Fliegende Farben! Tja, was sind eigentlich fliegende Farben? Nun in herkömmlicher Art und Weise kann man sich darunter wahrscheinlich nicht viel vorstellen, außer vielleicht einen Regenbogen im entferntesten Sinn oder auch die schnell wechselnden Spektraltöne von Scheinwerferlicht. – Aber ich denke, dass mit unseren Flying Colors vielmehr die kunterbunten Töne gemeint sind, mit denen unsere Künstler der darstellenden Art hier um sich werfen. Und das meine Lieben, können gerade diese Senores hier mit einer derartigen Fingerfertigkeit, das manche Akrobaten am Trapez zum Ischias-geplagten Krummstiefel degradieren, verglichen damit.
Aber jeder Kenner guter Pop- und Rockmusik weiß ganz genau, um welche Handwerker  es sich bei unseren schwirrenden Photonen handelt, bzw. deren Erzeuger. Und so verwundert einen im Prinzip nicht viel. Jeder dieser Musiker ist eine Koryphäe für sich selbst. Und ich muss weder viel zu Gitarrist Steve Morse palavern, der viele Jahre lang als Geheimtipp gehandelt wurde, bevor er Ritchie Blackmore bei Deep Purple ersetzte. Neal Morse ist ein ungeschriebenes Gesetz in der ProgRock Maschinerie, und bei Bassist Dave LaRue fragt man sich: wo hat der eigentlich noch nicht mitgespielt? Lediglich Hauptsänger Casey McPherson ist ein, noch relativ unbeschriebenes Blatt. Ach ja, und um den Ober-Matador nicht zu vergessen, wäre da noch unser aller Tausendsassa Mike Portnoy, der dank Dream Theater einen Ruf wie aus tausend und einer Nacht genießt in Schlagzeugerkreisen. Er betreibt derzeit fünf Projekte gleichzeitig, nur nicht mehr eben Dream Theater. Und bei all diesen musikalischen Hightec Kontruktionen mischt dann wieder ein Steve Morse mit, dessen andere Band Dixie Dregs wiederum Dave La Rue als Bassist nennt, der zusammen mit Steve auch wieder auf dem neuen Album ‚Momentum’ von Neal Morse zu hören ist, der damit wieder im Frühjahr mit Mike Portnoy am Schlagzeug auf Tour geht. Hoast mi? – wie der g’standene Bayer jetzt sagen würde. Aber auch egal, es bleibt ja quasi alles in der Familie, wie man so schön zu sagen pflegt, nach dem Motto, einer hilft dem anderen. Und da man sich inzwischen wahrscheinlich in- und auswendig kennt, funktioniert alles umso geschmierter.


Die Wurzel zur Band Flying Colors wurde bereits im Jahr 2008 gelegt, aber konkret etablierte sich das Ganze erst im vergangenen Jahr. Und da unsere Wunderknaben hier so hochbegabt sind, haben sie ihr erstes Baby in sage und schreibe neun Tagen raus gepresst und das ganz ohne Wehen. Heraus gekommen ist ein, im wahrsten Sinn des Wortes, Ohrwurm, der weder zu komplizierte Soundstrukturen beinhaltet, noch zuviel Komplexität.
Die Songs auf diesem Album sind angenehm hörbar und sogar zum mitsingen geeignet. Hier bietet sich feinste Unterhaltung an, sowohl für den Prog Rock Freak als auch für Onkel Otto im Schaukelstuhl, der froh ist, wenn er abends seine steife Krawatte gegen ein flippiges Hawaiihemd tauschen kann. Sprich, die Melodien von Flying Colors müssten eigentlich ein weitgefächertes Klientel  an Musikfans ansprechen. Und das tun sie mit Sicherheit, nur nicht an diesem Abend hier und heute in München. Aber der Grund liegt weniger an der, immer noch relativen Unbekanntheit der Band, sondern vielmehr an der Tatsache, dass um 20.30 Uhr der Anpfiff im Weltmeisterschafts-Qualitfikations Fußballspiel Österreich gegen Deutschland erfolgt. Tja und so mancher Sportsfreund bevorzugt die heimatliche Couch zu unserer Theaterfabrik in den Optimolwerken  hinterm Ostbahnhof. Gut, man könnte es auch andersrum sehen. Ca. 400 zahlende Gäste sind bei all den Umständen denn doch mehr als gedacht.
Die Supportband Birdfish gleitet mir dann auch durch die Finger. Zum einen Teil, weil mir just in dem Moment Mike Portnoy seine Philosophie über den absoluten Perfektionismus verbal demonstriert, und mir anschließend Neal Morse noch sein Soloalbum auseinander dividiert. Zum anderen, ich geb’s ja zu, kann ich mich nicht vom Taschenradio losreißen, um noch den Rest der ersten Halbzeit beim Match des Abends zu erhaschen.

Um 20.45 Uhr heißt es dann erneut Licht aus und Spot an.Und als erstes stelle ich fest, dass der nette, junge Mann, mit dem ich mich vorher im strömenden Regen vor der verwaisten Halle so angeregt unterhalten habe, der Front-Farbenkleckser des musikalischen Regenbogens ist.  Nun, das kommt davon, wenn man sich per Info im vorab auf die bekannten Conterfeis von Portnoy und Morse mal Zwei verlässt. – Und obwohl ein jeder, inklusive meiner selbst, selbstredend auf jene drei Charaktäre fixiert ist, so ist sehr schnell festzustellen, dass es sich bei Casey McPherson ebenfalls um einen exzellenten Musiker handelt. Und seien wir mal ehrlich, irgendwie ist das doch eine logische Schlussfolgerung. Denn mit was Geringerem würden sich Portnoy und Co in einer Band zusammen, ja gar nicht abgeben. Zu jenen muss ich auch nicht mehr viel sagen. Steve Morse, der erst vor Kurzem mit G3 hier in München vor ausverkaufter Bude geglänzt hat, übt sich in bescheidenem Undertstatement und gleichzeitiger, Hochfrequenz- 10 Finger -  an sechs Saiten Geometrie. Neal Morse geht großteils etwas unter im Background hinter seinem überdimensionalen Keyboard und macht sich nur hin und wieder durch ausschweifende Soli und gelegentlichen Gesangseinlagen bemerkbar. Da hat es Bassist Dave LaRue schon leichter vorne rechts außen, wird aber regelrecht von Captain Blaubart hinterm Schlagzeug abgeschossen, was die allgemeine Aufmerksamkeit betrifft. Das ist er nämlich unser Star des Abends, Mike ‚Mighty’ Portnoy, der heute im Gegensatz zu seinem kürzlichen Besuch mit Adrenaline Mob an selbiger Stelle, ein wesentlich kleineres Mordinstrument bearbeitet. Klein ist allerdings relativ, denn verglichen mit herkömmlichen Schlagzeugen ist es immer noch mehr als stattlich und lässt sich wunderbar malträtieren.


Sagen wir so, der kleine Drummer (Anm: warum sind die meisten Schlagzeuger eigentlich so klein?) besitzt ein riesengroßes Ego und auch ein paar kleine, aber durchaus liebenswürdige Starallüren, Allüren, die man mit einem zwinkernden Auge wohlwollend beiseite schiebt.


Dazwischen gibt es einen, ca. 15 minütigen Abstecher nach nebenan in die Garage im selben Haus wo gleichzeitig  – Heavy Metal pur angesagt hat mit insgesamt drei Bands, allen voran James Rivera mit seinen Helstars. Leider haben sich zu diesem Event   gerade mal 40 verlorene Seelen eingefunden – traurig aber wahr. Aber auch sie sind Opfer von Gott Fußball geworden oder der Tatsache, dass der Old School Heavy Metal grad mal wieder so ziemlich out ist. Singen kann James jedenfalls nach wie vor wie Caruso zu seinen besten Glücksmomenten. Und ein gewisses Mitleid macht sich breit, dass so ein Talent nach wie vor im Underground fristen muss.


Wieder drüben in der Theaterfabrik kommen wir auch hier in die Schlussphase eines wahrhaft gelungenen Spektakels. Die Stimmung könnte nicht besser sein, und auch wenn der Laden nicht ausverkauft ist, - so haben wir trotzdem das Gefühl ein einwandfreies Konzerterlebnis konsumiert zu haben.
Flying Colors bieten uns feinste Unterhaltung anhand , - fast schon – Popmelodien, die sich auf verschlungenen Pfaden zu einer ausgewogenen Harmonie verbinden. Das aktuelle Album ist denn auch abendfüllend, und Mikey Boy versucht sich auch als Figaro vorne am Bühnenrand nach dem Motto: ‚dass ihr mich auch ja nicht überseht da hinten hinterm Drumkit’. – Keine Angst, das tun wir schon nicht, und der Applaus gehört vor allem dir, aber auch dem Rest der fliegenden Rot,Blau,Grün und Gelb Schattierungen.

Nun wollen wir hoffen, dass es sich bei dem Projekt Flying Colors nicht um eine Eintagsfliege handelt, und dass jene exzellenten Musiker irgendwann in dieser Konsistenz als bunter Regenbogen erneut zusammen finden, um uns mit ihrer Musik zu beglücken. In der Zwischenzeit müssen wir uns halt mit Portnoy und Adrenaline Mob, Portnoy und Neal Morse, oder Steve Morse mit Deep Purple oder und weiß der Geier was begnügen....Wie gesagt, es bleibt alles in der Familie.... so oder so.....
http://flyingcolorsmusic.com/

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