Gleich zu Beginn ein kleiner Grundkurs in Sachen Musikinstrumente, für all diejenigen die dieses exotische Monstrum immer noch nicht kennen.
Der Chapman Stick ist ein elektrisches bundiertes Saiteninstrument, das lediglich aus einem großen Griffbrett mit 8 bis 12 Saiten und ein bis zwei Induktions-Tonabnehmern besteht. Die Grundversion wurde Ende der 1960er-Jahre von dem Jazz-Gitarristen und Sessionmusiker Emmett Chapman aus Los Angeles entwickelt.

Das klingt jetzt relativ easy, ist es aber beileibe nicht. Denn es gibt weltweit nur etwa 2.000 Musiker, die den Chapman Stick spielen können. Die Existenz von jenen exotischen Instrumenten beläuft sich auf etwa 5.000 Stück. Und einer der berühmtesten Vertreter, die den Stick hervorragend beherrschen, ist Tony Levin, seines Zeichens auch Bassist von Peter Gabriel und King Crimson. Eigentlich überflüssig zu erwähnen, und nicht weiter überraschend, dass er lt. Billboard Magazin zu den zehn weltbesten 4 Saiten Magiern überhaupt gehört.
Dabei sieht alles so leicht aus...
Und wenn Tony eben nicht gerade mit Peter Gabriel die Welt betourt oder mit Liquid Tension Experience oder dem California Guitar Trio oder noch zig anderen Formationen, dann widmet er sich am liebsten seinem ureigenen Baby, und das nennt sich entweder die Tony Levin Band oder wo wie heute Abend, passenderweise Stickmen. Der Unterschied zwischen diesen beiden Bands ist die Anzahl der Musiker, deren Instrumente und die Musik selbst, die durch die Verwendung des Sticks auch den letzten Rest jeglicher Kommerzialität verliert.


Das gegenwärtige Line up von Levin’s Stick Men besteht außer ihm selbst, noch aus Drummer Pat Mastelotto, - kennen wir auch noch aus King Crimson Zeiten......

 und dem deutschen Wahlösterreicher Markus Reuter der hiermit Michael Bernier ersetzt. Markus ist es im Prinzip zu verdanken, dass Tony nunmehr auch den Weg in die Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck findet und sich dort auch pudelwohl fühlt. -  Und auch Markus Reuter gehört zu den 2.000 Stick Spielern, genauso wie er in die weitläufige Crimson Family gehört nicht zuletzt dank des Crimson Projects und seiner vorhergehenden Guitar Craft Studien mit Robert Fripp.

Wir sind heute Abend im Münchner Feierwerk im Orangehouse, eine von fünf Locations auf diesem Areal, in das schätzungsweise knappe 150 Zuschauer rein passen. Für Tony Levin selbst, muss der Change zwischen Olympiahallen Größenordnung und Miniclubs wie diesen, mehr als krass sein. Aber er nimmt das wie immer gelassen, denn das hier ist sein ganz persönliches Ding. Und im Gegensatz zu einer Peter Gabriel Tour, wo er auf ‚Sledgehammer’ und ‚Shock The Monkey’ und dergleichen beschränkt wird, kann er sich bei den Stick Men erst so richtig entfalten. Denn hier macht er genau das, was ihm am meisten Spaß macht. Und ich denke mal, die beiden anderen , Markus Reuter und Pat Mastelotto stehen ihm in der Beziehung in nichts nach.
Und obwohl dieses Event kaum beworben worden war, haben sich trotzdem so um die 80 Freunde fortgeschrittener Musik in diesem kleinen Rahmen eingefunden, um sich ein Bild von einem der besten Bassisten der Welt und seiner Band zu machen. -


Zugegeben, das hier ist schwieriger Stoff, und damit meine ich sehr komplex-komplizierte Materie. Aber während bei etlichen anderen Künstlern jene so tight rüber kommt, dass nur noch Fragezeichen im werten Publikum zu erspähen sind, so verstehen es die Stickmen, trotz dieser Komplexität , eine gelungene Abwechslung ins Geschehen zu verstricken, so dass es auch tatsächlich keine Sekunde lang abtörnt oder sich über den Köpfen verläuft. Und neben etlichen Levin Solostücken, und Reuters Input, erklingen denn auch bekanntere Hymnen von King Crimson zwischendurch. Außerdem stellt er, bzw. alle drei Musiker hier, ihr neues Album ‚Open’ vor, das live mitgeschnitten wurde. Und in absehbarer Zeit wird ein weiterer Studio-Diamant erscheinen. –



Einmal mehr versetzt uns die Handhabung jenes exotisch, anmutenden Instruments namens Stick in blankes Erstaunen, vor allem, wie vielseitig und variabel es sich erweist. Die Ansagen zwischen den Stücken übernimmt, der Einfachheit halber  unser deutscher Muttersprachler hier, und jener beweist seinerseits, dass er in der Tat dem Qualitätslevel von Levin, Crimson und Co entspricht  und sich weiß Gott nicht zu verstecken braucht. Das letzte Stück des offiziellen Sets ist eine Umsetzung klassischer Brillanz von Igor Stravinskis Feuertanz Suite und das in, über zehnminütiger Länge. Und das ist, nicht nur meiner Meinung nach, auch der Höhepunkt dieses Abends. 


Die Zugabe ist auch nicht zu verachten mit ‚SuperCollider’ einer Nummer von ersten Album des Stickmen Projekts namens ‚Soup’ aus dem Jahr 2010. Dieser Song lässt einen dank des kuriosen  Sprechgesangs umso mehr aufhören. Den Abschluss macht dann der Crimson Track Larks' Tongues in Aspic. Und nein man kann wirklich nicht meckern. Das hier waren fast zwei Stunden qualitativ hochwertigste Musik mit noch höherem Anspruch, die aber, um mich zu wiederholen, absolut abwechslungsreich und kurzweilig dargeboten worden ist. Und in Anbetracht von so viel Können und Talent, da wird man selber ganz klein und betrachtet so einiges aus einem etwas anderen Blickwinkel. Allerdings das dafür nötige Musikverständnis sollte man schon mitbringen, um das alles hier erst so richtig schätzen zu wissen.
http://www.facebook.com/stickmenofficial   

Ein paar Schnappschüsse vom Münchner Publikum (inkl.meiner selbst) -  geschossen von Tony  hier

Off Stage Schnappschüsse sind im Diary zu finden....