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Sinas Ansichten über die Zukunft des Radio - Empfangs |
So, alles ist überstanden: Fußball-EM, diverse anstrengende Ausflüge mit meiner Familie, ein Tierarzt-Besuch zwecks der jährlichen Impfung sowie natürlich auch die Veröffentlichung der Funkanalyse Bayern. Und beim Thema Radio bleibe ich heute auch mal wieder. Schenkt man der Funkanalyse Glauben, dann hat sich Bayerns Hörfunklandschaft im vergangenen Jahr kaum verändert. Aber weil es ja die Hauptsache ist, dass die Quoten nicht noch weiter eingebrochen sind als 2007, feiern sich alle wieder mal selbst. Und werden natürlich in den kommenden Monaten ihren Weg konsequent weiter gehen, so dass sich auch in Zukunft nichts ändert. "Besser Stillstand als Verschlechterung" lautet die Devise der Stunde. Ob das dem Hörer gefällt, spielt dabei schon lange keine Rolle mehr. Hier geht es einzig und allein um wirtschaftliche Interessen. Doch aufgepasst! In einem Bundesland namens Baden-Württemberg scheint man sich doch noch für den Hörfunk-Konsumenten zu interessieren. Die dortige Landesanstalt für Kommunikation und der Südwest- rundfunk gaben jüngst den Startschuss für ein Pilotprojekt, an dem auch private Radiosender beteiligt sind. Ziel der Studie sei es, herauszufinden, "was die Hörer wollen", heißt es in einer Pressemitteilung. Was so toll klingt, ist in Wirklichkeit aber wieder mal nur ein Vorwand. Liest man weiter, erkennt man schnell, worum es tatsächlich geht. Herausfinden will man nämlich vor allem, "welche Angebote des neuen digitalen Radios genutzt werden." Mit dem aktuellen UKW-Angebot hat das Pilotprojekt, das übrigens 300.000 Euro kostet, nichts zu tun. Eigentlich ist es schon vermessen, vom 'neuen' Digitalradio zu sprechen. Und das nicht nur, weil ich auf obigem Foto mal wieder ein Gerät vorstelle, das direkt aus dem Radiomuseum kommen könnte. Tatsächlich ist dieser Kasten ein weiteres Digitalradio im Nostalgie-Look. Kein Zwei- und kein Vierbeiner wird jemals begreifen, weswegen man eine angeblich hochmoderne Technologie unbedingt auf diese Weise an den Mann bringen will. Aber bitte... Doch eigentlich ist es ja auch egal, wie die Radios aussehen. Denn an den Mann gebracht hat man seit dem Start des digitalen Radios DAB in Deutschland ohnehin kaum einen Empfänger. Seit 1995 (!!!) versucht man verzweifelt, die entsprechenden Geräte zu verkaufen. Von "neu" kann also wirklich nicht die Rede sein. "Neu" ist auch nicht die Idee einer Studie. In Bayern fand solch eine Erhebung schon in der DAB-Pilotphase statt. Gebracht hat sie nichts. Schwaches Programmangebot, kaum ein Mehrwert für den Hörer und immer noch bestehende Empfangsprobleme haben Digitalradio in Deutschland längst aufs Abstellgleis manövriert. Insofern verwundert auch die jüngste Aussage des Betreibers eines Senders für Fernfahrer. Der glaubt plötzlich erkannt zu haben, dass DAB in Deutschland tot sei. Ich widerspreche entschieden: DAB hat niemals richtig gelebt! Und deswegen ist auch eine weitere Studie rausgeschmissenes Geld. Ich möchte hier gar nicht zu einer erneuten Generalabrechnung mit DAB oder dessen zum völligen Scheitern verurteilten Nachfolgesystem DAB+ ausholen (die gab es ja schon in früheren Kolumnen). Ein neuer Aspekt muss allerdings ins Spiel gebracht werden. Und der beantwortet auch die Frage, weswegen Medienanstalten und auch Programmanbieter so vehement am digitalen Radio festhalten. Natürlich würden sich für die einzelnen Sender die Übertragungskosten reduzieren - digital ist nun mal günstiger als analog -, aber das ist nur Nebensache. Es geht nämlich schlichtweg um Kontrolle und Absicherung der bestehenden Angebote. DAB+, für das man übrigens mal wieder völlig neue Empfänger benötigt (vielleicht diesmal in Knochenform mit bunten Flower-Power-Farben), soll nicht nur irgendwann mal das bestehende UKW-Netz ersetzen, sondern auch Platz für Zusatzangebote bieten, die selbstverständlich einer Genehmigung der jeweiligen Aufsichtsbehörde bedürfen. So stellt man sich das in Deutschland zumindest vor. Dass für diese Zusatzangebote zum Großteil die großen Sender selbst sorgen werden (wie das auch jetzt bei DAB schon geschieht), versteht sich von selbst. So wird zusätzliche Konkurrenz von außen vermieden. Und erdreistet sich doch mal ein Neo-Anbieter, um eine Lizenz anzusuchen, kann die Medienanstalt diesen ja immer noch ablehnen. Oder man dreht die Kostenschraube für den Lizenzantrag derart nach oben, dass der Anbieter schon vor dem Sendestart insolvent ist. Das ist echte Kontrolle! Die ganze Sache hat natürlich einen speziellen Grund, denn seit geraumer Zeit entwickelt sich eine Hörfunkalternative, die so manchen etablierten Stationen und auch den Aufsichtsbehörden durchaus ein wenig Angst zu machen scheint (auch wenn sie es nie zugeben werden). Noch vor wenigen Jahren wurde Internet-Radio milde belächelt: miese Qualität, funktioniert nur mit eingeschaltetem Computer, ist dilettantisch gemacht und obendrein nicht mobil etc. Doch die Situation hat sich im Zeitalter von Flatrates und WLAN grundlegend verändert. Viele Internet-Sender haben mittlerweile einen saubereren Klang als so manche UKW-Station. Plötzlich überschwemmen Empfangsgeräte zu erschwinglichen Preisen den Markt, die via WLAN auch ohne laufenden Rechner funktionieren. Somit ist zumindest in den eigenen vier Wänden die Mobilität gegeben. Und im Gegensatz zu DAB muss man nicht erst wie ein Wünschelrutengänger den geeigneten Empfangsplatz suchen, der meist nahe am Fenster liegt. Nun zu den Programmen selbst: Es sind viele tausend Stationen aus der ganzen Welt, die das Internet-Radio nach Hause liefert. Es sind sicher zum Teil schlicht gemachte Ein-Mann-Stationen, aber es sind auch perfekt gemachte Angebote aus England, Holland oder den USA, die dort über UKW senden und das Internet einfach als zusätzlichen Verbreitungsweg nutzen. Diese Programme sind qualitativ derart hochwertig, dass Sender aus Deutschland nur schwerlich mithalten können. Da ist sie also, die unliebsame Konkurrenz! Und nun das Schlimmste: Eigentlich kann jeder via Internet senden. Man muss zwar gewisse Abgaben zwecks Urheberrecht entrichten, aber eine Genehmigung ist nicht notwendig. Da ist es also, das Radio ohne Kontrolle! Es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis Internet-Radio an Mobilität zulegt. Mobilfunk-Flatrates, UMTS etc. sorgen dafür, dass die unbegrenzte Vielfalt zunehmend auch in den Autos Einzug hält. Da könnten die bestehenden Sender, die sich in Deutschland gerne einbilden, eine Art Bestandsgarantie zu haben, schnell ins Hintertreffen geraten. UKW reicht für Zusatzangebote von der Kapazität her nicht aus. Deswegen muss unbedingt DAB+ her, um der Konkurrenz aus dem Internet zumindest ansatzweise Einhalt gebieten zu können. Und dann verprasst man noch schnell 300.000 Euro für eine Studie, um zu erfahren, was für Zusatzangebote der Hörer wünscht. Dabei ist die Antwort auf diese Frage ganz einfach: Der Hörer möchte alles andere als formatierte Hitradios mit einer 200-Titel-Rotation (bestehend aus totgedudelten Songs), ständig lachende Moderatoren und dämliche Comedy. Er will keine Flitzer-Blitzer, ist genervt vom "besten Wetter" und dem "schnellsten Verkehrsservice". Er ist gelangweilt von austauschbaren, naiven Moderatoren, die stümperhaft Meldungen und anderes dummes Zeug verlesen, das eigentlich keinen interessiert, und am Ende noch die einfachste Pointe in den Sand setzen. Liebe Anbieter, macht einfach genau das Gegenteil von dem Geschilderten, und Ihr habt ein attraktives Zusatzangebot mit Mehrwert für den Hörer. So könntet Ihr der Konkurrenz aus dem Internet vielleicht doch noch entgegen treten. Für diese Erkenntnisse braucht man keine teure Studie! Zu befürchten ist allerdings, dass man das in Deutschland niemals hinbekommt. Eigeninitiative ist längst Berater-Hörigkeit gewichen. Und so bekommen wir sicher auf dem nächsten digitalen Rocksender wieder mal die größten Hits von Bryan Adams & Co. zu hören. Das ist kein Mehrwert! Das ist kein Argument zum Kauf eines Empfängers für DAB+! Ich persönlich sehe schwarz, aber mein Hundehirn kann sich ja auch mal täuschen. Sollte ich allerdings Recht behalten, wird sich wohl in rasender Geschwindigkeit ein Trend fortsetzen, der schon jetzt immer mehr um sich greift. "Ich brauche kein UKW-Radio mehr, da läuft doch ohnehin nur Schrott", höre ich immer häufiger von Freunden und Bekannten. Da wird lieber zum iPod oder zum Internet-Radio mit seiner schier endlosen Programmvielfalt gegriffen. Was kann DAB+ also noch ausrichten? Eigentlich nicht mehr viel, denn es ist jetzt schon überflüssig (wie es auch DAB von Beginn an war). Nicht mal mehr die Freaks werden die neuen Empfänger kaufen, da sie mit ihrem "alten" DAB-Radio mal wieder unbrauchbaren Elektroschrott erworben haben. Der Durchschnittshörer, der überhaupt noch UKW nutzt, scheint mit dem aktuellen Angebot durchaus zufrieden zu sein. Sonst wäre er ja schon längst zum Internet-Radio 'übergelaufen'. Also sind eigentlich auch Zusatzangebote überflüssig. Mit Spannung sehen wir demnach der bevorstehenden Markteinführung des 'neuen' Digitalradios entgegen und fragen uns, wie viele Jahre diesmal vergehen werden, bis man auch dieses System inklusive aller Empfänger, die man optisch vielleicht schon von Beginn an mit einer Art Trauerflor schmücken könnte, wieder zu Grabe trägt. Eure Meinung zu diesem Thema ist wie immer gefragt: sina@public-files.de. Servus sagt Eure Sina |