DAS FAREWELL INTERVIEW



1. Deine „Farewell Tour“ scheint die längste Abschiedstour Tour zu sein, die es je gegeben hat. Du bist damit seit mehr als drei Jahren unterwegs, wie kam es dazu?
“Anfänglich waren nur 60 Konzerte geplant, aber als wir dann in den verschiedenen Städten spielten, waren wir sehr schnell ausverkauft. Wir haben zum Beispiel sechs Mal im Madison Square Garden gespielt, kamen zurück und verkauften noch einmal sechs Mal aus. Oder wir spielten sechs Mal in Chicago, und fünf Mal in Miami. Es ist ja nicht so, dass ich die Tickets drucke und sie selber kaufe! Jedenfalls hatten wir irgendwann über 200 Konzerte gegeben, und eigentlich hätten es noch mehr werden können, aber ich sagte, ich kann nicht mehr, ich brauche eine Pause. Außerdem wollten wir ja auch nach Europa kommen, aber dann marschierten wir in den Irak ein und deshalb dachten wir, es wäre vielleicht keine günstige Zeit. Ich bin mir nicht sicher, ob unser Timing jetzt besser ist, aber jetzt kommen wir auf alle Fälle. Und außerdem ist es ja meine letzte Tour, das heisst, die letzten 200 Konzerte und noch mehr, es wird die letzte Tour sein, die ich machen werde.“

2. Man soll ja nie nie sagen, aber vielleicht wirst du ja doch noch mal auf Tour gehen?
„Nein, auf keinen Fall. OK, wenn man mich nicht kennt, aber: das war’s.“ 

3. Was glaubst du, ist an deiner Show so besonders?
„Sie ist wirklich gut! Wirklich gut. Ich glaube, wenn jemand anderes mit dabei wäre, wäre es auch in Ordnung, aber die Leute, die ich jetzt dabei habe, sind wirklich außerordentlich talentiert. Die Show ist wirklich lustig, sie ist auch etwas albern, eigentlich ist es mehr eine Zirkus-Inszenierung als ein Konzert. Es ist fast eine Klamotte, so fern jeder Realität und ich glaube das ist einer der Gründe, warum die Leute sie gerade jetzt so sehr lieben. Momentan müssen wir uns alle so harten Realitäten stellen, und diese Show ist einfach ein Riesenspaß und sehr viele Leute kamen immer und immer wieder, wie bei der Rocky Horror Show. Einige kamen sogar mit Kostümen und so weiter. Wenn ich zum Beispiel irgendwo vier Mal gespielt habe wurde es mir fast peinlich und ich fragte „OK, wie viele von Euch haben die Show schon gesehen?“ und alle haben applaudiert und ich sagte dann „Gut, ihr werdet die gleiche Show noch einmal sehen!“ Es wurde wirklich immer mehr wie bei der Rocky Horror Show: Du kommst in eine Stadt und weißt, dass alle die Show schon mal gesehen haben. Die Show wurde sogar bereits im Fernsehen ausgestrahlt und ich dacht, dass jetzt wirklich keiner mehr kommen würde, weil sie alle die Show gesehen haben, aber die Tickets verkauften sich dann plötzlich doppelt so schnell wie vorher! Und statt drei Konzerte zu geben, haben wir dann wieder fünf in einer Region verkauft.“ 

4. Was können Fans, die deine früheren Shows kennen, von der neuen Tour erwarten?
„Wenn man meine Konzerte kennt, weiß man, welche Art von Show ich mache. Dies ist wieder eine Show, wie ich sie mag. Und sie ist, denke ich, die beste Version aller meiner Shows. Ich denke, es ist wirklich die beste Show, die ich je gemacht habe. Es ist wirklich die Art von Show, wie ich sie mag. Ich meine… der Direktor schreibt ein Script, dann setzen wir uns zusammen und arbeiten es aus und wir sagen dann „Oh, das wird gut, und wie wär’s damit…“ und so weiter. Es ist wirklich keine Wissenschaft, eher ein paar Mädels mit Träumen darüber, was lustig wäre. Und bei dieser Show haben wir über Millionen Sachen geredet, wir haben uns gedacht: „Wäre es nicht lustig, direkt von der Decke zu schweben, 15 Meter von der Decke hinunter?“ Und dann, als es soweit war, dachte ich nur „Hab ich nicht eigentlich Höhenangst?“ Es ist wirklich so, dass wir nichts direkt planen und als ich dann das erste Mal dort oben hing habe ich nur gedacht „Oooohkay, da musst Du jetzt durch!“ Wir haben einfach alle Grenzen überschritten, in unserem Kopf, bis an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit.“

5. In dem Konzert lässt du dein Leben und deine lange Karriere Revue passieren. Wie fühlst du dich dabei, gibt es manchmal auch sentimentale Momente auf der Bühne?
„Die sentimentalen Momente kamen eher, als wir die Show zusammengestellt haben. Als wir uns die Sachen ausgedacht und alles angeschaut haben und alles zusammengefügt haben, alle Teile. Jetzt, wenn wir auftreten, bin ich voll dabei. Ich bin ganz in der Aufführung, ganz dabei, es zu genießen. Ich versuche eher, dass das Publikum sentimentale Momente hat, dass sie denken „Oh, ich weiß, wo das war“ oder „Als sie das gemacht hat, war ich noch gar nicht geboren“. Denn es sind wirklich die unterschiedlichsten Altersgruppen bei meinen Konzerten.“

6. Gibt es einen Teil in der Show, den du besonders magst?
„Nein…, ich denke, wenn man die Show sieht, jeder Teil ist ganz verschieden. An einigen Abenden sind es die Teile… also, wir haben einige neue Teile für die Europatour zusammengestellt, und ich freue mich schon sehr auf diese Teile, vielleicht weil sie so neu sind. Es ist wie bei einer Broadway-Show, wenn man so viele Menschen jeden Abend bewegt, und dann ist es wieder… Ich meine, ich habe die Show jetzt über 200 Mal aufgeführt und doch ist es immer wieder ein großer Moment, und ich bin aufgeregt und fühle mich mit den Menschen verbunden. Ich weiß, das klingt abgehoben, aber ich denke wirklich, dass ich zu jedem in der Halle eine Verbindung aufbauen kann. Ich weiß nicht wie, aber ich weiß, dass ich es kann. Es macht vielleicht nicht viel Sinn, dazu fähig zu sein, aber ich weiß, dass ich es kann.“ 

7. Lässt sich diese Show so ohne weiteres auf Europa übertragen, schließlich kennt man dich und die Details deiner Karriere in Amerika seit über 40 Jahren?
„Ja! Es gibt zwar Dinge, die ich hier machen kann, die sich nicht so ohne Weiteres übertragen lassen, weil mich hier jeder kennt, seit ich 18 war. Und sie haben alle meine Shows gesehen und meine Filme und wissen sehr viel mehr über mich, meinen Sinn für Humor. Es gibt Dinge, die ich hier sagen kann, die für Amerikaner wirklich lustig sind, und die man nicht einfach übertragen kann. Deshalb habe ich jetzt einige extra Songs dazu genommen. Ich habe eine sehr merkwürdige Art von Humor, aber die Leute hier verstehen dass, während es die Leute woanders vielleicht nicht verstehen. Ich habe zum Beispiel neulich ein Interview mit einer englischen Zeitung geführt und man fragte mich, warum ich so schlimme Sachen über Jennifer Lopez, Britney Spears und Christina Aguilera sage und ich sagte, dass ich über alles möglich spreche, auch über Drag Queens und so. Manchmal schweife ich eben einfach ab und rede über alles mögliche, und in Amerika machen die Menschen einfach mit und das lässt sich nicht einfach nach Europa übertragen, aber der größte Teil der Show schon. “
 
8. Was sind denn jetzt die ausschlaggebenden Gründe dafür, dass du deine Abschiedtournee gibst, wo es doch so gut läuft? Fühlst du dich zu alt oder hast du möglicher Weise keine Lust mehr?
„Also, ich habe da diese Theorie, so eine Art Michael Jordan-Theorie (lacht). An einem bestimmten Punkt, wenn man denkt, dass man wirklich gut ist, so wie während dieser Show, von der ich denke, dass es wirklich die beste ist, die ich je gemacht habe. Und wenn ich jetzt noch einmal touren würde, wäre das in drei Jahren und ich möchte nicht…, ich möchte mich einfach mit etwas verabschieden, das wirklich großartig ist. Ich möchte nicht mit etwas wieder kommen, von dem die Leute sagen, das es ja ganz gut wäre, aber nicht so gut wie das vorherige. Es ist also wirklich wichtig. Aber es ist ja nicht so, dass ich in einer Höhle leben werde! Es gibt noch eine Menge Dinge, die ich machen will.“ 


9. Diese Tour ist die erfolgreichste Tour, die eine weibliche Künstlerin je auf die Bühne gebracht hat, hat das einen besonderen Stellenwert für dich? Ist es vielleicht auch eine Art Genugtuung?
„Ich denke nicht so viel darüber nach. Ich glaube, ich denke eigentlich nie darüber nach. Als Statistik ist es natürlich klasse, aber dann vergisst man es auch einfach.“ 

10. Sind Erfolg und Anerkennung des Publikums eine Art Droge für dich?
„Ich bin mir nicht sicher, dass es wie eine Droge ist. Aber es ist toll…wenn alles richtig gut läuft, wenn alles so gut klappt, ist es wie eine große Party! Und Du bist sozusagen einer der Partygänger. Wenn es richtig gut funktioniert, geht es nicht so sehr um die Arbeit. Die Arbeit fließt quasi aus Dir heraus und es ist mehr Du und das Publikum, so wie Tennis: sie geben, Du gibst zurück, sie geben, und Du gibst zurück und es wird größer und größer. Also, ja, es macht Spaß! Ich bin nicht einer dieser verrückten Typen, die ständig auf Tour sind. Natürlich habe ich es auch getan, aber es ist sehr harte Arbeit, man muss schon sehr hart sein, um das zu können. Ich bin nicht so viel auf Tour gewesen wie andere. Nicht, dass ich nicht auch meinen Teil dazu beigetragen habe, aber es ist nicht etwas, was mir leicht fällt, denn es ist hart. Klar, die Show macht natürlich meistens Spaß, aber jede Nacht durchzuhalten, in irgendwelchen unbekannten Städten, ohne viel Schlaf… Das ist das Schwerste daran. “

 
11. Warum hast du eine so unglaubliche große Fangemeinde, bist du glaubwürdiger als andere Künstler?
„Absolut nicht. Ich weiß nicht, ich habe keine Ahnung. Ich werde ständig gefragt, was das Geheimnis meines Erfolges wäre. Es ist Glück, einfach pures Glück! Und ich denke, es liegt daran, dass ich sehr viele verschiedene Sachen mache. Wenn ich irgendwo einen Misserfolg habe, höre ich nicht auf, sondern mache einfach woanders weiter. Ich probiere alles, es ist mir egal. Für mich ist das alles Kunst.“
 
12. Viele deiner Fans rekrutierst du auch aus der homosexuelle Szene. Hast du eine Erklärung dafür?
„Ich glaube, ich habe immer… es hat immer eine Anziehung zwischen uns gegeben. Ich habe eine Millionen schwule Freunde, aber das macht es nicht aus. Ich glaube, gerade schwule Männer: entweder sie mögen Dich oder lieben Dich oder scheren sich einen Teufel um Dich (lacht). Ich glaube, dass gerade schwule Männer sehr überschwänglich sind und sich sehr bemühen, ihr Leben in vollen Zügen zu genießen. Und scheinbar gibt es einige Frauen, die eine Anziehung für sie darstellen und ich bin sehr froh, eine davon zu sein, denn sie sind sehr treue Fans. Wenn viele Dich im Stich lassen und meinen, Deine Zeit wäre vorbei, dann halten sie zu Dir.“ 

13. In deinen Shows gibt es die ein oder andere Spitze wie: „Try to top this“ oder “Follow this you bitches“. Ist das eine Botschaft an alle Britneys und Jennifer Lopez dieser Welt?
„Ach, dass fing alles damit an, dass ich es einfach irgendwann mal sagte… Als ich die Tour zusammengestellt habe, war ich sehr nervös, denn ich denke, ich bin momentan die Älteste auf Tour, oder? Ich war also sehr nervös und wollte es wirklich gut machen, schließlich ist es ja auch meine letzte Tour! Als ich das also das erste Mal sagte, reagierte das Publikum sofort. Ich sagte, kommt schon, es gibt doch all diese jungen Dinger, die jetzt nachkommen, Britney, JLo…, und alle schrien „Buuuh“ und so bekam das ganze eine Eigendynamik, etwas, was wir alle zusammen taten. Und dann sagte ich, kommt, das ist nicht richtig, dass ist wirklich unter eurem Niveau und blablabla, aber dann sagte ich: „OK, ich mag sie auch nicht!“ Also eigentlich wirklich nur lächerlich. Und dann, am Ende der Show sage ich: „Willkommen zur CHERigsten Show der Welt und ich habe noch eine Sache zu sagen…“ und dann drehe ich mich zum Publikum und sage „Macht’s mir nach, ihr Schlampen!“ und dann gehe ich von der Bühne! Für das Publikum in Amerika ist das immer ein Riesenspaß. Ich meine, ich rede über Drag Queens, Penisverlängerung, ich rede über alles, denn in meinem Kopf geht es einfach immer weiter. Aber auf der Bühne weiß ich, dass ich alles sagen kann, dass mir das Publikum eine Chance gibt, denn sie wissen, dass ich das alles nicht so ernst meine. Auch wenn ein Funken Wahrheit dran ist, es ist vielleicht etwas, was eigentlich jeder gerne sagen würde, aber es traut sich keiner, weil es politisch nicht korrekt ist. “ 
14. Hast du von der anderen Seite bereits Reaktion bekommen?
„Nein, ich glaube nicht, dass sie überhaupt davon wissen. Andererseits, irgend jemand müsste es ihnen eigentlich inzwischen erzählt haben, aber es ist nicht so, dass sie mich anrufen oder sagen, CHER ist eine Schlampe. Andererseits: es würde mich nicht kümmern.“ 
15. Wie denkst du über die Musik von Britney oder J.Lo?
„Naja, ich denke schon, dass man natürlich irgend eine Art von Talent haben muss, um berühmt zu werden, sei es vielleicht einfach das Talent, in zu sein, oder modisch oder sich einfach von der Masse abzuheben. Ich denke, dass ist es, was Madonna so gut macht! Madonna ist jedem immer fünf Schritte voraus, wenn es darum geht, was der neuste Trend ist, sie ist unglaublich stylisch. Wie auch immer, sie sind alle auf ihre Weise kreativ. Aber sie geben leichte Zielscheiben ab, weil sie so jung sind. Deshalb komme ich auch damit durch.“ 

16. Und was hältst du von J.Lo’s Filmen?
”JLo macht sich wirklich gut. Alles, was sie macht, macht sie gut. Ihre Filme sind sehr erfolgreich. Britney hat meines Erachtens ja keine Filme gemacht, oder doch, sie hat einen gemacht, aber daraus wurde wohl nicht viel.“

17. Was hältst du von Pink, ist sie anders als die anderen?
„P!NK hat Stil und ihre Musik ist wirklich interessant, sie ist nicht schablonenhaft. P!NK hat eine bestimmte Formel, P!NK sieht nicht so aus, als ob sie in einem Tanzstudio konzipiert wurde, mit all den Stylisten drum herum, die alle ihre Besonderheiten wegpolieren. Und ich glaube, das war genau so, als ich angefangen habe. Man hatte eine Vorstellung und einen eigenen Stil. Man arbeitet dran und war hart. Wir waren keine Diamanten, wir waren nicht von Beginn an Diamanten. Ich denke, dass ist das Problem für die Stars von heute. Denn da sind diese ganzen Menschen um einen herum, und die geben einem alles, das heißt, man ist sofort da, ein Packet, rundum perfekt. Und das ist etwas, was ich an P!NK mag, sie macht ihr eigenes Ding, sie ist nicht so perfekt, sie hat Ecken und Kanten.“

18. Irgendwann wirst du tatsächlich das letzte Konzert deiner Abschiedstour geben. Macht dich das traurig wenn du daran denkst?
”Ich denke, ich werde mit Sicherheit traurig sein, aber ich denke nicht ständig an das letzte Konzert. Denn das kommt, wenn es kommt und dann werde ich herausfinden, wie es sich anfühlt. Ich kann nicht in die Zukunft sehen, ich kann nur sehen, wie es sich in diesem Moment anfühlt. Ich plane nie meine Karriere, selbst diese Tour war ja so nicht geplant! Es waren eigentlich 59 Shows, und daraus wurden 202!”

19. Du wirst jetzt nach Europa auf Tour kommen, was machst du im Anschluss daran?
”Naja, ich komme hierher zurück und werde quer durch Amerika touren und dann nach Australien gehen. Und danach, glaube ich, war’s das dann.“

20. Wird man dich im Anschluss daran wieder vermehrt in Filmen sehen?
”Ja, während dieser Tour habe ich ja schon einen Film mit den Fairley Brüdern und Matt Damon gedreht, er heißt „Stuck on you“. Also, ja, ich würde gerne noch weitere Filme machen, ich würde auch gerne an den Broadway, es gibt viele Dinge, die ich machen will. Ich würde gerne nach Afrika gehen und es gibt viele Charity-Aktionen, denen ich mich sehr verbunden fühle und die ich gerne unterstützen würde. Und ich würde gerne einfach etwas Spaß haben, zum Beispiel ganz frivol sein und nach Frankreich gehen, einfach mal ein Faulpelz sein.“


21. Hast du auch bereits ein neues Album im Planung?
“Ich soll eine Platte aufnehmen, ich bin vertraglich gebunden, eine Platte aufzunehmen und das wird bestimmt lustig, denn ich werde etwas ganz anderes machen, das wird bestimmt interessant.”

22. Du willst musikalisch ein anderes Album machen, kannst du das Geheimnis ein wenig lüften?
“Oh, das ist kein Geheimnis. Ich werde mehr das machen, was ich früher gemacht habe, mehr Rock’n’Roll. So ähnlich wie “Turn back time”. 

23. Du bist nicht nur Sängerin sondern auch Schauspielerin. Was liebst du mehr?
”Das sind wirklich sehr verschiedene Dinge. Die Schauspielerei ist mehr introvertiert, auf eine Art tiefsinniger. Es geht nicht um große Gesten, es geht um die kleinen Gesten, um kleinere Mimik. Musik und Konzerte sind genau das Gegenteil! Es könnte nicht verschiedener sein. Es geht um die GROSSEN Gesten, um die GROSSEN Kostüme, die GROSSEN Auftritte. Ich mag beides sehr gerne. Ich kann mich nicht nur auf eine Weise ausdrücken, das funktioniert einfach nicht. Ich mache gerne viele verschiedene Sachen.“

24. Du hast schon unzählige Auszeichnungen bekommen, unter anderem einen Grammy und einen Oscar. Welche Auszeichnung hat für dich den höheren Stellenwert?
“Der Oscar! Denn ich denke für jemanden, der eigentlich Sänger ist, einen Oscar zu gewinnen…! Für jemanden, der ein Sänger ist, einen Grammy zu gewinnen, ist natürlich toll, aber das ist sein Job! Aber für jemanden, der ein Sänger ist, einen Oscar zu gewinnen, das ist viel schwerer.“

25. Du kannst auf eine unglaublich erfolgreiche Karriere zurückblicken. Welche Ziele hast du noch vor zu erreichen?
”Eigentlich habe ich nie Ziele. Ich nehme mir nichts bestimmtes vor, wie zum Beispiel „Geh und besteig den Kilimandscharo!“ Ich nehme mir nur vor, ganz allgemein etwas zu tun. Und deshalb komme ich immer in Schwierigkeiten! Es fängt immer damit an, dass ich sage „Oh, das hört sich nach einer Menge Spaß an!“ und dann geht’s los und ich werde total nervös, aber dann ist es zu spät und ich stecke mitten drin. Und jedes Mal, wenn ich etwas machen soll, kurz bevor ich es machen soll, will ich am liebsten aussteigen. Ich werde richtig panisch. Ich fange immer damit an, dass ich sage „Oh, das hört sich nach einer Menge Spaß an!“. Wie zum Beispiel nach Europa zu gehen - „Oh, das hört sich nach einer Menge Spaß an!“ Oder die Tour zu beginnen - „Oh, das hört sich nach einer Menge Spaß an!“ Ein Film mitten während der Tour zu drehen - „Oh, das wird hart, aber es hört sich nach einer Menge Spaß an!“ Ich sollte diese Worte wahrscheinlich besser nie sagen!“

26. Du eröffnest dein Konzert grundsätzlich mit dem U2-Song „I still haven’t found what I’m looking for“. Darf man da eine tiefere Bedeutung vermuten?
”Ja, damit fange ich IMMER an. Es ist so, dass ich diesbezüglich auch etwas abergläubisch bin. Wirklich, das bin ich. Dieser Song bedeutet mir mehr als jeder andere Song. Es ist zwar nicht mein Song, aber seine Bedeutung schwebt mir immer im Kopf, er verdeutlicht, was mein Leben ist.“

27. Was sind die Schattenseiten deines Erfolgs, welchen Preis musst du bezahlen?
„Man muss mit vielem bezahlen: man hat keine Privatsphäre; wenn man einen Fehler macht, kann jeder es sehen; die Leute sagen Dinge über Dich, die einfach unglaublich sind, man muss sich ständig verteidigen, man muss seinen Freund oder Ehemann verteidigen, und die Leute sagen einem gemeine, verstörende Dinge ohne wirklichen Grund, einfach nur, weil man oben ist und sie einen runter holen wollen. Die Leute machen einen berühmt ohne bestimmten Grund und genauso lassen sie einen auch ohne bestimmten Grund fallen. Aber, ich wollte dieses Leben! Als ich jung war, hatte ich keine Ahnung, was für ein Leben mich erwarten würde, aber ich wollte es unbedingt! Natürlich gibt es Nachteile, aber es gibt ja in jedem Job Dinge, die gut und Dinge, die schlecht daran sind. Es gibt auch tolle Sachen: ich habe so viele Leute kennengelernt, ich habe wirklich tolle Sachen erlebt. Aber manchmal ist das Fehlen jeglicher Privatsphäre schon störend. Da klettern Leute in Deinen Garten, um Bilder von Dir im Schlafzimmer zu machen, oder sie durchwühlen den Müll oder sie springen plötzlich aus irgendwelchen Büschen, um Dich zu erschrecken und ein Foto zu machen. Aber so ist das halt, das ist ein Preis, den Du zahlst…“
28. Ist es schwierig für dich einen geeignete Partner zu finden?
„Es muss schon ein ganz besonderer Mensch sein. Es muss jemand sein, der keine Angst hat, Mr. CHER zu sein. Und die meisten Männer können das nicht, ich meine, es gibt nur wenige Männer, die ein Ego haben, das nicht unbedingt vor meiner Person selbst, aber vor dem, was ich mitbringe, meinen Lebensstil Angst haben. Ich hatte mal einen Freund, den ich sehr geliebt habe, er war der liebste Mensch auf Erden. Aber aus irgendeinem Grund hatte die Presse beschlossen, ihn fertig zu machen. Er war nicht berühmt, er hat in einer Großbäckerei gearbeitet. Er und ich hatten eine tolle Partnerschaft, aber es war wirklich schwer für uns, diese Partnerschaft aufrechtzuerhalten, mit all diesen bösen Einflüssen von außerhalb, von Menschen, die ihn überhaupt nicht kannten! Er bot wohl ein einfaches Ziel.

29. Macht dich das traurig?
„Naja, es macht es sehr schwer, eine Partnerschaft zu führen, wenn diese ständig unter Druck gesetzt wird. Und dann sind die Leute deiner müde, und man wird unter Druck gesetzt, indem man zu den verschiedenen Leuten geht und ihnen erzählt, was man den Tag über gemacht hat und dann hört man nur, dass es sie nicht interessiert. Das ist wirklich eine Zwickmühle. Ich meine, ich habe tolle Beziehungen gehabt, ich habe fantastische Zeiten erlebt. Aber es gibt nicht viele Männer, die den Mut haben, sich dem zu stellen. 

30. Glaubst du, dass Männer Angst vor selbstbewussten prominenten Frauen haben, wie dir?
„Tja, wenn sie nicht genug eigenes Selbstbewußstsein haben… Ich kann ja auch vor einem berühmten Mann stehen, ohne gleich in Ohnmacht zu fallen! Aber es sind eher die Frauen, die kein Problem damit haben, Mrs. Somebody zu sein, die das sogar wollen. Es ist eine leichtere Rolle für Frauen, Mrs. Somebody zu sein. Ich finde nicht, dass Männer sehr gut damit umgehen, dass einige Frauen sich selbst genügen. Aber ich denke, dass gerade das sehr positiv ist. Denn zu Zeiten meiner Mutter haben wir Frauen euch Männer doch echt verarscht! Eure Egos zu streicheln war doch verlogen! Ich finde, es ist doch viel besser zu wissen, dass jemand mit Dir zusammen sein will, nicht nur weil er denkt, dass er Dich braucht. Ich brauche so etwas nicht von einem Mann. Ich will eine Partnerschaft. Es gibt nichts, wovon ich bei einem Mann abhängig sein müsste, ich habe alles, was ich brauche.“ 

31. Du hast zwei Kinder. Einen Sohn und eine Tochter. Bist du deiner Meinung nach eine bessere Künstlerin oder eine bessere Mutter?
„Oh, ich bin eine bessere Künstlerin. Ich meine, ich bin keine schlechte Mutter, ich denke sogar, dass ich eine gute Mutter bin, aber es ist sehr schwer, eine Künstlerin und gleichzeitig eine vollwertige Mutter zu sein. Auf der anderen Seite bin ich mir nicht sicher, ob ich eine bessere Mutter wäre, wenn ich den ganzen Tag bei einer Bank arbeiten würde und erst abends zu meinen Kindern nach Hause käme… Fast alle Eltern hier in Amerika arbeiten den ganzen Tag. Beide Eltern arbeiten, und wenn es nur einen Elternteil gibt, müssen die erst Recht arbeiten. Ich denke, ich hatte vielleicht sogar eine ganze Menge Zeit, die ich mit meinen Kindern verbringen konnte und wir sind immer noch oft zusammen. Auf eine Weise hat es sich also ausbalanciert, aber es war mit Sicherheit keine normale Kindheit!“

32. Im Jahr 2006 wirst du 60. Ist das für dich was anderes als dein 50. Geburtstag?
„Oh Gott, ich bin eigentlich schon so alt, dass das auch keinen Unterschied mehr macht! Ich habe mein Verfallsdatum schon längst überschritten. Das paßt mir zwar nicht, aber so ist das nun mal. Ich meine, ich bin jetzt wirklich schon so alt, dass die 60 auch nicht mehr so viel bedeuten wird.“

33. Wenn du es dir aussuchen könntest, wie alt wärst du dann gerne?
„Ich mag vierzig. Vierzig war in tolles Alter. Wenn ich zurück gehen könnte, würde ich auf vierzig gehen, weil das fantastisch war. Es war ein fantastisches Jahr. Es war die beste Zeit. Es war das allerbeste Jahr in meinem Leben.“ 

34. Warum war dein 40. Lebensjahr dein bestes?
„Oh, meine Kinder wohnten noch zu Hause, ich hatte diesen unglaublichen Freund, ich habe in dem Jahr drei Filme gedreht, ich habe ein Album produziert, ich habe eine Tour gemacht, ich habe den Academy Award gewonnen, es war wirklich eine tolle Zeit! “ 

35. Du giltst nach wie vor als Sexsymbol, wenn auch für ein älteres Klientel. Macht dich das nach wie vor stolz?
„Naja, es stört mich nicht. Es könnte ja auch schlimmer sein, oder? (lacht) Das ist doch besser, als wenn sie sagen würden „Oh, sie ist so eine arme, alte Frau, sie ist so runtergekommen. Würde sich jemand erbarmen, mit ihr Sex zu haben, wenn er dafür ein paar Hunderter bekäme?“ (lacht) Ich denke, die Frage beantwortet sich von selbst.“
36. Wenn du auf Tour bist, hast du dann ein spezielles Fitnessprogramm um dich fitt zu halten?
„Nein, ich versuche, ein bisschen zu trainieren, um bei Kräften zu bleiben. Die Show ist hart, aber es ist vor allem der Lebenswandel, der einen mitnimmt. Man hat unmögliche Zeiten und die innere Uhr wird total verdreht. Wenn ich zu Hause bin, habe ich mein festes Trainingsprogramm, das ich sehr mag. Ich mache das jetzt schon so lang, das mein Tag quasi damit beginnt.“ 

37. Legst du auch Wert auf deine Ernährung?
„Ja, ich mag sehr gerne gutes Essen. Ich meine, ich mag nicht einfach irgendwas. Ich mag zwar nicht so gerne Fleisch, aber ich mag ganz gerne Huhn oder Fisch. Brot ist mir egal, das Einzige, was ich wirklich gerne mag, sind Süßigkeiten. Ich halte mich da nicht so sehr zurück, um genau zu sein, halte ich mich überhaupt nicht zurück, aber das ist meine einzige Schwäche. Ich trinke nicht, ich rauche nicht, insofern…” 
38. Du hast in der Vergangenheit vielfach dein Aussehen und deinen Stil geändert. Was waren die Gründe dafür? 
„Naja, ich langweile mich schnell. Das ist zum Beispiel etwas, was ich an der Schauspielerei mag. Man ist eine andere Person, ein anderer Charakter, aber dann, wenn es vorbei ist, ist es vorbei. Man muss es nicht noch mal sein. Aber wenn ich ein Album aufnehme oder Konzerte geben, muss ich mich selber für mich interessieren. Und wenn ich dann so wie immer aussehe, ist das langweilig. Dann bin ich uninteressant. “

39. Bist du ein Fashion-Junkie?
„Um die Wahrheit zu sagen, bin ich meist mit Turnhose, bequemen Boots und alten T-Shirts unterwegs. Klar, für die Arbeit ist es gut, aber ansonsten kümmert es mich wenig. Ab und zu, ja, aber meistens ist es mir eigentlich egal. “ 

40. Du kommst im Rahmen deiner „Farewell Tour“ auch nach Deutschland. Woran erinnerst du dich, wenn du an Deutschland denkst?
„Ich habe eine Menge interessanter Erinnerungen, die erste ist aus 1966: Sonny und ich waren in Hamburg, in diesem wunderbaren Hotel am Wasser. Aber da waren auch so viele Fans, das wir umziehen mussten. Dann waren wir in einem „Schlosshotel“ auf dem Land, und das war so wunderschön und so viel lustiger, als wir jemals gedacht hätten. Und dann bei „Wetten, dass…?“, da war ich ja schon ganz oft. Einfach alberne Erinnerungen, lustige Sachen. Ich erinnere mich, als ich einmal bei „Wetten, dass…?“ war, da ist ein VW Käfer fast von der Bühne gefahren und wir standen Backstage und haben uns kaputt gelacht. Tja, es sind halt so dumme Sachen, die passieren, an die man sich erinnert. “

eine ganz normale Frau mit 58
anno 2004