"Manchmal
bin ich über mich selbst erstaunt, wie wunderbar ich mich heute doch
fühle. Ehrlich gestanden, als ich jung war, habe ich mich oft gefragt,
wie ich eines Tages wohl enden würde. Wo würde ich in zehn Jahren
stehen? Würde ich danni irgendwo im Straßengraben liegen, als
zugedröhnter Kiffer, und nicht mehr wissen, wie die Welt entstanden
ist. Oder würde ich mich in Golddukaten wälzen? Für uns gab es damals
einzig und allein die Musik, auf die wir uns voll und ganz
konzentrierten. Alles andere waren Nebensächlichkeiten. Zum Beispiel
auch Frauen, die, wann man sie heiratet, einen an Heim und Herd
ketten. Nichts konnten wir uns zu jenem Zeitpunkt
weniger vorstellen, als Gedanken an solche Dinge. Aber im Laufe der
Jahre verändert man sich und seine Grundeinstellung. Das einzige, was
sich nie geändert hat, ist die Liebe zur Musik.
Als wir 1993 die Shows mit Guns'n'Roses spielten, und das nach immerhin
acht Jahren Pause, entschieden wir uns spontan, noch eine komplette
eigene Tour dran zu hängen. Wir haben es wirklich nicht bereut. Auch
wenn es sich als etwas gewöhnungsbedürftig entpuppte, so fanden wir
durch diese Ereignisse doch wieder Gefallen an dem Projekt Rose Tattoo.
Ich meine damit auch den Kontakt zu den anderen, der über die Jahre
hinaus nur aus eineigen wenigen Telefonaten bestanden hatte. Danalch lag
das Ganze noch mal für eine Weile still. Und hier sind wir nun. Der
einzige Unterschied zu den frühen Rose Tattoo Tagen ist die Tatsache,
dass wir nicht mehr so viel saufen und keine Drogen mehr nehmen. Das ist
allerdings weniger eine Einstellungssache, als vielmehr dem Umstand zu
verdanken, dass wir bei dem Lotterleben, das wir geführt hatten
spätestens nach weiteren fünf Jahren die Radieschen von unten hätten
wachsen sehen können. Und dazu hatte ich eigentlich keine Lust. Einige
Zeit lang ist es mir wirklich dreckig gegangen, was das anbelangt,
sozusagen einer dieser dunklen Punkte im Leben, wie sie so manch einer
erlebt.
Es gab zu unseren Anfangszeiten wenige Menschen, die sich wirklich mit
uns identifizieren konnten, was unsere Einstellung und unsere
Vorgehensweise betrifft. ich hatte damals diese Band, "Buster
Brown", zusammen mit Geordy Leach und Phil Rudd, der heute für
AC/DC am Schlagzeug sitzt. Es war eher eine Eintagsfliege mit auch nur
einem einzigen Album im Gepäck. Dann bekam Phil das Angebot von Angus
und Malcolm Young, bei deren Projekt mitzumischen. Und das tat er danna
auch. Zuerst hatte er ein furchtbar schlechtes Gewissen uns zu
verlassen. Aber es hätte sowieso nur noch vier oder fünf Jahre
gedauert, dann wären wir ausgelaugt gewesen, und Buster wäre langsam
aber sicher zerbröckelt. Wir sind oft über#s Ziel hinaus geschossen.
Was glaubst du wohl, woher ich meinen Spitznamen habe? ich war agressiv
und streitlustig, oft betrunken und im Drogenrausch. Aber es gibt
irgendwann eine Grenze, ab der mein Körper das nicht mehr mitmacht,
dann wenn deine Verfassung zu heftig Einfluss auf deine musikalischen
Aktivitäten nimmt. Und dann waren da noch George Young (Angus Onkel)
und Harry Vandam die uns quasi als Rose Tattoo entdeckten. Die Beiden
bildeten in den Sechzigern ursprünglich die Formation "The
Easybeats".
The
Easybeats 1968
Das war eine fantastische Band. Ich besitze alle ihre Alben, und
hör sie mir heute noch oft an. Das ist wirklich gute Popmusik. Sie ist
mir ans Herz gewachsen. ich erinnere mich noch gut an die Beiden, wie es
war, wenn sie ins Studio kamen und etwas zusammen zimmerten. Wir trafen
uns, und ich kam daher mit einer harmlosen Melodie, die sie dann total
veränderten. Manche Stücke verewigten George und Harry unter ihrem
späteres Bandnamen "Flash & The Pen". Diese Gruppe war
übrigens die erste weltweit, die die sogenannte Telefonstimme publik
und populär machte. Aber langer Rede kurzer Sinn, Young und Vanda waren
für einiges verantwortlich, was die Entwicklung von Rose Tattoo betraf.
Rose Tattoo ist eine sehr heftige, laute Bluesband. Songs wie "Butcher"
und "Fast Eddy" sind ziemlich düster. "Assault And
Battery" ist noch dunkler. Die Titel finden sich auf dem Album
"Rock'n'Roll Outlaw" wieder. Aber überhaupt ist Rose Tattoo
eine Band aus der Schattenwelt. Es ist keine Gruppe für die Mainstream
Massen. Wir präsentierten stets die deplatzierte, nicht funktionierende
Gesellschaft. Wir haben zum Beispiel auch nie viele Songs über Frauen
geschrieben, Auf der 83er Album "Scarred For Life" ist ein
Titel "Sydney Girls", der sich auf meine Erfahrungen an der
Highschool bezieht. Aber im allgemeinen gibt es wenige strahlende
Momente auf unseren Platten. ich schreibe über Lebenserfahrung, einfach
über Dinge, vn denen ich weiß, dass ich sie weiß, beziehungsweise
kenne. ich weiß, was es heißt ein Kind zu verlieren. Keiner kann mir
weis machen, dass er dieses Gefühl versteht, wenn er es nicht am
eigenen Leib erfahren hat. oder weißt du etwa, wie es ist von einem
Haifisch gebissen zu werden? Ja, du sagst, du weißt das, - aber in
Wirklichkeit eben nicht, da du noch nie gebissen worden bist, quasi du
noch nie diese Erfahrung gemacht hast. Und genau das ist der springende
Punkt. Ich schreibe nur über Dinge, die ich wirklich weiß, erlebt und
tief gefühlt habe. "Beats From A Single Drum" war nie als
Rose Tattoo Album gedacht. Die Band gab es zu dem Zeitpunkt nicht mehr
wirklich. ich meine, eigentlich gab es sie schon noch, aber es handelte
sich dabei um eine Schöpfung, die in sich selbst existierte, egal wer
gerade mit von der Partie war. 1986 befand ich mich nun einmal in der
schmerzlichen Lage, Rose Tattoo verlassen zu müssen, - die größte
Liebe meines Lebens, abgesehen von meinen Kindern. Ich hatte einfach
eine Tür zugemacht und mich umgedreht. Ich habe nicht einmal zurück
geschaut. Eigentlich war das ziemlich feige von mir. Aber ich litt unter
Selbstzweifeln, die mich veranlassten, diesen Schritt zu unternehmen.
Allerdings hatten die Labelbosse ein Problem mit mir als Solokünstler.
Zur selben Zeit stach ein Musiker namens Jimmy Barnes von der Rockband
"Cold Chisel" heraus, der ebenfalls auf Solpfaden wandelte.
Jimmy
Barnes 2002
Sie wollten verhindern, dass wir uns gegenseitig in die Quere kämen,
und sich ein erbarmungsloser Konkurrenzkampf entwickeln würde. Also
kamen die Business-Leute auf mich zu und meinten: "schau, wir
wollen dieses Albu unter dem Namen Rose Tattoo
veröffentlichen".Ich entgegnete:"warum veröffentlicht ihr
nicht Jimmy Barnes unter Cold Chisel? Aber Cold Chisel gab es nicht
mehr. Okay warf ich ein, es gibt auch keine Rose Tattoo mehr. Nun, in
dem Fall saßen sie am längeren Hebel, und meine Platte erschien unter
dem Bandnamen. jeder wusste Gott sei Dank, dass sie nur von mir stammte
und sonst niemand daran beteiligt gewesen war. In Amerika und Europa
hingegen beließen wir das Produkt bei seinem ursprünglichen Namen
unter Angry Anderson.Es gibt auf "Beats From a Single Drum"
einen Track mit dem Titel "Winnie Mandela". Ich habe ihr Buch
gelesen. Sie war die meiste Zeit ihres Lebens verheiratet, aber da ihr
Mann über 20 Jahre lang im Gefängnis saß, hatte sie nicht sehr viel
von ihrer Ehe. ich habe die gleiche Erfahrung gemacht in der Hinsicht,
dass ich ein Kind ohne Vater war. Und wenn er sich mal blicken ließ,
dann hat er nur Unruhe und Ärger verursacht. Das einzig Gute daran war,
dass er eben nicht oft da war. Man darf das nicht verwechseln. Ich
schreibe keine Songs, die von Schmerzen handeln, ich schreibe nur über
Erfahrungswerte; ob das die schmerzhafte Trennung von meiner Frau war
oder dieKindheitserinnerungen, die u.a. sexuellen Mißbrauch enthalten,
den ich noch heute vor Augen habe, so als wäre alles gestern gewesen.
Wunden vernarben zwar, aber man vergisst sie nicht. Dazu kamen die
schmerzlichen Erlebnisse, was eben Alkohol und Drogen betraf.
Gitarrist
Pete Wells und Angry 2002
Aber zurück
zu Rose Tattoo. Bei allem, was ich nebenbei in meinem Leben gemacht
habe, seien es die Filme, die Musicals, die
Wohltätigkeitsveranstaltungen oder meine zweite Band "The
Partyboys", - so waren Rose Tattoo doch nie ganz verschwunden und
geistig stets gegenwärtig. Ich konnte diesen Spirit, dieses Pseudonym
nicht los werden. Immer wieder vergingen zwischendrin zwei oder drei
Jahre, bis ich mir sagte, okay, lass uns die Band wieder zusammen
bringen, ich habe Bock darauf. Ich habe zwar viele erfolgreiche Dinge
gemacht in der Zwischenzeit. Beispielsweise gab es da die beiden
TV-Serien über einen Zeitraum von 10 Jahren. Dann gab es drei Kinofilme
und drei Musicals. bei denen ich ebenfalls involviert war.Ich habe für
einige Zeitschriften geschrieben. Und auch im sozialen Bereich nenne ich
ein Betätigungsfeld mein Eigen, das ich nicht missen möchte. Es ist
heute sogar so, dass mich in Australien viele Menschen zwar unter meinem
Namen Angry Anderson kennen, aber nicht wissen, dass ich in einer
Rockband bin. Dabei handelt es sich speziell um ältere Mitglieder des
Rotary Clubs, dieser weltweiten Einrichtung, die Geld für verschiedene
wohltätige Zwecke sammelt. Wir holen zum Beispiel Kinder aus der
dritten Welt nach Australien, damit sie hier die richtige medizinische
Behandlung und Versorgung bekommen. Die Lage in Down Under ist
inzwischen so weit gediehen, dass mir Leute vorschlagen, ob ich mich
nicht für den Job des Premierministers bewerben wolle. Jeder kennt
mich. Aber das wäre dann doch zuviel des Guten.Meine Vergangenheit
hätte, wie schon vorhin erwähnt, zu viele dunkle Punkte. Wäre ich
nicht in einer bekannten rock'n'Roll Band gewesen, wäre ich nicht nur
einmal im Gefängnis gelandet. Aber dieser Umstand hat mir so manches
Mal die Haut gerettet. Die Siebziger und Achtziger Jahre hatten es
wirklich in sich. Ich erinnere mich einfach zu oft, teils gewollt, teils
ungewollt, an die Vergangenheit. Aber wir leben heute. Ehrlich
gestanden, ich weiß noch nicht, wie es weiter gehen soll. Nach dem
Album "Pain" vor drei Jahren und den relativ
erfolgreichen Tourneen. Das steht noch alles in den Sternen.
Rose Tattoo 2003
Discographie
Rose Tattoo 1978
Rock'n'Roll Outlaw 1980
Assault & Battery 1981
Scarred For Life 1983
Southern Stars 1984
A Decade Of Rock 1986
Beats From A Single Drum 1986
- Angry Anderson
Rose Tattoo 25 To Life 2000
Pain 2002