...und eigentlich sind
sie doch eine ganz normale Rock’n’Roll Band, wäre da nicht die
Tatsache, dass sie seit 44 Jahren, also fast ein halbes Jahrhundert
unterwegs sind, Kultstatus besitzen, Songs im Rooster haben, die auch
nach 4 Jahrzehnten noch up to date klingen, und eine Tournee Produktion
engagieren, die Dimensionen aufweist, die nie zuvor auch nur annähernd
von einem Künstler erreicht worden sind. Die Stadionbühne ist ein
Monstrum, deren Aufbau allein schon 4-5 Tage in Anspruch nimmt. Sie ist ca. 65 m
lang und 30 m hoch und besteht aus einer sogenannten A und B Stage. 300
Tonnen wiegt der Koloss und wirkt mehr als nur eben beeindruckend. Über
800 Mann Personal benötigt eine Rolling Stones Tournee inklusive 126
Trucks. Über 50 km Kabel werden verlegt. Und eine Show benötigt soviel
Strom wie ein komplettes Dorf. Verglichen damit, ist Bon Jovi ein
Provinz Act. (Technische
Infos)
Soviel zu den wichtigsten Fakten, die mit Sicherheit ein Fall für's
Buch der Rekorde sind. Aber all dies verblasst im Angesicht
von vier, etwas verwittert und ausgemergelt aussehenden Gestalten, die
auf den ersten Blick alles andere als taufrisch wirken aber nach wie vor putzmunter sind. Der
liebe Gott schickt selbst ein Stoßgebet gen’ Himmel, in Anbetracht
seiner legitimen Nachkommen, deren Heiligenschein unsichtbar rotiert wie
ein imaginärer Wirbelwind. It’s Showtime Freaks, und Mr.
Jagger lässt sich nicht lange bitten, stürmt die Front wie Napoleon
einst die Schlacht von Waterloo. Nur dass ersterer mit absoluter
Sicherheit aus diesem Gemetzel hier als Sieger hervor geht.
Und auch wenn es wahrlich nicht mehr von Nöten ist, die anwesenden
Mitstreiter namentlich vorzustellen, so lässt es sich good old Micky
nicht nehmen in – fast reinstem Deutsch – Sir Charlie, die graue
Eminenz mit immer stoischer Miene, Ronnie Knitterfalte -
everybody's Darling, und Keith die nicht tot zu kriegende Mumie mit den
9 Leben, hervor zu heben. Wobei er bei letztgenanntem nur lapidar meint: „ and
over here .. da ist der Typ, der immer von Palmtrees zu fallen
pflegt.“ Und ja klar....
– kommt super gut an beim Publikum.
Keith nimmts gelassen und beweist umgehend dank einigen skurrilen
Bocksprüngen, dass er wieder fit wie Oskar ist, was auch immer der
wirkliche Grund für seine jüngste Unpässlichkeit war, die zu den
etlichen Konzertabsagen und Verschiebungen geführt hat. Zäh wie
altes Leder ist der Glimmer Twin, und
nach wie vor mit jenem diabolischen Grinsen versehen, dass ihn so
einzigartig und liebenswert macht. Und dieses wird sogar noch um
eine Spur breiter, als jemand im Arena Publikum deutlich sichtbar mit
einer Plastikpalme vor Keiths Nase rum wedelt. Den Humor hat er nicht
verloren, das steht fest.
München stellt den Auftakt
zur Deutschland – Tour dar. Alles ist exakt durchkalkuliert und
geplant. Fotopässe gibt’s schon lange keine mehr für uns
auserwählte
Vertreter der visuellen Berichterstattung. So etwas banales wird bei den
Stones nicht benötigt, dank akribischer Akkreditierung. Die
Instruktionen belaufen sich auf Ratschläge wie man, mit welchen
Objektiven, aus was für einem Winkel, und von welchem Standort aus, am
besten knipst. Und was für ein Scheinwerfer, übrigens jeder in weißem Licht
gehalten, in exakt jener Sekunde wohin strahlt. Respekt, - das nenn’ ich einen Service.
Die Länge von zwei
Songs stehen zur fotografischen Verfügung, wobei uns von Pressechefin
Sherry mit einem Augenzwinkern noch ein bisserl Gnadenbrot vom dritten
Track gewährt wird. Deshalb herzlichen Dank für ein Entgegenkommen in
perfekter Reinkultur, allerdings ohne Zusatz
von wenn und aber. (Fotografen
Info hier)
Und Keith steht keine 5 Meter entfernt und grinst weiterhin breit in die Kamera.
und prügelt seine typischen Riffs aus seiner Klampfe. Nein, er war noch nie der weltallerbeste Gitarrist. Das ist auch diesmal
wieder zu erkennen. Aber er war und ist zusammen mit Mick einer der
genialsten Songschreiber, die die Rockmusik jemals hervor gebracht hat.
Und er ist das was man unter dem ultimativen Inbegriff des wild Bad
Boy of Rock'n'Roll versteht. Okay okay, vielleicht nicht mehr ganz
so wild wie zu seiner Sturm- und Drang Zeit, dafür
aber umso spektakulärer, wenn er's drauf anlegt, wie im Palmen-Fall - unfreiwillig
selbstredend.
<<< Setliste anklicken für Vergrößerung
Zusammengerechnet mit sämtlichen Eskapaden, Exzessen, Skandalen und
Livestories, haben die Rolling Stones schon vor langer Zeit ihren Kultstatus erzielt und
sind über
jegliche Klischees erhaben . Eine
musikalische Perle nach der anderen reiht sich auf eine Schnur, die man
endlos weiter spinnen könnte. Zwischendurch wird Ray Charles gehuldigt,
und Keith schmettert seine zwei obligatorischen Zwischentöne ins Mikro,
während Mick zum fünften Mal die Klamotten wechselt. Bühne B löst
sich von Bühne A und manövriert die Stones auf einer Schiene in exakt 3.15
min. durchs ganze
Stadion zum anderen Ende, damit auch der allerletzte Fan, seine Stars
hautnah erleben kann, wenn auch nur für die Dauer von drei Songs.
Ansonsten muss er sich mit dem überdimensinalen Stage Monitor begnügen.
Genau in diesem Abschnitt der Show kommen die funkig angehauchten Titel wie
‚Miss You’ und ‚Start Me Up’ zum Zug.
Und alles rockt mit, ob Opa oder Enkel. Da tanzt der Bär im,
leider nicht ganz ausverkauften Olympiastadion. Warum - ist
etwas unklar gehalten, da ein Rolling Stones Konzert
bisher immer komplett ausverkauft war in München. Nicht nur, weil es
hier so viele Freunde der Altrocker gibt, sondern auch andersherum, weil
Mick und Co. ein ganz besonderes Verhältnis zu unserer bayrischen
Landeshauptstadt haben und sich hier, abgesehen von Auftritten, gerne auch
noch zusätzlich ein paar Tage die Zeit vertreiben. Zudem spielt just heute, und
das rein zufällig, Micks Bruder Chris mit seiner Combo in einem anderen
Stadtteil ein Gratis-Konzert. Schade, dass man sich nicht teilen kann,
denn Chris Jaggers Atja sind auch nicht zu verachten, - so erlebt vor
bereits ca. einem halben Jahr hier in der Stadt.
Am Rande bemerkt, der wahre Grund für die vorhergehenden Konzertabsagen
und nicht ausverkauften Shows
sind mitnichten die Stones selbst, bzw. Palmtree Unfall, sondern die
astronomischen Ticketpreise, die sogar manchen Die Hard Stones Fan
eiskalt abgeschreckt haben - seien wir doch mal ehrlich.
Zurück zum Spektakel hier
im Stadion, dasr fast zwei Stunden seinen Dezibelregen auf uns
niederprasseln lässt inklusive Pyro Show, die übrigens exakt
470 Einzelteile enthält. Manchmal frage ich mich, ob die Rolling Stones
überhaupt noch in der Lage wären, eine Clubshow zu spielen ohne großen
Bigger Bang und Firlefanz. Um ehrlich zu sein...- wahrscheinlich nicht.
Aber die Musik, die Generationen geprägt hat, die individuelle Ausstrahlung,
und eine Show die jegliche Dimensionen sprengt, tun
das ihrige, um den Rolling Stones jene einzigartige Aura zu verleihen. Und wenn Keith noch 10 x von einer
Palme plumpst oder sich anderweitig seine Rübe beschädigt, oder falls Ronnie
Wood nach dieser Tour fünf weitere Messen bei den anonymen Alkoholikern
zelebrieren muss, so bin ich mir trotzdem absolut sicher, dass die Stones auch in
10 Jahren noch mit über 70 auf der Bühne stehen und als Zugabe ‚I
Can’t Get No Satisfaction’ krächzen. Und das auch noch fit und
glaubwürdig.
Warum??? Nun, man kann über
sie sagen und lästern wie und was man will. Sie sind nach wie vor die
größte Rockband aller Zeiten. Und daran meine Herrschaften gibt es absolut
nichts und kein Tausendstel eines Millimeters dran zu rütteln. Aus, Amen
und Feierabend. Mick, Keith, Ronnie und Charlie, vier Oldies, die zwar
nicht visuell, aber dafür konditionell den Jungbrunnen gepachtet haben und allen äußeren Einflüssen
seit über vier Dekaden trotzen. Und sie sind nach wie vor
besser als der Großteil der next Generation. Und das... Freunde,...
das muss ihnen erst einmal einer nachmachen.
PS.: und wie schon anfangs erwähnt,
eigentlich sind sie doch ‚nur’ eine
ganz normale Rock’n’Roll Band. Und ich hab' sie nach wie
vor lieb.
Weitere Live Pics - hier
Das Interview mit Mick & Keith zu dieser Tour findet Ihr
- hier |