Er ist wieder da, unsere Kunstfigur des Industrial Metal  namens Al Jourgensen. Und er kann es einfach nicht lassen, so hatte er sich zwischenzeitlich in Sachen Ministry doch bereits zur Ruhe gesetzt. Aber diese Unterbrechung war nicht von langer Dauer, denn er kann einfach nicht ohne sein, inzwischen 31 Jahre altes Band Baby. – Keine andere Rockband hat nach ihren ersten Fußstapfen, die sich im Dancefloor bewegten, so drastisch ihren Stil verändert als diese Gruppe. Und das war mitnichten ein Fehler. Sagen wir mal so, ob Ministry oder Al Jougensen bleibt sich gleich, denn Jourgensen ist Ministry und Ministry ist er. Alle anderen Mitglieder sind bis zum heutigen Tag austauschbar geblieben, obwohl hierbei u.a. einige namhafte Musiker mitgemischt haben, wie z.B. Paul Raven + (Killing Joke)  oder Joey Jordison von Slipknot. Aber es waren bzw. sind immer nur Angestellte des großen Meisters. Jourgensen, der, wie gesagt, seit Beginn weg die Richtung definiert. 13 Studioalben,  4 Live Scheiben und etliche Compliations zieren den Backkatalog von Ministry und etliche Drogen die Karriere von Klein Al, dem irgendwann der Cold Turkey über die Rastalocken hinaus wuchs. Das Publikum reagierte entsprechend mit einem Bierbecher Hagel und anderen Störfaktoren. Das war auch der Grund warum die Band 2008 auf Eis gelegt wurde, nur um jetzt vier Jahre später erneut wie Phönix aus der Gruft zu steigen samt den frisch gelegten Ei namens ‚Relapse’. Und siehe da, es gibt noch so einige Veränderungen, und die beziehen sich mitnichten auf einen weiteren, fast kompletten Musiker-Wechsel.
Ministry haben soeben einen erfolgreichen Auftritt beim Wacken Open Air hingelegt. Und wie viele andere Künstler, die es nach Wacken auch noch nach München gezogen hat, gibt sich auch Mr. Jourgensen im Backstage Werk die Ehre, das mit 1000 Fans relativ gut gefüllt ist. Fraglich ist, gibt es trotz den vergangenen Eskapaden immer noch so viele Fans, oder hat da einfach nur die Neugier gesiegt? Ich vermute mal, dass Beides der Fall ist.


Eine, ursprünglich geplante Supportband wird kurzfristig wieder vom Plan gestrichen. Jourgensen braucht keinen Support – aus basta. Und um etwa 20.30 Uhr  gehen die Hallenlichter aus, um einer gespenstig-roten  Trauerfunzel Platz zu machen, zur großen Freude von uns Fotografen, die die gegebene Zeit von 3 Songs only im Graben vorne mehr mit fluchen verbringen als mit der Knipserei. Zumindest wechselt die Pur Pur Schattierung, die jedem Puff alle Ehre gemacht hätte, bei Arie Nummer Drei in ein giftiges Grün, was zwar keine wesentliche Verbesserung bringt, aber doch noch bei weitem kamerafreundlicher ist als das vermaledeite Rot. Blitzen ist ja auch nicht, aber das wollen wir ja auch gar nicht, um die allgemeine Atmosphäre nicht zu verfälschen.


Ministry legen los, als ob es kein übermorgen mehr gäbe und heute Nacht noch der Maya Kalender  endet. Aber siehe da,  Jourgensen, der mit seinen unzähligen Piercings, Tattoos und Vampirzähnen inzwischen selbst wie ein karrierter ET mit Schlagseite wirkt, hat sich besonnen. Er ist nicht mehr die unnahbare Kunstfigur, die da oben – sehr nah und doch unendlich weit entfernt, agiert.


Im Gegenteil, er kommuniziert nach jedem Song eifrig mit dem Publikum, lacht  und gibt sich locker vom Hocker, pafft trotz Rauchverbots (pfeif drauf) einen nach dem anderen Glimstängel zwischen seinen gezwitscherten Strophen. Und war es anfangs noch einige Bierflaschen , die er aber anscheinend immer nur bis zur Hälfte geleert hatte, so ist es zum Ende der Show hin, ein vornehm- gediegenes Glas Rotwein, das er sich da oben zur Gemüte führt. Und irgendwann lässt sich ET Jourgesen sogar von der Bühne herab, durchwackelt den gesamten Fotograben und schüttelt jedem Fan in der ersten Reihe persönlich die Hand. Ja, aber hallo!!! Wo muss man das denn hinschreiben?
Das Infant Terrible scheint der Vergangenheit anzugehören. Fast würde man das auch glauben, wüsste man es nicht besser, dass Al immer noch, und vor allem nur genau das tut was er will und nichts anderes und niemanden neben sich duldet.


Ministry brettern ihr Programm mit einer derartigen Härte herunter, dass sich das kürzliche Sepultura Konzert dagegen wie Beethovens Mondscheinsonate ausmacht – ohne Übertreibung. Dazu kommt noch eine Lautstärke, die locker mit der von Bands wie Manowar konkurriert, diese wahrscheinlich sogar noch etliche Dezibel übertrumpft. Ich selber, die nun wirklich relativ lärm-unempfindlich bin, und noch nie im Leben Ohrstöpsel verwendet hat, halte mir teilweise mit beiden Händen die Lauscher zu, da ich mir sonst ernsthaft Sorgen um mein, eigentlich abgehärtetes Trommelfell gemacht hätte.


Auch Al Jourgesen braucht inzwischen ab und an eine kleine dezente
Gedächtnishilfe :-)))



Aber Al kennt kein Erbarmen und freut sich wie einst Quasimodo, als alle Glöcklein von Notre Dame gleichzeitig gebimmelt haben. – Und höre und staune, es gibt sogar noch eine Zugabe (Anm.: heute is’ er aber auch besonders gut drauf) um dann beim letzten Ton grinsend, mit einer, nach hinten wegwerfenden Handbewegung das Geschehen zu verlassen. Aber was anderes haben wir auch gar nicht erwartet. Geil war’s und unsere Aggressionen simma auch wieder erfolgreich los geworden. Nur  die physische Akustik benötigt jetzt dringend eine Erholungsphase wegen drohenden Tinnitus- Dauerzustandes.
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