’Grüizi miteinand, wir sind Gotthard aus der Schwyz’,  - so habt ihr mich damals anno 1992 begrüßt, als wir das allererste Mal pressetechnisch miteinander gearbeitet haben zum glorreichen Debütalbum. Ich kann mich auch noch ganz genau erinnern, als ihr da gesessen habt, jung, unschuldig (zumindest dreinschauend) mit langer dichten oder weniger dichten Haarpracht, exakt dem damaligen Hardrock-Schönheitsideal entsprechend. Dementsprechend hoch war auch die Anzahl an wasserstoffblonden Girlies, die euch bei den unzähligen Konzerten in den ersten zehn bis zwanzig Reihen mit glänzendem Augenaufschlag angehimmelt haben. Ach herje hat das dem eigenen Ego gut getan, das da mit imaginären Balsamkonzentrat  einmassiert wurde, mal sinnlich mal nüchtern positiv. Gebt zu, ihr habt es genossen! Dank, der vorhin erwähnten Debütscheibe, des darauffolgenden ‚Dial Hard’ Albums und ‚G’ aus dem Jahr 1996 wurde ein Dream come true vom glänzenden Rockstar, der sich fast schon einen Sonnenbrand holte vom multiplen Spotlight.


Im Laufe der Jahre habt ihr euch verändert. Die Schüchternheit war einer selbstbewussten Routine gewichen, die ab und zu schon etwas in eine leicht angehauchte, selbstverliebte Arroganz abglitt.

Wobei das nicht weiter verwunderlich war, so hat man euch doch, vor allem in eurer Heimat Schweiz und bei uns in Deutschland auf Händen getragen und euch mit dem vergoldeten Löffel gefüttert. Andererseits hattet ihr euch das auch verdient anhand der ersten drei Gebote, die ihr da abgeliefert habt. Aber die Zeit war nicht stehen geblieben, und die innere Uhr war nicht stehen geblieben. Die, eher gediegene Phase 1997 bis 2002 brachten das Unplugged-Livealbum  ’D-Frosted’,  den Longplayer ‚Open’ und die CD ‚Homerun’ heraus.

 


Das Ganze wurde delikat gewürzt durch Platinauszeichnungen, etlichen Headliner- Konzertreisen und Supportslots für Bon Jovi und AC/DC. Das Menü schmeckte nach wie vor hervorragend. 

Und auch wenn inzwischen die Haare etwas lichter und kürzer geworden waren, so standen die Mädels immer noch in der ersten Reihe  und sorgten für eure ganz individuelle Imagepflege. Ich kann mich auch noch gut erinnern, als ihr im Münchner Olympiastadion als Support von Bon Jovi die Fahnenstange hochgehalten habt und im kurzenGedankenaustausch vor der Show vor Energie nur so gesprüht habt, voller Stolz den Feuerstein für jene, inzwischen Megaband, zünden zu dürfen.

Voila, satte 11 Jahre ist das jetzt auch schon wieder her, kaum zu glauben. Gut, aber jetzt weiter in unserer Chronologie....Ab 2003 hielten weitere Veränderungen Einzug. Zum einen war Mentor und Co-Produzent Chris von Rohr Geschichte, zum anderen gab’s Line up Wechsel.

Es folgten die Alben ‚Human Zoo’ aus dem selben Jahr,  zwei Jahre später folgte ‚Lip Service’ und noch mal 24 Monate später ‚Domino Effect’.  Innerhalb dieses Bandkapitels habt ihr euch wieder euren, rockigeren Wurzeln besonnen.

 


Und ihr wart für jeden Spaß zu haben.....

Oktoberfest 2007 München

(auf den Bierkrug klicken)

 


Ein Vertrag für weitere drei Alben wurde unterschrieben, der mit „Need to Believe" im Jahr 2009 begann, um nur ein Jahr später abrupt und unabsichtlich seine Gültigkeit zu verlieren.


Das Leben ist oft nicht fair. Und für all die glorreichen Jahre habt ihr einen hohen Preis zahlen müssen. Denn was kann einer Band schlimmeres passieren, als dass sie ihren Frontmann verliert?! Nein, nicht etwa lange voraussehend, oder zumindest sich abzeichnend, sondern plötzlich, unvorbereitet von einer Sekunde auf die andere. Tja, und dann seid ihr dagestanden und habt versucht, das Unbegreifliche zu begreifen.
Und wie schon so oft in der Vergangenheit hat es einmal mehr den Falschen getroffen. (Anm: damit meinte ich aber nicht etwa das verkehrte Bandmitglied um Gottes Willen, sondern einfach nur: warum sind es oft die nettesten und liebenswertesten Menschen, die es so hart trifft? – siehe auch im Fall Ronnie James Dio....)


Wie auch immer....es muss wie ein freier Fall in ein schwarzes Loch gewesen sein, ein Loch bei dem keiner wusste, ob es einen Boden gab. Die Suche danach hat mehr als ein halbes Jahr gedauert, bis der Sturzflug durch einen schwachen Lichtschein am Ende des Tunnels, abgebremst wurde Der Aufprall war auch nicht gerade sanft, aber der Kamikaze Sturzflug durch die Ungewissheit hatte ein Ende.
Und wie pflegt man zu sagen? – Jeder Mensch ist ersetzbar! Das mag in gewisser Weise auch zutreffen, nicht aber für dessen  Alterego und für dessen Erinnerung. Umso schwerer ist es für den Erben sich dagegen zu behaupten. Die Schatten der Vergangenheit sind allmächtig, und den ewigen Vergleichen stand zu halten, dafür benötigt es einen, fast unmenschlichen Kraftaufwand, einen, der den Globus aus den Angeln hebt. Ihr habt ihn trotzdem gefunden, den Hoffnungsengel, der euch wieder rausziehen soll aus dem Sumpf, der, der alle Zweifel zerstreuen soll, der, der euren Stern wieder zum leuchten bringen soll. Und so entpuppt sich diese Auferstehung, dieser zweite Frühling als eine, im wahrsten Sinn des Albumtitels -  Feuergeburt, ein neues Kapitel, dessen erste Seite mit dem ebenfalls neuen Hoffnungsträger und dem noch neueren Album gerade eben aufgeschlagen worden ist. 

Und ob sich das Stoßgebet,  dieser Kraftakt, der die Schweizer Titanic aus 4.000m Meerestiefe wieder an die Oberfläche gehievt hat, lohnt, das erfahren wir heute Abend beim allerersten Einstand auf europäischen Boden hier in München in der Backstage Halle.

Eintrittskarten gibt es keine für die Feuergeburt, sondern lediglich Einladungen. Diese wiederum wurden an Medien und VIPs verteilt, sowie glückliche Teilnehmer diverser Gewinnspiele auf unserer almighty Rockantenne. (Anm. einer der wenigen, tatsächlichen Rocksender in unseren Breiten)
Und da sitzen wir nun vor der Show und Ihr, Marc und Leo, Hena und Freddy habt Gott sei Dank euer Lachen wieder gefunden. Wie sich diese Suche gestaltet hat, aufgrund all der vergangenen Tragik das habt ihr mir heute noch einmal ausführlich erzählt:

Die Nervosität lässt die Luft vibrieren. Und unser neuer Phönix stirbt wahrscheinlich 1000 Tode vor dieser allerersten Show hier am 30 Mai 2012.


Irgendwie tut er mir wirklich leid. Einerseits ist er, der auf den Namen Nic hört und so einige Jahre jünger sein dürfte als sein Vorgänger Steve (Gott hab ihn selig) der neue Hoffnungsträger für die Band, der Strohhalm, an den sich die anderen festhalten, damit der Kahn, der mit so viel Kraft wieder hochgezogen wurde, auch wieder oben schwimmen bleibt. Andererseits hat unser Joker hier einen schweren Stand. Denn, auch wenn ihr alle behauptet, dass er kein Ersatz für Steve sein soll, weil man diesen ohnehin nie ersetzen kann, so wird er trotzdem seitens der Fans fürs erste ständigen Vergleichen ausgesetzt sein. Er wird mit Argusaugen beobachtet, und auch die allgemeine Akzeptanz wird sich, zumindest für den Anfang in Grenzen halten.
Der Vorhang fällt, und der sprichwörtliche Tanz auf dem Vulkan beginnt. Aber es ist weniger die Nervosität, die sich da oben bei unserem Neuzugang bemerkbar macht, sondern eher eine offensichtliche Schüchternheit, die ihn daran hindern, den Dampfer mit 150 Knoten durch die Schallwellen der Backstage Halle zu jagen. Und ja, er ist so ganz anders als sein verstorbener Vorgänger. Das beginnt bei der persönlichen Ausstrahlung zieht sich über die orale Darbietung bis zum vermehrten Einsatzes einer Gitarre neben dem ‚nur’ Singen hin.

Hmmmm...... ? Es ist schwer eine Grenze zu ziehen und endlich diese vermaledeiten Vergleiche außen vor zu lassen, die sich unweigerlich einstellen, schon anhand all der bekannten Gassenhauer aus der Vergangenheit. Lediglich bei den vier neuen Juwelen, die da heute ebenfalls vorgestellt werden, kann man sich einen kleinen Eindruck von Nics Individualität verschaffen. Den Fans hier drinnen scheinen die feinen Unterschiede eher egal zu sein. Man hat deutlich den Eindruck, sie sind einfach nur happy, dass sie euch da oben wieder haben. Und sie tanzen zu ‚Sister Moon’, ‚Anytime Anywhere’  und ‚Hush’ und feiern eine schlichte Rock’n’Roll Hausparty. 


Ihr anderen habt euch im Prinzip nicht viel verändert. Und das ist auch gut so. Vor allem habt ihr wieder neue Hoffnung geschöpft, eine Hoffnung, die wie ein Fragezeichen im Raum steht. Wird sie sich erfüllen?

Die Stimmung ist gut, sehr gut sogar. Und jene überträgt sich auf die Bühne. Im Verlauf des Abends spürt man, wie ihr deutlich an Zuversicht gewinnt. Das alte Selbstbewusstsein beginnt sich wieder einzustellen. Und am Ende des Abends sieht man nur noch zufriedene Gesichter.


Um hiermit mein kurzes Resümee zu beenden, sei jetzt noch so viel gesagt. Es war euer erster Test vor deutschem Publikum, es war kein Konzert im herkömmlichen Sinn, und nein, an unseren Steve Lee  kommt sein Nachfolger nicht heran, jedenfalls nicht dem ersten Eindruck nach. Muss er aber auch gar nicht und ich will hier kein Urteil fällen, denn wie oben schon erwähnt, ist der arme Kerl da oben wahrscheinlich dank seines schwierigen Erbes, selbst 1000 Tode gestorben vor dieser Show. Deshalb lasst uns dem Thronfolger eine Chance geben sich zu bewähren, sich durchzuboxen und sich zu behaupten, und vor allem ein ganz individuelles Image aufzubauen, eines das Gotthard ein frisches, neues Leben einhaucht. Mit der neuen Scheibe, einer etwas älteren, weiseren Attitude und ein wenig Nostalgie an vergangene Tage, könnte,....... - ich sage „könnte“ das tatsächlich gelingen.


Und eines ist so sicher wie das Amen im St. Petersdom: die Tage der wasserstoffblonden Girlies in den ersten 20 Reihen bei Konzerten, die gehören auch der Vergangenheit an.  – Das Selbstbewusstsein hingegen sollte trotzdem bleiben. Herrschaftszeiten Jungs, wir werden alle nicht jünger....
In diesem Sinne auf eine, hoffentlich noch langwährende Zukunft. Ihr habt es selbst in der Hand. Und ja vielleicht hat auch noch der gegenwärtige Zeitgeist, der die allgemeine Wegrichtung bestimmt, ein Wörtchen mitzureden.
Time will Tell. Und ich bin mir sicher, Steve gibt euch seinen Segen von Wolke 7, wo er jetzt die Lead Vocals in Petrus’ Himmels-Combo inne hat  – Amen!
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