Erwartungen sind da, um erfüllt zu werden. Aber wenn diese Erwartungen dann ganz anders ausfallen als gedacht, dann ist der nachaltige Effekt umso wirksamer, so geschehen beim Konzert von Evile im Backstage Club, der heute Abend nur mäßig gefüllt, nicht unbedingt aus allen Nähten platzt. Etwas konkreter in Zahlen ausgedrückt, heißt das ca. 50 Fans, die ihren Weg hier her gefunden haben an diesem bitterkalten Werktags-Abend hier in München. Trotzdem stehen drei Vertreter der knüppelnden Zunft auf dem Programm-Plan, allen voran Evile, an die ich mich noch wage erinnern kann. So habe ich die Engländer irgendwann mal in nicht allzu ferner Vergangenheit als Opener irgendeines Thrashmetal Paketes live on stage gesehen, und das ebenfalls in München. Aber bitte fragt mich jetzt nicht nach den genauen Daten, denn die krieg’ ich aus dem Stehgreif von einer Sekunde auf die andere, nicht zusammen. Ist ja auch egal. Evile haben sich zwischenzeitlich jedenfalls gemausert, und statt nach wie vor im Fahrwasser noch bekannterer Acts zu kraulen, haben sie den Kamikaze Flug einer Headliner-Clubtour auf sich genommen. Nun, wie sagt man so schön: wer nichts wagt, der nichts gewinnt. Und vielleicht ist es bei anderen Terminen jaauch wesentlich besser gelaufen als in München, aber das entzieht sich meiner Kenntnis.

Wir sind heute Abend jedenfalls hier im Club, wo just in diesem Moment Dr.Living Dead zum Appell zur fröhlichen Totenkopf-Party blasen.


Heilandsakra, die bläuliche Blässe im fahlen Antlitz unterstreicht den hohlen Augenaufschlag in noblem noir, und Colgate Ultra Weiß macht Werbung für so manchen morschen Backenzahn in übertragenem Sinn, versteht sich. Denn unsere Beißerchen hier, sind genauso wie der Rest der edlen Häupter aus Plastik und dienen lediglich der Imagepflege.
However, Dr.Living Dead kommen aus Schweden und klappern mit ihren künstlichen Skeletten bereits seit 2007 durch die Hardcore Krypta des Heavy Metals. Aber es benötigte vier Jahre, um das selbstbetitelte Debütalbum zu gebären, weiß der Kuckuck warum. Ich muss zugeben, ich war von jeher und bin es immer noch, etwas überfordert, was die verschiedenen Unterkategorien des Heavy Metals betreffen. Aber ich habe mir sagen lassen, dass es sich hierbei um eine Cocktail-Mischung  aus Hard- und Grindcore handelt, die sich wiederum mit dem sogenannten Old School Metal verquickt. Du lieber Himmel, wenn mir jetzt jemand den Unterschied zwischen einer nigerianischen Tze Tze Fliege und einem Wüstenfloh aus dem südlichen Nildelta zu erklären versuchte, hätte das in etwa den gleichen Erfolg. Also lassen wir das lieber gleich frisch bleiben und beschränken uns auf die Tatsache, dass es vor allem laut  ist und demzufolge das eigene Gehör  wieder mal ein Kamasutra aus multiplizierten Schallwellen zu spüren bekommt.  Auf alle Fälle ist der visuelle Aspekt gegeben. Und das erfreut wiederum jede Kameralinse um ein vielfaches, nach dem Motto: so kommt auf keinen Fall Langeweile auf. –


leider gibt es nur diese eine Setliste vom ganzen Konzert.......


also ich weiß nicht so recht... aber gut,
Stilbrüche soll's schon immer gegeben haben.....

Aber das tut’s hier ohnehin nicht. Denn die wenigen Apostel dieser metallischen Kunstader baden sich in der imaginären Sonne grindcorischen Ultraschallwellen. Sei’s drum, Unterhaltungswert haben die schwedischen Boandlkramer allemal. Und wem die Darbietung auch noch akustisch zusagt, der ist hier wirklich bestens bedient.
http://www.deathfuckingthrash.se/ 

Die zweite Klangkaskade innerhalb unseres Reigens unterscheidet sich vom Opener in so einem Maße, dass sogar mir der kleine aber feine Unterschied sofort ins Trommelfell krabbelt.


Denn hier ist nicht von Hard- bzw. Grindcore die Rede, sondern von feinstem Black Metal, der da von jenen Nachtschattengewächsen dargeboten wird, die sich Portrait nennen. Und die einzige Gemeinsamkeit zur vorhergehenden Sonate besteht aus deren Herkunft, die ebenfalls im Land der Elche zu suchen ist, genau definiert in Kritianstad. Und sie können sogar noch ein Jahr dranhängen, was die Existenz als Band angeht. Außerdem haben Portrait schon einige Visitenkarten mehr im Sarkophag. Genauer betrachtet sind es bislang 2 Eps und 2 volle Studioalben, die ihnen inzwischen einen etwas höheren Status als den der Zombie Docs verliehen hat. Und während erstere straight nach Schema F – hau drauf und Rübe ab zielen, ist bei dieser Combo doch ein gewisser Melodien-Verlauf zu erkennen. In der Tat erinnern sie mich, wenngleich auch nur entfernt, ein wenig an King Diamond, oder Mercful Fate, was aber natürlich auch am Heldentenor von Karlchen auf dem D..... äh, ich meine natürlich Per Karlsson liegen kann. Denn jener lässt damit jedes Bleikristall zerspringen, befürchte ich. Und das beweist er hier auch, allerdings weniger anhand von Edelglas, als vielmehr mittels Band Gips-Maskottchen Porti (Anm.: ich hab ihn mal so getauft) dem irgendwann das hohe F gar nicht mehr behagt hat und sich lieber in tausend Scherben über den Altar verlustriert. 


Das kommt wiederum so überraschend, dass Karlchens Gesichtsausdruck in dem Moment wirklich eine filmreife Mimik entwickelt. Der Gute sollte sich tatsächlich mal für den nächsten Phantom der Oper Streifen von Dario Argento bewerben. Jener Kultregisseur zeichnete in der Vergangenheit schließlich schon für das Drehbuch zu ‚Spiel Mir Das Lied vom Tod’ verantwortlich. Die Trauer ist jedenfalls groß obgleich Portis unrühmlichen Endes, aber wir sind ja schließlich Profis und lassen uns das nicht anmerken. Deshalb ergießt sich unsere Front-Schleiereule mit dem raffinierten Lidstrich, auch weiterhin in beschwörende Arien, die locker mit der von jener Königin der Nacht mithalten können, Ihr wisst schon, die Dame aus Mozarts Zauberflöte, deren Koloratur Gezwitscher schwieriger nachzuahmen ist, wie die Grunzlaute eines brünftigen Warzenschweins in Neu Guinea. – Als hübsches Accessoire erweist sich auch der aparte Halsschmuck unseres Metal Carusos hier, dessen überdimensionale Holzkreuz-Form umgekehrten Tatsachen entspricht, also absolut stilecht sozusagen.
 


Interessante Perspektiven bieten Portrait fürwahr, lediglich die immense Lautstärke tut das ihrige, um das Hohe F im Soundgewitter fast ertrinken zu lassen. Schade, denn im Prinzip bieten die Schweden so einiges, sowohl fürs Auge als auch, man höre und staune, fürs Ohr.
http://www.portraitband.se/ 

Und damit kommen wir zum eigentlichen Star des Abends, der aber zugleich, zumindest in optischen Belangen, der unspektakulärste ist. Denn außer lange Haare, stinknormale T-Shirts und Jeans findet man keine außerordentlichen Abstraktheiten da oben.


Dafür besitzt Sänger Matt Drake eine derart hohe  Attraktivität, dass so manche Metalbraut glänzendes Mattgold in den Augenwinkel bekommen würde. Ich sage bewusst – würde, denn das Problem ist, dass die Zahl der anwesenden weiblichen Zaungäste hier, sich mehr als überhaupt im Nirgendwo hält. Schade, denn der Burschi wäre sicherlich so manche Sünde wert. Aber selber schuld, wenn man sich als Band für die Thrashmetal-Kultur entscheidet. Denn diese wird nun mal hauptsächlich vom starken Geschlecht abonniert.  – Inzwischen ist mir übrigens eingefallen, wann und wo ich Evile schon einmal gesehen habe. Das war 10.März 2008
hier in München in der Elsehalle, und das als Support von Megadeth. –
Immerhin geistern die Engländer jetzt doch schon seit acht Jahren durch die internationalen Metal Gefilde und haben sich dank zweier Eps und dreier Alben einen fixen Namen geprägt. Der neueste Opus Fidibus namens ‘Five Serpent’s Teeth’ ist im vergangenen Jahr erschienen. Und der ist auch Schuld daran, dass man das Risiko ‚Headliner Tour’ in Angriff genommen hat. Es entzieht sich zwar meiner Kenntnis, wie es sich mit den allgemeinen Besucherzahlen woanders verhält, aber hier in München bekleckern sie sich leider nicht unbedingt mit Popularitäts-Lorbeeren. Okay, heute findet erst die zweite Show in Deutschland statt. Also was noch nicht ist, kann noch allemal werden in Sachen Zulauf... Deshalb sollte man die momentanen Umstände noch lange nicht aburteilen. München ist ohnehin als sehr schwieriges Pflaster verschrien, also was soll’s.


Evile das sind außer unserem Sunnyboy Matt Drake auch Bruderherz Ol Drake an den sechs Darmsaiten, sowie Ben Carter am Schlagzeug, wobei man sich fragt, wer bzw. was von beiden jetzt das gewichtigere ist, und Joel Graham, der 2009, den allzu früh verstorbenen Mike Alexander, ersetzt hat. Zugegeben, die Band hat was... und das hat nichts mit optischen Äußerlichkeiten zu tun. Ist es das nahezu perfekte Zusammenspiel, wobei sich heraus kristallisiert, dass Gitarrist Ol ein fast überirdisches Talent an den Tag, bzw. Abend legt. Bruder Matt steht ihm da stimmlich entgegen und versprüht jede Menge – always look on the bride side of life – Charme. Und spätestens jetzt offenbart sich, dass die gute Stube  für die kleine Zuhörerschaft gerade mal eben Platz genug bietet, um sich so richtig auszutoben samt Moshpit und Stagediving.


Was hier fehlt, und das ist alles andere als ein Nachteil, ist die nicht vorhandene Ernsthaftigkeit. Im Gegenteil, da oben wird gelacht gejoked und  keine Spur von bitterbös-finsterer Metal-Philosophie.... Und genau das ist es, was mir an den Jungs am meisten gefällt. Hier gibt’s kein Totenkopf Bowling wie bei Dr.Living Dead und auch keine Satansbraten Trauerweide wie bei Portrait. Nein, hier überwiegt der Rhythmus und die gute Stimmung und der Thrashmetal gewinnt eine absolut unterhaltsame Note. Deshalb muss ich auch allen Ernstes aber mit einem lachenden Augenzwinkern gestehen: Prügelrock hin oder her, aber in seiner Gesamtheit  hat mir Evile recht gut gefallen. Und überhaupt kann man alles in allem  diesen Abend alles andere als langweilig bezeichnen nicht zuletzt dank Portis zerbröselte Schädelfraktur.
http://www.evile.co.uk/

Weitere Fotos gibts bei   www.metalhammer.de