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Und jawohl, da steh' nicht nur ich, die sich einerseits zum wiederholten Mal fragt: “ja zum Geier nochmal – was tun die denn schon wieder hier in München?”. Andererseits freut es uns natürlich, dass Michael Trent Reznor erneut nach so kurzer Zeit an unsere Haustür klopft, genauer gesagt, nach noch nicht einmal einem halben Jahr. Hat er sich etwa so in München verknallt, dass er uns diesen, im wahrsten Sinn, - Cluggig vergönnt? Oder hat sich das Ganze nur so rein zufällig ergeben, um die Lücke bis zur Heimkehr in die Staaten zu verkürzen?! Oder aber ist der Bedarf an NIN hier in München besonders hoch?! Nun, so ganz hundertprozentig werden wir das wohl nie erfahren. Fakt ist, dass es sich bei diesem Auftritt tatsächlich um einen Clubgig handelt, zumindest was die Dimensionen der Nine Inch Nails betrifft. So füllen sie doch normalerweise Venues mit bis zu 7.000 Fans, oder treten bei Open Air Festivals mit noch mehr Kapazität auf. Verglichen damit, nimmt sich unser guter alter Circus Krone noch klein aus mit gerade mal ca. 1.000 Fans, die ihren Weg heute Abend hier her gefunden haben. Allerdings dürfte andererseits das Bedürfnis nach NIN dann doch nicht überhand genommen haben, denn das Spektakel ist mitnichten ausverkauft. Oder ist es lediglich die, - immer noch – Urlaubszeit, die etliche Leute nach wie vor am Strand baden lässt, anstatt sich schon wieder  den musischen Künsten zuzuwenden?! 
Aber auch egal.... Fakt ist, dass diese Band, die ohnehin schon von einer ungeheuren Intensivität geprägt ist, in kleinem Rahmen, noch unendlich  mehr zur Geltung kommt. Und haben mich die NIN im vergangenen März nicht wirklich überzeugt, danke einer gewissen spürbaren Lustlosigkeit ihrerseits, (siehe
hier) so nimmt sich das Event heute in krassen und vor allem positiven Gegensatz dazu aus.  Was heißt – Band?! Bei jeder weiteren Livereview zu NIN wiederhole ich immer wieder den selben Satz: Nine Inch Nails sind Trent Reznor, und Trent Reznor ist Nine Inch Nails, und sonst absolut keiner und niemand - und aus Schluss und Fidibus.

Der Rest ist das notwendige Übel, das man benötigt, um die Musik live on Stage auch umzusetzen. Vor dem Gig heute Abend hat Trent bei einem Meet & Greet schon gemeint: „seht es Euch gut an heute, denn diese Band  werdet Ihr in der Form nie mehr zu Gesicht bekommen“.  Glaub ich ihm sofort. Trent hat noch nie eine Sache zwei Mal gemacht, bzw. wiederholt. Er ist etwas müde vom Tourneestress der vergangenen Wochen, meinte er zusätzlich. Aber davon ist später im Set nichts zu spüren. Er ist halt ein Profi, der unter seinem eigenen Perfektionismus leidet. Letzeres hat er einmal in einem vergangenen Interview so formuliert. In Reznor paart sich diese Perfektion mit Leidenschaft, Aggression, ein Hauch Melancholie, aber auch Resignation. Der Mann besitzt eine fast schon unheimliche sexuelle Ausstrahlung on Stage, und das trotz seiner, gerade mal höchstens 1.65 m Körpergröße. Die Aura wird von abstrakten Lichtorgien unterstrichen, die wiederum uns Fotografen das Leben zur Hölle machen. War es letztes Mal noch Track 5-7, die geknipst werden durften, so sind es diesmal 9 – 12, während derer wir verzweifelt versuchen, Trents, wieder schlanker gewordene, Silhouette in diffusem Licht festzuhalten. Und gelingt es dann tatsächlich für einen winzigen Moment seine Auge direkt in die Linse zu kriegen, so ist der Blick stechend, um es nicht beinahe tödlich zu nennen. Der Song ‚Closer’ passt hier genau dazu. Ihr wisst was ich meine.... – ‚I wanna f... you like an a... usw. usw. Es passt einfach alles zusammen, - so perfekt, so intensiv, so vollkommen....

Eine Nine Inch Nails Show ist wahrhaftig ein Erlebnis. Hier paart sich ein Vibe, der durch Mark und Bein geht, mit genialer Musikalität, die sich in einem Aufschrei an Frustration entlädt. Und jener wird eben durch die abnorme und doch so geniale Lightshow unterstrichen. Für einige Augenblicke zieht auch  Gitarrist Aaron North  die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich. Zum einen als er sich samt Instrument in die wogende Menge stürzt, und dann zum Finale, als die Zerstörungwut ihr Tribut zollt,  und die Gitarre, und nicht nur die, dran glauben muss. Das alles, nachdem Mr.Reznor schon längst die Bühne verlassen hat.


Jordie White
ein bisserl verändert hat er sich schon, seit den Marilyn Manson Zeiten & den Pseudonym Twiggy Ramirez


Aaron North

Man möchte es kaum glauben, dass Trent Reznor im normalen Leben eine wahre Quasselstrippe ist, der redet und redet und redet. On Stage mimt er das Gegenteil und verliert zwischen den Songs nicht ein  Wort an das Publikum. Nein , nicht ganz ! Ein einziges Mal ertönt ein lapidares „thank you“ aus der Dunkelheit.  Wauw, - das ist viel,- sehr viel für einen Trent Reznor.  Abgesehen davon lässt er lediglich die komplette Philosophie seiner geistig-musikalischen Schöpfungen vom Stapel, was allerdings, dank der vorhin erwähnten Intensität vollends genügt.  Knappe zwei Stunden, wie immer eigentlich, ein letztes aufbäumendes „Head Like A Hole“, und der Meister verschwindet ohne Good Bye und ohne sich umzudrehen in der Finsternis, - und natürlich ohne jegliche weitere Rückkehr. Wie immer halt.... Und eigentlich hat sich bei einem NIN Konzert noch nie jemand über fehlende Zugaben beschwert. Wahrscheinlich deshalb, weil es einfach genug ist....
Genug haben wir aber von den Nine Inch Nails noch lange nicht , auch wenn Trent angekündigt hat, dass es allerhöchstens noch zwei Alben unter dem Pseudonym NIN geben wird..... Und dann...?! Ich glaube, das weiß er selbst noch nicht so ganz genau. Aber ich bin mir sicher, dass diesem genialen und doch so verrückten Hirn  noch so manches Kuckucksei entspringt.

Ich für meinen Teil frage mich lediglich: haben wir die NIN,  mit ihrer, oder sollte ich besser sagen, seiner Musik,  heute eventuell zum letzten Mal live gesehen und gehört?! 
Irgendwie hoff' ich das mal inständig nicht..... - Wie heißt es doch so schön: sag niemals nie.....

http://www.nin.com  

PS: mit Sicherheit ist dieses Konzert eines der 3 Highlights dieses Jahres neben Steely Dan und den Eagles of Death Metal.

Foto anklicken für "Head Like A Hole" - live in Reading vor ca. einer Woche am 28.08....