1.
Wie willst du den
Flair von „Williamsburg” nach Deutschland bringen?
„Die Band besteht zum großen Teil aus Amerikanern. Und ich habe
das von Anfang an so geplant, weil amerikanische Musiker halt doch ein
bisschen anders spielen als das Deutsche
oder Engländer tun. Für mich haben diese Leute einfach dieses Gefühl,
was zum Beispiel Blues ausmacht, das ist bei denen genetisch. Man kann
das zum Beispiel bei diesen bulgarischen Mädchenchören sehen–
das sind ja unfassbar schwierige Harmonien, wir bräuchten
wahrscheinlich Jahre, um das zu lernen, aber die werden so geboren und
haben das irgendwie intus. Und so ist das mit Amerikanern auch
oft. Es ist halt ein lang gehegter Wunsch, wenn man so groß geworden
ist wie ich. In einer Generation, die keine musikalischen Roots hatte in
dem eigenen Land und die mit anglo-amerikanischer Musik groß geworden
ist, haben wir eine unglaubliche Leidenschaft dafür entwickelt. Wir
konnten das in meiner Jugend ja nirgendwo hören, da musste man sich
wirklich Winkel suchen. Man hat nachts unter der Bettdecke gelegen, hat
versucht, Radio Luxemburg reinzukriegen um irgendwas zu erhaschen. Was
ich heute so ein bisschen bemängele bei vielen Jungmusikern, die
irgendeine Musik machen und ihr dabei überhaupt nicht auf den Grund
gehen: Wo kommt das im Endeffekt her? Wir haben uns schon dafür
interessiert, was die Beatles machen oder was die Stones machen
- wo kommt das her, wo haben sie das hergeholt und wo sind ihre
Einflüsse? Und da kam man natürlich dann auch schon zu den
Blues-Musikern, und dafür hat man sich interessiert. Und wenn man dann
sein Leben lang eigentlich amerikanische Musik schreibt und das mit
deutschen Texten verbindet, ist natürlich immer ständig der Wunsch da,
irgendwann mal in das Ursprungsland zu gehen und auch mit diesen Leuten
dort zu spielen.“
2.
s.o.
„Ich hatte auch das unglaubliche Glück, dass diese Leute bereit
waren, mit mir zu spielen, und jetzt kommen einige hier rüber. Dazu
kommt dann Markus Winstroer, der Gitarrist, der aus Deutschland ist, den
wollte ich dabei haben. Und der Organist Alan Clark ist zwar Engländer,
hat aber sehr, sehr viel in Amerika gearbeitet, hat auch Produktionen
mit Tina Turner gemacht. Ich hoffe einfach, dass wir eine sehr gute Show
auf die Beine stellen und auch meinem Prinzip weiter treu sind, Musik
nicht zu reproduzieren, sondern jeweils an den Abenden zu kreieren. Das
ist mein Wunsch.“
3.
Wie ist die immer noch
aktuelle Platte „Williamsburg“ von deinen Fans aufgenommen worden?
„Die wurde sehr gut aufgenommen. Es gab ja bei der letzen Platte
„Nahaufnahme“ die Situation, dass das wohl für viele Fans ein
Experiment war, was sie erst nicht ganz nachvollziehen wollten. Ich habe
in den Konzerten damals gemerkt, dass man das moderieren musste. Aber
dann hat man die Kids musikalisch verführt und wir haben sie auch jeden
Abend immer gekriegt: am Ende gab es immer Standing Ovations. Während
ich bei „Williamsburg“ glaube – und auch in den jeweiligen
Chatrooms gesehen habe – dass
die Leute sich richtig freuen, diese Platte live zu hören. Und
die Konzerte werden ja auch nicht nur aus Williamsburg-Material
bestehen, sondern es werden natürlich auch Sachen gespielt wie
„Sexy“ zum Beispiel. Den Respekt muss man dem Publikum einfach
erweisen, die kommen da hin und es gibt ein paar Songs, die musst Du
einfach spielen, weil sonst die Leute auch zu Recht sauer sind.”
4.
Gibt es auch persönliche
Lieblingssongs, die du besonders gerne live spielst?
„Ja, es gibt ein paar Songs, die ich nach wie vor auch unglaublich
gerne spiele, wie zum Beispiel „Krieg“ und wie zum Beispiel „Mit
18“, was ja unglaublich lange her ist. Und was ich nie gedacht hab,
was aber bei den Birthday-Bashes gewählt wurde: „Taximann“! Ich hab
immer gedacht: Furchtbar, das live zu spielen, um Gottes Willen! Ich hab
mich immer geweigert; hab’s dann aber gespielt und hab dann
angefangen, es zu lieben. Ich weiß es noch nicht genau, ich habe eine
Liste aufgestellt von ungefähr 40 Songs, die wir proben werden, und
daraus wird sich dann die Setlist ergeben. Also weiß ich jetzt noch
nicht genau, was drin sein wird, aber all das würde ich auch wieder
gerne spielen.”
5.
Die Set-List steht
noch nicht fest, wie werden die Songs letztlich ausgewählt?
„Du übst immer eine ganze Menge Stücke und dann ergibt sich
ziemlich schnell eine Dramaturgie an Songs. Es kommt vor, dass wir im Übungsraum
anfangen, ein Stück zu spielen und ich weiß nach 32 Takten: Nee, das möchte
ich jetzt doch nicht so gerne. Das ist aber immer eine gefühlsmäßige
Sache.“
6.
Was wird bei den
anstehenden Konzerten anders sein als bei deinen Shows in den 90ern?
„Na ja, ich hab die Latte ja in den 90ern sehr hoch gelegt für
mich. Weil ich auch immer der Meinung war, wenn Du Stadien füllst bist
Du auch in Konkurrenz mit den anderen Leuten, die Stadien füllen. Das
waren zur damaligen Zeit halt U2 oder die Rolling Stones, oder
vergleichbares, oder Michael Jackson. Für mich war das schlimmste
Urteil immer „Ja, für’n Deutschen ganz gut…“. Also da hatte ich
schon einen größeren Ehrgeiz, und ich glaub wir haben damals auch Maßstäbe
gesetzt. Und diese Latte hast Du so hoch gelegt und das Publikum ist das
auch von Dir gewohnt, dass Du ihnen wirklich eine Show bietest, die
Qualität hat, an Licht, an Ton, an Videos. Und dass Du das natürlich
nicht immer nur erfüllen, sondern eigentlich auch übertreffen musst.
Und mein Bestreben ist halt, das kreativ und künstlerisch und
geschmackvoll zu machen, und nicht einfach nur Aufwand zu betreiben. Die
teuersten Produktionen sind im Grunde immer die, die sehr einfach
aussehen, aber doch sehr kompliziert sind. Wir fangen immer schon ein
Jahr vorher an, daran zu arbeiten, an einer Lichtdramaturgie und an
einer Dramaturgie für die Videofilme. Ich benutze meistens Leute, die
aus dem Theater- oder Opernbereich kommen, weil mir das näher ist als
viele Leute, die im Rock’n’Roll-Business im Lichtbereich tätig sind
– da geht’s meistens nur drum: Noch’n paar Lampen mehr und noch
bunter und noch größeres Geflacker. Ich sehe eigentlich einen Song
immer eher als eine Szene, wie in einem Stück eine Szene, und diese
Szene wird beleuchtet. Wenn das Licht sich ändert, dann sollte es fast
unmerklich geschehen. Wenn im Licht was geschieht, dann möchte ich das
immer auch begründen können. Weil ich glaube, dass über jeder künstlerischen
Handlung wirklich das Wörtchen „Intelligenz“ stehen muss, das ist für
mich extrem wichtig. Und deshalb liegt die Arbeit weit vorher und ist
auch aufwendig, weil ich mich im Endeffekt um alles kümmern muss.“
7.
Sehen die
Aftershow-Partys heute anders aus?
„Na ja – bei mir ist es so, dass ich da fast militärisch
diszipliniert bin bei so einer Show. Für mich konzentriert sich das
alles auf die zwei, drei Stunden am Abend, und da heißt es, Disziplin
zu halten, gerade in meinem Alter. Es gibt bei uns meistens dann am Ende
der Tournee, nach der letzten Show, eine Feier und das ist auch einer
der wenigen Male, wo ich dem Alkohol dann auch fröne. Weil dann immer
eine Last von den Schultern fällt, und da feiern wir dann auch richtig.
Aber ich kenne das so kaum noch; dass nun nach jeder Show eine Party
gefeiert wird. Das kenne ich eigentlich gar nicht mehr.”
8.
War das früher, als
du jünger warst, anders?
„Für mich nie. Weil das meine Arbeit war und ist und ich der
Meinung bin, ich muss jeden Abend die für mich bestmögliche Qualität
abrufen. Das ist auch eine Verantwortung, die Du dem Publikum gegenüber
hast, und wenn Du für etwas Eintritt nimmst, dann hast Du auch die
Pflicht, das bestmögliche wirklich auch jeden Abend zu geben. Und dann
ist danach der Höhepunkt für mich sowieso vorbei. Da geht’s für
mich nur noch darum: duschen, massiert zu werden, etwas zu essen und ins
Bett.“
9.
Das klingt sehr
diszipliniert, wie sieht denn ein typischer Tag auf Tour bei dir aus?
„Das läuft auch wirklich so ab: Ich versuche, so lange wie möglich
zu schlafen, ich steh dann auf, treibe wahrscheinlich ein bisschen
Sport, dann stretching, dann wird massiert, und dann versuche ich so
weit wie möglich Ruhe zu bewahren am Nachmittag. Ich gehe immer schon
sehr früh in die Halle, weil mir das einfach Sicherheit gibt, die
Musiker kommen immer viel später. Ich bin immer der Erste in der Halle
und gewöhne mich so langsam an die Umgebung. Wenn die Musiker kommen
freue ich mich wahnsinnig, weil ich weiß, ich bin nicht mehr allein.
Aber ich habe im Laufe der Jahre eigentlich gelernt, nicht zu früh zu
nervös zu werden, sondern eine Stunde vorher, weil ich weiß, dass ich
dann Adrenalin aufbauen muss und dann kann ich auch ruhig nervös sein.
Da bin ich dann in meiner Garderobe, da darf dann auch keiner mehr rein,
und dann sing ich mich ein. Dann singe ich drei, vier Songs und dann
geht’s auf die Bühne! Und sobald ich auf der Bühne bin, ist es
sowieso nur ein einziger Genuss, es ist einfach wunderschön, weil es
einfach ein Zustand von Liebe ist, und das genießt man ja immer .”
10.
Die Liebe zwischen
Publikum und Künstler ist also eine wechselseitige Beziehung…
„Ja, anders geht es ja auch gar nicht! Also wenn Du nicht bereit
bist, Dich zu öffnen und Deine Verletzlichkeit und Deine Seele zu
zeigen, wirst Du nie wirklich ein Publikum erreichen. Dann werden die
vielleicht ein Konzert angucken, aber dann gehen sie nach draußen und
haben’s eigentlich nach zehn Minuten vergessen – und das ist nicht
das, was ich möchte. Ich möchte, dass sie das wirklich länger beschäftigt.“
11.
Gibt es ein bestimmtes
Ritual auf Tour, dass du aus Aberglauben immer beibehältst?
„Aberglauben nicht, aber… Es passiert jeden Abend das Gleiche. Es
ist auch so, wenn ich in die Garderobe komme, sieht die jeden Abend
gleich aus. Sie wird immer gleich eingerichtet. Und das gibt mir
Sicherheit. Aber abergläubisch bin ich nicht, nein, überhaupt
nicht.“
12.
Du hast schon unzählige
Konzerte gespielt, da ist sicherlich auch so manches schief gegangen?
„Ja, das soll ja keiner merken… . Ich bin aber allerdings auch
der Meinung – das habe ich vor vielen Jahren gelernt – Du solltest
nie versuchen, wenn irgendwelche Sachen passieren – also PA [d.h. der
Ton] fällt aus oder das oder jenes, oder jemand sich verspielt … Das
Schlimmste ist für mich, dem Publikum etwas zu verheimlichen. Nimm sie
einfach mit, sag ihnen offen, was falsch ist, lass sie das sehen, und
dann wirst Du sie nicht verlieren. Aber wenn man dann nervös wird und
es ist einem peinlich, dann glaube ich verliert man das Vertrauen des
Publikums. Und das Publikum muss einfach immer eine starke Person da
oben haben, sie müssen wissen: der hat das in der Hand. Und das hast Du
nur, wenn Du souverän bist.”
13.
Du hast dir deinen
Erfolg über viele Jahre nicht zuletzt aufgrund unzähliger Live-Shows
hart erarbeitet, das ist heute bei den jungen Musikern oftmals ganz
anders…
„Es sind andere Voraussetzungen. Wenn Du in den 60ern groß
geworden bist , dann hatte Popmusik im weitesten Sinne auch einen
gesellschaftlichen Aspekt. Es hatte manchmal auch einen politischen
Aspekt. Man galt damals als Outlaw. Die Industrie hatte noch nicht
so schnell begriffen, diese Leute einzunehmen, was sie heute sehr
schnell können. Und heute sind die Jugendlichen, die in der Zeit groß
geworden sind , in den letzten zwanzig, dreißig Jahren auch schon früher
brainwashed. Dabei sind sie sich heute sehr bewusst, was sie
machen, dass das mit Geld zu tun hat, wobei meine Generation eine sehr
viel größere Naivität hatte. Man konnte uns links und rechts bescheißen,
weil wir nur eins machen wollten, und zwar: Musik! Und wenn uns jemand
am Anfang gesagt hatte, ihr könnt ins Studio, ihr könnt eine eigene
Platte machen, dann hat man alles unterschrieben! Alles! Ich weiß noch,
für mich war ein Argument am ersten Plattenvertrag, dass die
Plattenfirma Warner mir gesagt hat: Du kriegst dann alle Platten, die es
bei uns gibt. Und das war Atlantic, das war Reprise, das waren die
ganzen Soulalben, das waren die Eagles, Doobie Brothers… Und ich hab
gedacht: Das ist ja Wahnsinn! Wobei, die hätte ich sowieso gekriegt.
Aber das war für mich ein Argument. Ich hab überhaupt nicht
durchgeblickt, ich wusste nicht, was ein Verlag ist, die Verlagsrechte
hab ich einfach abgegeben, nichts! Und auch meine ersten Gagen auf
Tourneen, wo ich schon Zentausender Hallen füllte, waren derart lächerlich!
Und ich hab gedacht ich bin fürstlich bezahlt, bis mir Udo dann sagte:
Die ziehen Dich über’n Tisch! Das war wirklich der, der mir gesagt
hat: Pass mal ein bisschen auf! Weil er da schon ein bisschen mehr
Erfahrung hatte als ich. Und das ist heute anders, die haben ein viel größeres
Bewusstsein. Aber ich will auch nicht so der alte Mann sein, der sagt,
es war früher alles besser. Es war anders, wir hatten andere
Voraussetzungen, wir haben aus anderen Motiven heraus Musik gemacht.
Weil wir auch gar nicht die Illusion hatten, dass wir jemals damit Geld
verdienen würden, dass wir davon leben konnten, oder das wir jemals die
Chance hätten, eine Platte aufzunehmen. Das hat von uns keiner
gedacht.“
14.
Du sagst, Udo hätte
dich darauf aufmerksam gemacht, dass du damals über den Tisch gezogen
wurdest. Meinst du damit Udo Lindenberg?
„Ja, die Anfänge habe ich ja alle miterlebt. Wir haben ja unsere
gegenseitigen Karrieren miterlebt und haben uns damals auch sehr viel
gesehen und uns ausgetauscht.“
15.
Wen würdest du persönlich
gerne einmal live sehen?
„Ich bin unheimlich glücklich, dass ich vor ein paar Jahren
Fleetwood Mac sehen durfte. Für mich eine der besten Bands, die es überhaupt
je gab. Ich hab sie in Kiel gesehen, und da war die Halle nur halbvoll,
wo ich gedacht hab: Die haben „Rumours“ geschrieben, wie ist sowas möglich?
Was mich allerdings dann aber auch wieder beruhigt hat, denn ich hab
gedacht: Mensch siehste mal, mit Qualität hat das also auch nichts zu
tun, ob nun eine Halle gefüllt ist oder nicht gefüllt ist . Genauso
wenig wie es bedeutet, dass jemand großartig ist, wenn er eine
Millionen Platten verkauft. Das ist einfach nicht der Fall. Ich hätte
noch sehr gerne gesehen: James Brown in seiner Hoch-Zeit! Ich hab ihn
leider erst gesehen, als er dann nicht mehr so toll war. Wen würde ich
jetzt gerne noch sehen? Ich habe die Beatles gesehen, ich habe die
Rolling Stones mehrmals gesehen… ach, eigentlich auch eine Menge von
den schwarzen Musikern, die sehr selten hier rüber kommen und die man
hier schwer sieht. Aber James Brown in seiner absoluten Hoch-Zeit hätte
ich sehr gerne gesehen. Ich habe Jimmi Hendrix gesehen, zwei Mal – es
wurden damals noch Matinées gespielt. Es war in Düsseldorf, er spielte
nachmittags um Vier, und da war ich so überwältigt, hey das war für
mich ein solches Schlüsselerlebnis, dass ich mich hinterher in der
Halle in der Toilette versteckt habe, damit ich abends noch mal gucken
konnte. Das war etwas, was ich vorher nie gesehen hatte und auch danach
nie wieder gesehen habe.”
16.
Die Künstler, die du
aufgezählt hast, waren fast ausschließlich Amerikaner, was ja auch
deine musikalischen Einflüsse widerspiegelt. Dennoch singst du auf
Deutsch. Fehlt dir da manchmal die internationale Anerkennung?
„Ja, was zum Beispiel auch schön war bei der letzten Platte: Ich hab
nur mit den Amerikanern gespielt, und der Art von Musikern, die ich da
im Studio hatte, die kannst Du nicht einfach so buchen. Das geht nicht,
das sind keine Studiomusiker! Das heißt, ich musste sie überzeugen,
ich musste denen meine Demos schicken und dann mussten die das als gut
befinden oder nicht. Und ich hatte das große Glück, dass sie das als
gut befunden haben. Dann habe ich sie im Studio getroffen, und sie haben
sich auch von mir die Texte übersetzen lassen, wo ich dann noch mal
Bammel bekam, weil schließlich Larry Campbel für Dylan elf Jahre
gespielt hatte. Gott sei Dank wusste ich damals noch nicht, dass er auch
als Produzent einen Grammy gewonnen hatte, also dann hätte ich
wahrscheinlich gar nichts zustande gebracht. Und auch das hat Wohlwollen
gefunden, und ich hab immer wieder während der Produktion gefragt:
„Stört Euch das Deutsche?“ Und
sie haben immer gesagt: „No, Marius, as long as it sounds good, it
doesn’t matter what language.“ Und das freut mich ganz
besonders wenn ich mir die Platte heute anhöre – sie hört sich für
mich musikalisch authentisch an. Du hast nicht das Gefühl, da macht
einer amerikanische Musik und singt dazu Deutsch, sondern… Also für
mich ist das jedenfalls so, das ist sicher eine subjektive Meinung. Ich
bin sicher nicht objektiv meinen Produkten gegenüber, dazu bin ich
emotional viel zu sehr beteiligt, aber es kommt mir so vor, als wär‘s
harmonisch. Und Deutsch zu schreiben macht für mich Sinn, es ist meine
Muttersprache. Ich glaube, dass ich ganz gut Englisch spreche, ich kann
auch englische Texte schreiben, das hab ich mit Della Miles zusammen
gemacht, aber ich glaube dass Du so eine Vielschichtigkeit in den Texten
nur hinbekommst in deiner Muttersprache.“
17.
Wie kam es damals überhaupt
dazu, dass du deutsche Texte gesungen hast?
„Es war– es ist fast sogar gezwungener Maßen passiert… Am Anfang
wollte ich Englisch singen, klar, in meiner Amateurzeit wurde nur
Englisch gesungen, damit bin ich groß geworden. Als die Plattenfirmen
dann kam, wollten die natürlich Deutsch. Ich hab mich da sehr lange
geweigert, obwohl ich für ein satirisches Magazin im ZDF geschrieben
habe und für die auch mal Texte für Musikgeschichten erfunden habe.
Aber dann habe ich eines Tages im Radio irgendeinen Liedermacher gehört
und es wurde gesagt: „Einer unserer besten Texter!“ Da hab ich
gedacht: Das kannste auch, das kannste besser! Und dann habe ich mein
erstes Album geschrieben , ich glaub innerhalb von 10 Tagen oder so, da
kamen die Texte „Wupp“, da fand eine Eruption statt – das geht
heute nicht mehr so schnell .“
18.
Woran liegt das, wird
man mit zunehmendem Alter auch immer perfektionistischer?
„Ja, ja, du stellst immer höhere Ansprüche an Dich selbst. Und
Du weißt ja, die deutsche Sprache ist auch nicht so einfach, damit kann
man nicht so einfach arbeiten. Es ist auch schwerer Deutsch zu singen,
weil das Englische alles hinten im Gaumen passiert, wo Du auch singen
sollst. Und die deutsche Sprache formuliert sich sehr vorne, das
passiert sehr weit vorne [im Mundraum]. Das dann vernünftig zu singen,
ohne dass Du wirklich diesen typischen Deutsch-Ton kriegst, das ist
manchmal nicht so einfach. Und Du bist auch nicht so frei im Phrasieren
wie im Englischen, weil‘s dann albern für deutsche Ohren klingt. Und
deshalb ist es schwieriger. Was ich immer versucht hab ist, in Texten
mit möglichst wenig Worten viel Substanz zu liefern, damit Du nicht in
diese Situation kommst. Deutsch ist ja eine unheimliche Erklärungssprache,
Du brauchst immer viele Worte. Und das hab ich versucht, und manchmal
ist mir das gelungen und manchmal nicht.“
19.
Wie sieht
heutzutage das typische Westernhagen-Publikum aus?
„Wir haben beim Birthday Bash gemerkt, dass vorne zum großen
Teil nur junge Mädchen waren, die alle wahrscheinlich nicht älter
waren als meine Tochter. Und das erstaunt mich immer – wir haben ein
Publikum, bei dem noch sehr viele junge Leute sind; aber es geht auch
hoch, die älteren Leute stehen dann immer etwas weiter hinten, weil es
ihnen vielleicht zu laut ist? Aber mich erstaunt es nach wie vor, das
wir immer noch so viel junges
Publikum haben.“
20.
Wird deine Tochter
auch zu den Shows kommen?
„Ich weiß nicht, ob sie Zeit hat, sie ist ja unheimlich beschäftigt
. Ich hoffe es, denn bei den Birthday Bash Shows hat sie ja Support
gespielt und das hat sie auch mit einer unglaublichen Chuzpe gemacht.
Also wenn ich mir vorstelle, in dem Alter habe ich noch nie vor
mehr als 500 Leuten gespielt und dann stehe ich plötzlich auf
einmal in einer 15-Tausender-Halle… ich hätte da schon Probleme
gehabt. Da ist die Generation heute auch anders, die gehen da raus und
sagen: What the hell!“
21.
Wird deine Frau auf
Tour mit dabei sein?
„Ja, immer, wir trennen uns eigentlich nie, sie ist immer dabei. Ich
brauche jemanden, der auf mich aufpasst, sonst mach ich Blödsinn.“
22.
Deutschland besteht
aus vielen unterschiedlichen Regionen und jeder Menschenschlag hat so
seine eigenen Vorlieben. Merkst du das auch am Interesse des Publikums,
gibt es da ein gewisses Gefälle?
„Ja, durchaus. Das gab es bei mir immer. Also auch zu der Zeit, als
wir jedes Stadion zwei-, dreimal ausverkaufen konnten waren wir immer glücklich,
wenn wir’s in München zumindest halbwegs einmal geschafft haben. Das
ist so und da dauert es auch immer wesentlich länger. Wobei sich das
Kaufverhalten heutzutage sowieso sehr geändert hat. Du bist früher ein
Jahr vorher rausgegangen und dann war innerhalb kürzester Zeit
sehr viel verkauft. Während heute, was ich auch der wirtschaftlichen
Situation zuschreibe, die Leute sich das überlegen. Es ist ja auch
nicht wenig Geld. Wir versuchen zwar, so zu kalkulieren, auf der einen
Seite die Qualität zu bringen und zu halten, und auf der anderen Seite
es mit den Preisen auch wirklich nicht zu übertreiben, aber es ist
trotzdem viel Geld. Wenn jemand seine Freundin oder Frau mitnimmt, und
er will dann vielleicht auch noch mit ihr Essen gehen hinterher oder
vorher – das ist richtig viel Geld, und dann überlegen die Leute
sicher heute, wer weiß wie es in drei, vier Monaten aussieht. Also dafür
habe ich großes Verständnis. Aber ich hatte bisher immer sehr großes
Glück und habe ja über all die Jahre ein sehr loyales Publikum
gehabt; immer.“
23.
Ist denn auch die
Reaktion des süddeutschen Publikums verhaltener als beispielsweise bei
einem Konzert in Hamburg?
„Nee, das kann ich nicht sagen. Aber eins war immer mein
Lieblingspublikum, und das ist
das Berliner Publikum. Weil dieses Publikum immer bereit ist, sich neue
Sachen anzuhören. Das war auch das Publikum bei der 2005er Tour, bei
dem Du gar nichts moderieren musstest, weil die erwarten, dass Du sie überraschst.
Vielleicht ist das auch der Fall, weil die hier die meisten
internationalen Acts haben. Und die Szene ist auch hier so. Die wollen
was Neues, und da gehen sie dann auch mit. Und was mich immer fasziniert
hat am Berliner Publikum: Sie waren nie blindwütig, was zeitweise der
Fall war. Da war es eigentlich so, egal was Du machtest auf der Bühne,
da waren die Leute begeistert. Da war so ein Hype vorhanden. Also da
musstest Du Dich schwer zusammenreißen, dass Du sagst: Also es geht
jetzt nicht darum, dass sie jubeln, sondern dass Du ein gutes Konzert
machst. Und die Berliner waren immer so, dass Du merkst, Du kommst raus
und musst erst mal zeigen, ob das auch wirklich gut ist. Aber wenn Du
das schaffst, sie zu überzeugen, sind sie unheimlich euphorisch. Und
das liebe ich, weil Du natürlich einen richtigen Response haben
willst.“
24.
Du hast vorhin gesagt,
eine Stunde vor dem Konzert wirst du nervös. Wie ist das, wenn du heute an die bevorstehende Tour denkst, kommt da
auch ein wenig Nervosität auf?
„Nein…, ich glaub da hab ich zu viel hinter mir. Ich freu mich
wahnsinnig auf die Tour, ich weiß, dass das wie jedes Mal anstrengend
wird, weil, wenn Du’s vernünftig machst, was ich vorhin erklärt
habe, wenn Du wirklich bereit bist, rauszugehen und Dich zu öffnen dem
Publikum gegenüber, dann ist das anstrengend. Du bist dann halt für
das Publikum eine Produktionsfläche und dann ist es immer einer gegen
viele – und das strengt an. Aber ich freu mich da wahnsinnig drauf.
Aber jetzt schon nervös? Nein, es ist ja alles so gut wie möglich
vorbereitet, und das muss man auch. Schwierigkeiten gibt’s natürlich
bei jeder Tour und irgendwelche Dinge, wo man schnell improvisieren
muss, aber ich versuche mich so professionell wie möglich
vorzubereiten. Und wenn ich weiß, es ist alles getan, und vor allen
wenn ich weiß, ich hab eine unglaubliche Band, da kannst Du Dich als Sänger
eigentlich nur ins gemachte Bett legen. Wenn das funktioniert, ist es
einfach nur schön.“
25.
Gibt es einen Ort, an
dem du gerne einmal spielen würdest?
„Ja klar , New York Madison Square Garden, das ist einfach eine
unglaublich tolle Halle , aber da werde ich wohl nie hin kommen"
26.
Was machst du nach der
Tour, erst einmal Urlaub?
„Ja. Dann geht es nach Afrika. Und dann ist erst mal Ruhe, aber wie
ich mich kenne… ich hab ja eine Gitarre da, und ich hab ja auch ein
Keyboard da und dann wird das wahrscheinlich darauf hinauslaufen, dass
ich dann wieder anfange zu schreiben. Und das kann ich da auch in aller
Ruhe.“
27.
Also ist noch nichts
in Planung für ein weiteres Album?
„Nein, ist noch nichts in Planung, nein. Ich mache das auch lieber
so, dass ich sage: Ich habe was, und ich mach’s jetzt erst mal fertig.
Und nicht so, dass dann schon geplant wird, wann es raus kommt und wie
wir es vermarkten. Das wichtigste ist die Substanz, ist die Musik, sind
die Songs, und wenn man das hat, dann kann man das aufnehmen und wenn
das fertig ist, kann man sich überlegen, wann und wie kommt man damit
raus.“
28.
Was machst du in
Afrika, gehst du dann auf Safari?
„Ich war bisher, zu meiner Schande, noch auf keiner Safari, weil ich
auch Bammel davor habe, ich habe Angst vor allem, was so kriecht und
fleucht . Aber ich muss das unbedingt machen, weil alle Leute mir immer
erzählen, dass das so unfassbar wäre, ein unfassbares Erlebnis und ich
werde das auch irgendwann machen, ja.“
29.
Du wirst auch über
Weihnachten dort sein, wie wirst du dort Weihnachten feiern?
„Weiß ich noch nicht, ich hab noch nie in Afrika Weihnachten
gefeiert, ich schätze, ganz normal. Ich hoffe, dass unsere Kinder
kommen. Da ist man sich auch immer nicht ganz so sicher, besonders bei
meiner Tochter, weil die wirklich sowas von busy ist, dass ich sie
manchmal noch nicht mal ans Telefon kriege. Sie ist sehr ehrgeizig, mir
manchmal schon fast zu ehrgeizig, weil sie halt auch sehr sensibel ist.
Und im Augenblick erfährt sie eine große Aufmerksamkeit, denn sie hat
nur die Sonnenseiten kennen gelernt. Aber die Schattenseiten werden
kommen, so ist einfach das Geschäft und da hat man natürlich als Vater
immer Angst, dass ihr irgendwann mal wehgetan werden wird. Aber davor
kann ich sie wahrscheinlich nicht bewahren, wahrscheinlich muss sie die
Erfahrung selber machen.“
30.
Als wir uns das letzte
Mal getroffen haben, hat deine Tochter gerade an ihrem Soloalbum
gearbeitet…
„Ja, ja, sie hat gerade ihr erstes Album gemacht, in Hamburg
erstaunlicherweise, und ich hab auch einiges gehört und ich bin da sehr
zufrieden mit. Sie hat unfassbar hart gearbeitet und natürlich glaube
ich, ist ihr Vater auch ein Ansporn. Irgendwie will man’s seinen
Eltern ja auch immer beweisen, das kann ich mir schon vorstellen. Aber
sie ist eine sehr harte Arbeiterin, das muss man sagen. Da ist sie sehr
genau wie ihr Vater: Bevor sie nicht das hat, was sie sich vorstellt,
wird sie auch nicht aufgeben. Und ich habe mich gewundert, dass Warner
nach einem Westernhagen noch eine Westernhagen unter Vertrag genommen
hat, weil die sich ja denken können, dass da die Charaktere ähnlich
sind .“
31.
So schlechte
Erfahrungen scheint Warner mit dir aber dann nicht gemacht zu haben…
„Ich bin ja da nicht einfach, und bin schon so, dass ich dann
durchsetzen will, was ich im Kopf habe und da hat man natürlich immer
Wiederstände, besonders bei einer Major-Company. Da hast Du natürlich
immer den Druck; es werden Vorschüsse gezahlt, Du weißt, an Deiner
Arbeit hängen Arbeitsplätze… Und selbst wenn Du Verträge hast wie
ich sie hatte, dass ich totale künstlerische Freiheit hatte, spürst Du
natürlich diese Erwartungshaltung und diesen Druck, der ständig da
ist. Und Du spürst auch ständig, dass da Leute sind, die nun nicht die
geringste Kreativität besitzen, aber gerne immer mit kreativ wären, da
verschwendest Du schon eine Menge Energie, um das immer abzuwenden. Also
da bin ich heute in einer wesentlich besseren Position.“
32.
Jetzt kannst du doch
machen was du willst…
„Ja, es ist ja mein Label. Also habe ich ja eigentlich immer
gemacht, was ich wollte, aber jetzt habe ich überhaupt keinen Druck
mehr. Nichts mehr. Also ich kann mich da sehr viel mehr auf meine Arbeit
konzentrieren und unterliege da überhaupt keinen Zwängen mehr. Das ist
sehr angenehm. Aber das kann man vielleicht auch erst, wenn man die
Erfahrung hat, die ich habe. Vorher geht das wahrscheinlich gar nicht.“
33.
Du bist auch
Schauspieler. Welche Ausdrucksform ist dir lieber?
„Ich wurde früher immer gefragt: Was sind Sie eigentlich,
Schauspieler oder Musiker? Aber das trennt sich für mich gar nicht.
Erst mal finde ich sowieso, dass einer, der sich Künstler schimpft,
immer an jeder Art von Kunst interessiert sein muss. Ich glaube da nicht
an den Fachidioten. Es ist in Deutschland leider oft so, dass die
verschiedenen Künste sich gegenseitig nicht befruchten. Das ist in
Amerika so, dass ist in England so, das ist in Frankreich so, da
arbeiten Filmleute, Theaterleute, Opernleute zusammen mit Popmusikern,
und Popmusiker arbeiten mit Klassikmusikern. Aber in Deutschland haben
alle eine große gegenseitige Angst voreinander, glaube ich. Das hab ich
zum Beispiel überhaupt nicht, sondern ich versuche einfach mit den
bestmöglichen Leuten zusammenzuarbeiten, weil ich glaube, an nur
wirklich guten Leuten kannst Du auch wachsen und weiter lernen und Dich
weiter entwickeln. Und alles andere interessiert mich nicht.“
34.
Demnach kann man
zwischen dem Musiker Westernhagen und dem Schauspieler Westernhagen gar
nicht trennen?
„Das trennt sich nicht, weil natürlich auch eine Rockshow eine
Inszenierung ist. Muss es auch sein, weil es sonst gar keine künstlerische
Handlung ist. Es gibt natürlich auch in der Popmusik Geschichten, wo
Leute rausgehen und nur ihren persönlichen Kummer zeigen, aber die
werden natürlich nicht sehr lange existent sein, weil niemand das sehen
will. Es ist eine Darstellung, der Sänger ist ein Darsteller, der einen
Text musikalisch interpretiert, der also praktisch eine Rolle spielt.
Alles andere wäre ja auch idiotisch, weil nicht jeder Text
autobiografisch ist, sondern meistens Fiktion. Und das ist auch für
mich viel interessanter. Und das ist nicht nur bei mir so, dass ist,
glaube ich, bei allen so. Es ist immer Pose, es ist immer Darstellung.
Und da kannst Du nehmen, wen Du willst, ob Du nun Herrn Jagger nimmst
oder Frau Whinehouse oder weiß ich wen. Oder Herrn Stewart oder sonst
was. Es ist natürlich eine Inszenierung, gar keine Frage. Und privat
bin ich sicherlich sehr viel introvertierter als ich das auf der Bühne
bin, gar keine Frage.“
35.
s.o.
„Und das ist das Wichtige bei einer Karriere, gerade wenn Du
eine sehr erfolgreiche Karriere erleben darfst, dass Du Dir immer
klarmachen musst: Was ist Projektion, und was ist Realität? Sobald Du
das verlierst, bist Du verloren. Weil Du Dich dann von Dir entfernst.
Und was dann passiert, sieht man an so vielen Beispielen, das jüngste
Beispiel ist Michael Jackson. Wie willst Du dann die geringste Erdung
haben? Und dann geht’s einfach den Bach runter, und nicht nur in der
Karriere den Bach runter, sondern vor allen Dingen auch persönlich, und
das halte ich für viel, viel schlimmer.“
36.
Bist du selbst einmal
Gefahr gelaufen, in solch eine Situation zu kommen?
„Na ja, ich war 1999 in diese Situation
gekommen und deshalb war das auch einer der Gründe, warum ich mit
Stadien aufgehört habe . Weil ich in eine Position gekommen war, die
ich weder erfüllen konnte noch wollte. Und wo die Presse schrieb –
und auch zu Recht schrieb: Das sind keine Konzerte mehr, dass sind schon
Messen. Und ich bin überhaupt nicht interessiert an derart blinder
Verehrung. Und ich habe mir einfach damals gedacht: Erstens kannst
Du’s kreativ nicht weiter treiben, weil eine Stadion-Inszenierung
begrenzt ist, das ist immer eine Wagner-Oper, es ist immer der
Helden-Tenor, wenn Du das noch weiter treibst, wird das geschmacklos.
Ich hab das bei einigen großen Rock-Acts gesehen, das ist eine
Kirmes-Veranstaltung, das hat mit einem künstlerischen Event gar nichts
mehr zu tun. Das ist einfach Kirmes, das ist laut, und grell und bunt.
Und da hatte ich kein Interesse dran, das war einer der Gründe. Ich
habe das ja mehrmals in meiner Karriere gemacht, immer wenn ich gesehen
hab hier geht’s nicht weiter, und hier bist Du konsumierbar. Und in
dem Fall war’s ja noch schlimmer, das war ja fast eine Götzenverehrung.
Und da muss ich das dann beenden. Ich bin immer der Meinung, wenn Du
Dich selber verlierst ist das mit Geld nicht aufzuwiegen. Weil es Dich
unglücklich macht und immer nur Du selbst kannst es ändern, wenn Du
unglücklich bist. Dann musst Du reflektieren und sehen: Das macht mich
unglücklich, das muss ich ändern. Mir war damals vollkommen bewusst,
als ich von der Bühne ging, ich glaub vor 108,000 Leuten in Hamburg,
was ich da aufgebe. Und mir war auch bewusst, dass das einen gewissen
Machtverlust bedeutet. Du gibst einfach einen Status auf. Was ich
unterschätzt habe. Ich habe wirklich gedacht, ich kann diesen Status
ganz aufgeben und ziehe dieses Mäntelchen einfach aus. Ich habe dann
auch sehr lange nicht mehr mit den Medien kommuniziert und dann gemerkt,
wie mir das übel genommen wurde. Vielleicht gibt es auch nicht so viele
Personen, über die was Interessantes berichtet werden kann. Und wenn Du
nicht mir ihnen kommunizierst, werden sie irgendwas erfinden. Und das
ist zum Teil auch passiert und deshalb musste ich das wieder ändern und
musste mich wieder ein bisschen mehr öffnen, weil sonst zu viel
Fehlinformation an die Öffentlichkeit kommt.“
37.
Du
bist nun von Hamburg nach Berlin gezogen. Was gefällt dir so gut an
dieser Stadt?
„Die Energie und die Kreativität – und Berlin ist ja nun keine
reiche Stadt, dort entsteht dann immer besonders viel Kreativität. Und
es ist das erste Mal, dass ich in Deutschland erlebe, dass es eine
richtige Großstadt ist, mit allem, wirklich mit allen Facetten. Und was
ich hier so liebe und was Du ja auch in New York hast und zum Teil ja
auch in London, ist, dass Du einen Straßenblock weitergehst und da ändert
sich die soziale Schicht total. Das finde ich aufregend und hier
vermischen sich die Schichten. Und die Krise der Plattenbranche ist für
mich eher eine Reinigung und eine neue Chance, weil junge Musiker sich
jetzt wieder überlegen müssen: Warum mache ich Musik? Und der Grund
kann ja nicht mehr sein: Ich will reich werden. Denn das wird keiner
mehr davon werden, sondern der Grund muss eigentlich wieder sein, so
wie’s auch zu meiner Jungend war: Ich will Musik machen. Oder noch
besser: Ich muss Musik machen, und ich muss Songs schreiben! Ich hoffe,
dass da wieder viel kommt und das es dann wieder einen Kreis gibt, dass
wir wieder darauf hin arbeiten, dass Popmusik sich auch wieder Kunst
nennen darf. Zu meiner Jugend war Popmusik Bob Dylan, das war Jimmi
Hendrix, das war Led Zepplin. Unangepasst, unkonventionell. Und heute ist es ja doch schon
so, dass sich viele junge Popmusiker fast so wie Politiker benehmen, sie
sind einfach politisch korrekt, und das hat dann nichts mehr mit einem künstlerischen
Anspruch zu tun.“
38.
Dir scheint es hier in
Berlin sehr gut zu gefallen?
„Ja, klasse! Und vor allem kannst Du hier auch, selbst wenn Du
populär bist, ausgehen und die Leute sind da sehr cool. Und ich
hab festgestellt, dass ich hier wirklich mit offenen Armen aufgenommen
worden bin. Ich kann auch abends mal in einen Club gehen und mir
irgendwas angucken, ohne dass ich ununterbrochen angeglotzt werde, das
ist sehr angenehm.“
39.
Aber das jemand wie du
in der Öffentlichkeit in der Regel Aufsehen erregt ist ja eigentlich
auch nachvollziehbar…
„Na ja klar, schon – inzwischen hab ich mich dran gewöhnt, an die
Glotzerei. Aber die ist ja auch nicht immer freundlich, sondern die ist
manchmal auch misstrauisch. Aber hier lassen die Leute einen leben, Du
kannst rumlaufen wie Du willst, Du kannst anziehen was Du willst und Du
wirst akzeptiert und das finde ich großartig. Berlin ist in der
Beziehung New York sehr ähnlich geworden.“
40.
Was verbindest du mit
Heimat?
„Ich habe gar nicht so ein Heimatgefühl. Ich bin eigentlich wirklich
Kosmopolit und das auch immer gewesen. Ich hab mich immer unglaublich
wohl in New York gefühlt , weil einfach New York eine Stadt ist, genau
wie Cape Town in Südafrika, die beides Schmelztiegel sind. Und da wirst
Du Dich nie fremd fühlen, weil alle fremd sind, alle kommen von überall
her, sprechen alle Sprachen, alle Kulturen, und das erlebe ich jetzt
hier in Berlin , jedenfalls in Berlin-Mitte. Das ist für mich hier
wirklich der toleranteste Ort in Deutschland. Und wenn Berlin-Mitte eine
Blaupause wäre für die gesamte Republik, dann wäre das toll. Dann
hätten wir ein unglaublich liberales und tolerantes Land.“
41.
Wie lange wirst du
wohl noch auf der Bühne stehen? Über deinen Abschied
wurde ja schon viel geschrieben…
„Ich habe das damals ganz deutlich formuliert, dass es ausschließlich
um Stadien-Shows geht. Aber natürlich war das keine Meldung, sondern es
wurde eigentlich kolportiert: Der Westernhagen hört auf. Und deshalb
werde ich so etwas nie wieder sagen. Ich kann nur sagen: Ich mache das
solange wie es mir Spaß macht. Und auch so lange mein körperlicher
Zustand es zulässt. Im Augenblick bin ich nach wie vor sehr fit und
sehr gesund. Aber in meinem Alter kannst Du es einfach nicht genau
sagen. Ich bin jetzt über 60, und ich weiß es nicht. Im Augenblick fühle
ich mich total sicher und fit, aber ich möchte auch nicht irgendwann
auf die Bühne gehen und die Leute kommen da hin und sagen: Das ist ja toll,
der Opa, wie der noch springen kann! Dann ist es eigentlich schon zu spät.
Das wird sicherlich nicht passieren. Aber ich werde auch keine
Abschiedstournee mehr ankündigen, ist ja auch vielleicht für die Leute
spannender zu sagen: Na, wer weiß, vielleicht hört er auf, gehen wir
da lieber noch mal hin, dass kann natürlich auch sein.“
http://www.westernhagen.de/
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