art sind allerhöchstens mal 100 Zaungäste zugegeben, es sei denn, man heißt Joe Bonamassa oder eventuell noch Walter Trout, der aber den  tiefen Süden unseres Landes, genauer definiert München, seit Jahren ignoriert. Auch eine Beth Hart bekommt seit einiger Zeit wesentlich mehr Resonanz, was aber wiederum auf ihre Zusammenarbeit mit vorhin genanntem Bonamassa zurückzuführen ist. Ich könnte an dieser Stelle noch so einige Künstler aufzählen, will mich aber auf einen weiteren Namen  beschränken, nämlich unserem Star hier in der Backstage Halle – heute Abend. Philip Sayce war schon einige Male in der Bayerischen Landeshauptstadt und hat stets den kleinsten der Backstage Venues beglückt – klar doch, bei einer Zuschauerschaft, die gerade mal ein paar Dutzend umfasste – bis jetzt!  Dieses Mal hat man den Spieß kurzfristig umgedreht, dank der urplötzlich, ansteigenden Nachfrage und hat den walisischen Kanadier in die größere Halle nebenan im selben Gebäude um quartiert und den Künstler der dort spielen hätte sollen in die Minikemenate abserviert. – Alleredings entpuppt sich das alsbald als weiser Schachzug, denn das Publikum bei Mr. Sayce beläuft sich grob geschätzt auf ca. 400 Leute. Und das ist ohne Übertreibung eine gewaltige Steigerung zum letzten Einstand.
Philip Sayce besitzt ein offensichtlich sehr großes Selbstbewusstsein und weiß dass er gut ist auf seine Art und Weise. Und wären da nicht die immer wiederkehrenden Bluesanleihen, so würde zumindest ich ihn, eher als Hardrock Musiker bezeichnen als eben ein Bluesman.


Sein wahres Alter gibt er zwar nirgendwo preis, aber er dürfte gut geschätzt, die runde 30 noch nicht oder erst vor kurzem erreicht haben. Geboren wurde Sayce in Wales, aber seine Eltern wanderten mit ihm nach Kanada aus, als er gerade mal 2 Jahre alt war. Und sie waren es auch, die ihn zur Musik inspirierten, so dass er schon in jungen Jahren begann die Gitarre und andere Instrumente zu erlernen. Später als er 16 Jahre jung war, begann er auf einer regulären Basis in den Clubs von Toronto zu spielen und baute sich eine solide Fangemeinschaft auf. 1997 wurde er Mitglied in der Band von Jeff Healey und betourte mit ihm gleich mehrere Male den Globus und spielte auf dem legendären Montreux Jazzfestival. Heute bezeichnet Sayce Jeff Healey, der vor vier Jahren verstorben war,  als seinen größten Mentor, und er widmet ihm bei jeder seiner Shows einen Song. Er selbst übersiedelte nach Los Angeles, um dort seine weiteren Träume zu verwirklichen. Und er hat sich große, - sehr große Ziele gesetzt. Seit 2009 hat er vier Alben veröffentlicht. Die neueste Scheibe namens ‚Steamroller’ wurde gerade eben erst geboren.  Und im Zuge derer, ist er jetzt wieder auf Tournee. Seine Ausdauer hat sich tatsächlich ausgezahlt. Und mit einer stetig größer werdende Fangemeinde hier in Europa, wird er für seine Hartnäckigkeit belohnt.
Kurz nach 20 Uhr beginnt das Philip Sayce Trio seine ca. 2stündige Show hier in München.



Und schnell stellt sich die Vielseitigkeit dieses Musikers heraus, der genauso gut in einer Heavy Metal Band spielen könnte. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass er einigen Freunden des gediegenen Blues schon eine Spur zu hart  und zu druckvoll ist, was andererseits die schleppende Wehmütigkeit der eigentlichen Stilistik ein wenig untergehen lässt. Aber es gibt auch langsame Stücke wo die Wurzeln wieder zutage treten. Neben eigenen Stücken und dem ogligatorischen Jeff Healey Track widmet er ein, eher getragenes Lied seiner besseren Hälfte, oder wie er vornehm da oben ausdrückt: seiner Lady. Er kommuniziert mit dem Publikum zwischen den Songs und nimmt sogar ein Bad in der Menge, wobei seine Performance aber keinesfalls unterbricht. Und so was kommt immer an! Sagen wir so: der Junge sieht gut aus, er hat Ausstrahlung, und er kann definitiv hervorragend Gitarre spielen und auch recht passabel singen. Er weiß sich in Szene zu setzen und kockiert mit seinem ‚sehr großen’ Ego. –


Und eigentlich hätte es ein wirklich gelungener Abend sein können in jeder Hinsicht. – Aber......eben nur eigentlich, denn was da an Dezibel aus den Boxen dröhnt, das erinnert schon entfernt an einen startenden Düsenjet. Halleluja, aber bei der Lautstärke, da würde jeder Osterhase in Behindertenrente gehen, weil ihm die Lauscher abgefallen sind. Und dass mir mal die Ohren weh tun (man steht als Fotograf nun mal meist ganz vorne) das kommt nun wirklich nur alle Jubeljahre vor. Schade drum, denn solche enormen Schallwellen können auch die allerbeste Performance empfindlich zertören. Und daran hat meist nicht der Künstler selbst schuld, sondern der nette Herr hinter den Knöpfen ganz hinten im Raum, bzw. in unserem Fall oben auf dem Balkon.
Kurz und gut, angekommen ist Philip Sayce trotzdem wieder sehr gut, bis auf eben jenes Manko. Und sein Ego erlaubt es ihm hinterher sogar noch, einige Autogramme zu geben und für ein paar Fotos Cheese zu grinsen. Da hat ihm wohl doch noch einer das Geheimnis verraten, dass man mit einer solchen Aktion dann noch ein paar T-Shirts und CDs mehr verkauft. Sei’s drum, ein weiteres Gitarren-Wunderkind hat soeben seinen dritten Eindruck hier in München hinterlassen. Und ich bin mir sicher,  - er kommt wieder, - bald, - sehr bald sogar!
http://philipsayce.com/