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München, 16.07. 2006
 Olympiastadion

...und eigentlich sind sie doch eine ganz normale Rock’n’Roll Band, wäre da nicht die Tatsache, dass sie seit 44 Jahren, also fast ein halbes Jahrhundert unterwegs sind, Kultstatus besitzen, Songs im Rooster haben, die auch nach 4 Jahrzehnten noch up to date klingen, und eine Tournee Produktion engagieren, die Dimensionen aufweist, die nie zuvor auch nur annähernd von einem Künstler erreicht worden sind. Die Stadionbühne ist ein Monstrum, deren Aufbau allein schon 4-5 Tage in Anspruch nimmt. Sie ist ca. 65 m lang und 30 m hoch und besteht aus einer sogenannten A und B Stage. 300 Tonnen wiegt der Koloss und wirkt mehr als nur eben beeindruckend. Über 800 Mann Personal benötigt eine Rolling Stones Tournee inklusive 126 Trucks. Über 50 km Kabel werden verlegt. Und eine Show benötigt soviel Strom wie ein komplettes Dorf. Verglichen damit, ist Bon Jovi ein Provinz Act. (Technische Infos)

                                                                      
Soviel zu den wichtigsten Fakten, die mit Sicherheit ein Fall für's Buch der Rekorde sind. Aber all dies verblasst im Angesicht von vier, etwas verwittert und ausgemergelt aussehenden Gestalten, die auf den ersten Blick alles andere als taufrisch wirken aber nach wie vor putzmunter sind. Der liebe Gott schickt selbst ein Stoßgebet gen’ Himmel, in Anbetracht seiner legitimen Nachkommen, deren Heiligenschein unsichtbar rotiert wie ein imaginärer Wirbelwind. It’s Showtime Freaks, und Mr. Jagger lässt sich nicht lange bitten, stürmt die Front wie Napoleon einst die Schlacht von Waterloo. Nur dass ersterer mit absoluter Sicherheit aus diesem Gemetzel hier als Sieger hervor geht.
                                                                                                     
Und auch wenn es wahrlich nicht mehr von Nöten ist, die anwesenden Mitstreiter namentlich vorzustellen, so lässt es sich good old Micky nicht nehmen in – fast reinstem Deutsch – Sir Charlie, die graue Eminenz mit immer stoischer Miene,  Ronnie Knitterfalte - everybody's Darling, und Keith die nicht tot zu kriegende Mumie mit den 9 Leben, hervor zu heben. Wobei er bei letztgenanntem nur lapidar meint: „ and over here .. da ist der Typ, der immer von Palmtrees zu fallen pflegt.“  Und ja klar.... – kommt super gut an beim Publikum.
Keith nimmts gelassen und beweist umgehend dank einigen skurrilen Bocksprüngen, dass er wieder fit wie Oskar ist, was auch immer der wirkliche Grund für seine jüngste Unpässlichkeit war, die zu den etlichen Konzertabsagen und Verschiebungen geführt hat. Zäh wie altes Leder ist der Glimmer Twin, und nach wie vor mit jenem diabolischen Grinsen versehen, dass ihn so einzigartig und liebenswert  macht. Und dieses wird sogar noch um eine Spur breiter, als jemand im Arena Publikum deutlich sichtbar mit einer Plastikpalme vor Keiths Nase rum wedelt. Den Humor hat er nicht verloren, das steht fest.
München stellt den  Auftakt zur Deutschland – Tour dar. Alles ist exakt durchkalkuliert und geplant. Fotopässe gibt’s schon lange keine mehr für uns auserwählte Vertreter der visuellen Berichterstattung. So etwas banales wird bei den Stones nicht benötigt, dank akribischer Akkreditierung. Die Instruktionen belaufen sich auf Ratschläge wie man, mit welchen Objektiven, aus was für einem Winkel, und von welchem Standort aus, am besten knipst. Und was für ein Scheinwerfer, übrigens jeder in weißem Licht gehalten, in exakt jener Sekunde wohin strahlt.  Respekt, - das nenn’ ich einen Service.
 Die Länge von zwei Songs stehen zur fotografischen Verfügung, wobei uns von Pressechefin Sherry mit einem Augenzwinkern noch ein bisserl Gnadenbrot vom dritten Track gewährt wird. Deshalb herzlichen Dank für ein Entgegenkommen in perfekter Reinkultur, allerdings  ohne
Zusatz von  wenn und aber. (Fotografen Info hier)
Und Keith steht keine 5 Meter entfernt und grinst weiterhin breit in die Kamera. und prügelt seine typischen Riffs aus seiner Klampfe.  Nein, er war noch nie der weltallerbeste Gitarrist. Das ist auch diesmal wieder zu erkennen. Aber er war und ist zusammen mit Mick einer der genialsten Songschreiber, die die Rockmusik jemals hervor gebracht hat. Und er ist das was man unter dem ultimativen Inbegriff des wild Bad Boy of  Rock'n'Roll versteht. Okay okay, vielleicht nicht mehr ganz so  wild  wie zu seiner  Sturm- und Drang Zeit, dafür aber umso spektakulärer, wenn er's drauf anlegt, wie im Palmen-Fall - unfreiwillig  selbstredend.
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Zusammengerechnet mit sämtlichen Eskapaden, Exzessen, Skandalen und Livestories, haben die Rolling Stones schon vor langer Zeit  ihren Kultstatus erzielt und sind über jegliche Klischees erhaben . Eine musikalische Perle nach der anderen reiht sich auf eine Schnur, die man endlos weiter spinnen könnte. Zwischendurch wird Ray Charles gehuldigt, und Keith schmettert seine zwei obligatorischen Zwischentöne ins Mikro, während Mick zum fünften Mal die Klamotten wechselt. Bühne B löst sich von Bühne A und manövriert die Stones auf einer Schiene in exakt 3.15 min.  durchs ganze Stadion zum anderen Ende, damit auch der allerletzte Fan, seine Stars hautnah erleben kann, wenn auch nur für die Dauer von drei Songs. Ansonsten muss er sich mit dem überdimensinalen Stage Monitor begnügen. Genau in diesem Abschnitt der Show kommen  die funkig angehauchten Titel wie ‚Miss You’  und ‚Start Me Up’ zum Zug.  
                                                                              

Und alles rockt  mit, ob Opa oder Enkel. Da tanzt der Bär im, leider nicht ganz ausverkauften Olympiastadion. Warum -  ist etwas unklar gehalten, da ein Rolling Stones Konzert bisher immer komplett ausverkauft war in München. Nicht nur, weil es hier so viele Freunde der Altrocker gibt, sondern auch andersherum, weil Mick und Co. ein ganz besonderes Verhältnis zu unserer bayrischen Landeshauptstadt haben und sich hier, abgesehen von Auftritten, gerne auch noch zusätzlich ein paar Tage die Zeit vertreiben. Zudem spielt just heute, und das rein zufällig, Micks Bruder Chris mit seiner Combo in einem anderen Stadtteil ein Gratis-Konzert. Schade, dass man sich nicht teilen kann, denn Chris Jaggers Atja sind auch nicht zu verachten, - so erlebt vor bereits ca. einem halben Jahr hier in der Stadt. 
Am Rande bemerkt, der wahre Grund für die vorhergehenden Konzertabsagen und nicht ausverkauften
Shows sind mitnichten die Stones selbst, bzw. Palmtree Unfall, sondern die astronomischen Ticketpreise, die sogar manchen Die Hard Stones Fan eiskalt abgeschreckt haben - seien wir doch mal ehrlich.  



Zurück zum Spektakel hier im Stadion, dasr fast zwei Stunden seinen Dezibelregen auf uns niederprasseln lässt inklusive Pyro Show, die übrigens  exakt 470 Einzelteile enthält. Manchmal frage ich mich, ob die Rolling Stones überhaupt noch in der Lage wären, eine Clubshow zu spielen ohne großen Bigger  Bang und Firlefanz. Um ehrlich zu sein...- wahrscheinlich nicht. Aber die Musik, die Generationen geprägt hat, die individuelle Ausstrahlung, und eine Show die jegliche Dimensionen sprengt, tun das ihrige, um den Rolling Stones jene einzigartige Aura zu verleihen. Und wenn Keith noch 10 x von einer Palme plumpst oder sich anderweitig seine Rübe beschädigt, oder falls Ronnie Wood nach dieser Tour fünf weitere Messen bei den anonymen Alkoholikern zelebrieren muss, so bin ich mir trotzdem absolut sicher, dass die Stones auch in 10 Jahren noch mit über 70 auf der Bühne stehen und als Zugabe ‚I Can’t Get No Satisfaction’ krächzen. Und das auch noch fit und glaubwürdig. 





Warum??? Nun, man kann über sie sagen und lästern wie und was man will. Sie sind nach wie vor die größte Rockband aller Zeiten. Und daran meine Herrschaften gibt es absolut nichts und kein Tausendstel eines Millimeters dran zu rütteln. Aus, Amen und Feierabend. Mick, Keith, Ronnie und Charlie, vier  Oldies, die zwar nicht visuell, aber dafür  konditionell den Jungbrunnen gepachtet haben und allen äußeren Einflüssen seit über vier Dekaden trotzen.  Und sie sind nach wie vor  besser als der Großteil der next Generation. Und das... Freunde,... das muss ihnen erst einmal einer nachmachen.

PS.: und wie schon anfangs erwähnt,  eigentlich sind sie doch ‚nur’ eine  ganz normale Rock’n’Roll Band. Und ich hab' sie nach wie vor  lieb.

                                                              Weitere Live Pics -
hier         Das Interview mit Mick & Keith  zu dieser Tour findet Ihr -  hier

                                                     
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