Zum hundertausendsten Mal und noch mehr.... Zumindest kommt es mir langsam so vor. Seit Ende der Siebziger Jahre geht diese Band nicht an mir vorbei. Und damals gab es sie gerade mal 2 Jahre und sie mussten teilweise in Clubs spielen, wo sich mit viel Glück, dann so an die 50 Insider einfanden. An ein Konzert kann ich mich noch besonders gut erinnern. Das war 1984 in meiner Heimat Tirol, genauer definiert in Kufstein, wo Lemmy und Co in intimster Atmosphäre ihr Ständchen gaben. Wobei meine Erinnerung wohl mehr auf die Aftershow Party zielt, als wie auf das Konzert.


live in Kufstein  1984  vor ca. 50 Fans


aftershow

Lediglich die geringe Zuhörerschaft ist mir nach wie vor gut im Gedächtnis vor allem im gegenwärtigen Vergleich zu den nunmehr, meist 5.000 und noch mehr Besuchern eines Motörhead Konzertes. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Vertretern dieser Zunft, die über etliche Jahre hinweg, ein mehr und mehr halbvergessenes Dasein fristen, erfreuen sich Lemmy, Phil und Micky eines fünften Frühlings weit jenseits der Midlife Crisis.
Es ist in der Tat ein Phänomen. Denn im Prinzip machen Motörhead seit fast 40 Jahren immer das Gleiche. Die Stage Show ist eher unspektakulär ohne große Besonderheiten, es ist lauter als irgendwo sonst wo, - klar doch, man muss schließlich seinem Ruf gerecht werden.... und sogar vom optischen Aspekt her, hat sich Lemmy nicht wirklich verändert. Zu den anderen beiden Apostel will ich nichts sagen, denn die sind, wenngleich auch schon urlange, dann doch nicht von Anfang an dabei. Fragt mich aber jetzt bitte nicht was aus Philty Taylor und Fast Eddie Clarke mittlerweile geworden ist. Und Gitarrist Wurzel, der ebenfalls zwischenzeitlich mal zur Family gehört hat für etliche Jahre, ist bekanntlich vor einiger Zeit verstorben.


Wurzel +  London, 1988

Lemmy war schon immer ein Eigenbrötler. In den Siebziger und Achtziger Jahren war er meistens in seiner Stammkneipe, dem San Moritz im Londoner Stadtteil Soho zu finden. Dort gab es einen Flipper-Automaten. Dazu wurde noch ein Jacky bestellt, und die liebe Seele war zufrieden. Und es war immer leicht zu erkennen, ob Mr. Kilmister gut drauf war oder nur mittelmäßig bis schlecht. In letzterem Fall ließ man ihn am besten in Ruhe. Denn das konnte unter Umständen etwas ungute Folgen haben.....


1989 London

Wenn er aber in Tratschlaune war, dann konnte man mit ihm auch einen richtig guten Abend verleben.


im Gossips in Soho, London an meinem 27sten Geburtstag 1989
auf so einige Carlsberg Special Brew

Aber eines war immer der Fall: Lemmy kam allein und er ging auch allein wieder. – Jaaaa, und dann gab es noch diese vereinzelten Gelegenheiten, wo in Hotelzimmern anderer namhafter Musiker, mal schnell eine private Session hingelegt wurde. Das war für Außenstehende, die zufällig mit dabei waren was ziemlich Besonderes, für ihn selbst nur eine von vielen, alltäglichen Treffen.


London, 1991
Lemmy & Yngwie Jamsession
im Hotelzimmer

Fakt ist, Lemmys Leben, obwohl zum Inbegriff des Rock’n’Rolls erklärt, war,und ist wahrscheinlich in seinen Augen, nach wie vor nichts besonderes. Jetzt mit 67 Jahren feiert er derzeit seinen größten Erfolg, und das, wie schon erwähnt, bereits seit so einigen Jahren. Aber warum das so ist, das weiß er wahrscheinlich selbst nicht so ganz genau, denn, um es noch mal zu wiederholen, es hat sich im Grunde genommen so gut wie gar nichts verändert. Und deshalb lässt sich nur vermuten, dass die junge Hardrock Generation von heute schlicht und ergreifend das letzte Aufbäumen, der noch lebenden Legenden miterleben will, jene, die bereits von ihren Eltern gehuldigt worden sind, die, um die sich so manche Exzess Story rankt, und die, deren Uhr  langsam aber sicher dem Zahn der Zeit zum Opfer fällt. Aber noch ist nicht aller Tage Feierabend, und Motörhead sind, so wie jedes Jahr im Winter wieder einmal da, um uns zu überzeugen, dass Rock’n’Roll niemals stirbt, und dass der Spirit noch immer quick lebendig und vor allem nach wie vor seeeehhhrrrr laut ist.


Und auch wenn Motörhead eigentlich gar keinen Anheizer benötigen, um die Gemüter innerhalb von Minuten auf den Siedepunkt zu bringen, so gibt es doch dieses Mal derer zwei. Wobei ich gleich gestehen muss, dass mir der Opener ‚Diary Of Heroes’ dank später Ankunft am Gelände entgangen ist.
Aber für die Nummer Zwei steh’ ich pünktlich im Fotograben. Denn jene ist mehr als interessant und vor allem auch namhaft.


Denn keine Geringeren als Anthrax moshen sich da oben die Birne wund. Und auf die ist hier jeder mehr als neugierig. Anthrax ist nach wie vor Band Chef und Gitarrist Scott Ian, -zum zweiten Mal zurück gekehrt – Sänger Joey Belladonna, des weiteren immer noch Drummer Charlie Benante, am Bass Frank Bello und an der zweiten Gitarre Rob Caggiano. Und wo sich andere  um Welten verändern über die Jahre hinweg, ist mein erster Gedanke beim beobachten von Mr. Belladonna: Herrschaftszeiten, der Kerli hat sich in den letzten 25 Jahren überhaupt nicht verändert, und ich meine damit wirklich absolut um keinen Millimeter... Sogar die Frisur ist immer noch dieselbe. Wie hat er das nur gemacht? Leider habe ich keine Gelegenheit ihn zu fragen. Und auch konditionell machen die Erfinder des Ausdrucks ‚Mosh’ jedem Jungspund was vor. Hier steht keiner auch nur eine Sekunde lang still, und Herr Belladonna absolviert da oben einen halben Ironman, was sein individuelles Laufpensum betrifft. Schlecht für unsere Kameras, die damit nur bedingt klar kommen bei den nur mittelprächtigen Beleuchtungsverhältnissen.


(c) MunichHorseman


Scott Ian 1988

heute


Anthrax brettern sich durch eine wahre Zeitreise und legen ihren Fokus nicht so sehr auf die aktuelle Veröffentlichung ‚Worship Music’, sondern logischerweise auf die Trümpfe ihrer musikalischen Karriere. Und die heißen da ‚Antisocial’ und ‚It’s A Madhouse’ um nur zwei zu nennen. Klar ist, Anthrax werden in der Tat den Erwartungen gerecht und liefern hier eine explosive Metalshow ab. Aber wie so oft bin ich hinterher der Meinung, dass diese Truppe in einer etwas kleineren Location, und das in Headliner Funktion noch zehn Mal explosiver rüber kommen.  Aber keine Angst, ich glaube, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis wir das erleben dürfen. ‚Anthrax sind auf alle Fälle eine, nach wie vor Klasse Liveband, die keinerlei Abnutzungserscheinungen aufweist, konditionell olympiareif sind und ein Feuerwerk spritziger Mosh-Art vom Stapel lassen. Gratuliere – mich hat’s in der Tat 100%ig überzeugt.
http://anthrax.com/

“We are Motörhead, and we play Rock’n’Roll“ – so beginnt normalerweise jede Motörhead Show.


....um dann mit gnadenloser Brachialgewalt eine weitere Attacke auf unser Trommelfell zu verüben. Okay, ums genau zu nehmen, hat Lemmy diesmal nach – „We Are Motörhead....“ noch etwas anderes dran gefügt, das ich aber nicht ganz verstanden habe. Aber ich glaube es war einfach nur der Titel des ersten Songs .. Aber auch egal....it’s showtime now, der Laden erzittert in seinem letzten Ziegelstein (Anm: und wenn dieser Saftladen einstürzen würde, hätt’ ich zukünftig auch nichts dagegen J ) Aber ich denke mal, dass das nicht passieren wird, auch wenn, so wie hier bei Motörhead gefühlte 5.000 Dezibel die Luftschwingungen zu einem Orkan wachsen lassen. Da schlackern die Lauscher, und wären sie nicht angewachsen, dann hätten hier drinnen, schon mindestens ein Dutzend  mit zwei Nullen dran, den Boden geküsst. Von Müdigkeit on Stage ist keine Spur, auch wenn sich das am geringen Bewegungsradius von Sir Lem, den er schon immer inne hatte, nicht abschätzen lässt. Aber da sind sie doch, diese winzigen Nebensächlichkeiten, an denen der aufmerksame und vor allem langjährige Motörhead Beobachter merkt, dass die Band jetzt doch langsam in die Jahre kommt. So überlässt Lemmy die Ansagen zwischen den Songs zum Teil seinem Adjudanten Phil Campbell, der jetzt immerhin auch schon seit 29 Jahren die Leadgitarre verklopft bei Motörhead. Und die langsam anwachsende Statik von seinem Boss und Gegenüber, versucht er zunehmend auszugleichen.


Phil vor 24 Jahren

heute



Die Setliste beihaltet zwar wie immer so etliche Perlen des motörigen Backkatalog, aber es gibt auch einige Perlen, die schmerzlich vermisst werden diesmal. Ich nenne da nur zum Beispiel ‚Orgasmatron’ – eigentlich ein Standard, der sonst immer dabei war. Aber was soll’s,  eines klingt ja ohnehin meist wie das andere vor allem bei dieser beeindruckenden Lautstärke. Und um mich in jeder weiteren Live Review erneut zu wiederholen, eine Hymne darf auf keinen Fall fehlen, und zwar der einzige Hit den Motörhead jemals in den internationalen Billbord Charts  verbuchen konnten. Was für die Rolling Stones ‚Satisfaction’ ist und für Deep Purple ‚Smoke On The Water’ das ist für unser Trio hier – ja klar doch....’Ace Of Spades’.


(c) BlackSabbath1989Dio


Und jene Schmetterarie beschließt denn auch eine weitere, fast schon alljährliche Episode von Motörhead, um anschließend noch eine Zugabe drauf zu legen. Nur diese erlebe ich heute nicht mehr, denn ich will vor allen anderen aus der ausverkauften Stätte geflohen sein.
Was soll ich noch groß sagen? Es war wie immer – laut, brutal und kompromisslos. Und bei keinem anderen Rockkonzert findet man so viele feucht- manchmal zu fröhliche, teils antisoziale Gäste wie bei eben einer Motörhead Orgie.  Bleibt nur noch letztendlich die Frage: „wie oft wird es hierbei noch eine Wiederholung geben?“ -  Abwarten und Tee tri.... äh sorry, denn doch lieber einen Jacky pur – ganz stilgerecht und dem Klischee entsprechend genießen....

http://www.imotorhead.com/

Weitere Fotos aus dieser Konzertserie gibts bei www.metalhammer.de

Lemmy - heute