Immer wieder
fallen einem so kleine Begebenheiten ein, die zwar nicht wirklich
weltbewegend sind, aber dennoch einen unauslöschbaren Platz in der
eigenen Erinnerung beanspruchen. Und wieder einmal sind mir einige
Anekdoten eingefallen, die
sich so und nicht anders an einem einzigen Tag, bzw. Abend zugetragen
haben. Die erste Geschichte hat mit einem der besten Musiker der letzten
40 Jahre zu tun, einem, der Musikkennern umgehend ein ehrfürchtiges
Nicken entlockt bei der bloßen Erwähnung seines Namens, oder aber für
verständnislose Unkenntnis bei der jüngeren Generation sorgt. Die Rede
ist vom gebürtigen Österreicher Joe Zawinul, der Gründer und Erfinder
des ultimativen Fusionsounds. Seine Band Weather Report stellt neben
Miles Davis einen sogenannten Meilenstein im Fusionjazz dar. Und spätestens
mit dem Song ‚Birdland’ schrieb er Musikgeschichte. Über 40
Jahren lebte Joe in den USA, aber den Wiener Slang ist er nie
los geworden. Wie auch immer, die folgende Story erzählt mein einziges
Zusammentreffen mit diesem Ausnahmemusiker im Jahr 2003 in München. Ich muss dazu erzählen, dass ich diese Geschichte bereits im Kapitel 'In Memory' kurz angeschnitten hatte. Hier ist nun die ausführliche Version:
Polynesische
Philosophien
Nightclub Die
2stündige Darbietung war denn auch allererste Sahne ohne wenn und aber.
Und das Publikum zeigte sich mehr als begeistert. Es war, ohne Übertreibung:
saugeil. Und im Prinzip hätte dieser Musiker mit Leichtigkeit große
Hallen füllen können, bevorzugte aber selbst lieber das intime
Ambiente.
Logischerweise gab es nach dem Auftritt noch jede Menge Smalltalk, und
der Club leerte sich nur langsam. – Ums gleich vorweg zu nehmen, ich
bin selbst kein Autogrammjäger, da ich mir aus so was nie etwas gemacht
habe. Aber es galt für einen Freund so eine begehrte Unterschrift zu
holen, einen, für den eine Signatur von Herrn Zawinul wahrscheinlich
Weihnachten, Ostern und Geburtstag zugleich bedeuteten. Also steuerte
ich der Garderobentür zu, die direkt gegenüber des Clubs, durch einen
Flur getrennt, im Keller des Hotels lag. Mein Klopfen verhallte im
allgemeinen Gesprächslärm dahinter. Und beim öffnen der Tür, erwies
sich auch dieser Raum als hoffnungslos überfüllt mit allen möglichen
Adabeis. Da stand ich nun mit meinem Editstift und dem zu signierenden
T-Shirt, fühlte mich deutlich unwohl, schon allein weil ich niemanden
hier kannte, und versuchte zu eruieren, wo sich Herr Zawinul befand,
damit ich meinem Autogrammwunsch möglichst schnell an den guten Mann
brachte, und dann ab die Post und nix wie weg. – Und da stand er, ein
kleiner Mann, mit seiner typischen Kopfbedeckung und sehr wachen Augen.
Ich entschuldigte mich für die Störung und bat um die Unterschrift.
Er hatte noch
keine 10 Minuten erzählt, da bereute ich auch schon, dass ich keinen
Taperecorder mit dabei hatte, um diese ausschweifenden,
abwechslungsreichen Anekdoten mitzuschneiden. Was für ein Jammer. Joe
erzählte von indischen Gurus, tibetanischen Mönchen, Steinzeitmenschen
auf Papua Neuguinea oder Aborigines in Australien mit denen er
Freundschaft geschlossen hatte und dessen Musik er aufgenommen hatte und
später in eigene Kompositionen verarbeitete. Er lernte von ihnen die
exotischsten Instrumente zu spielen um diese später umzufunktionieren
und zu verändern. Die Zeit verging wie im Flug. Und Joe bestellte
gleich nochmal eine Portion Sparerips, weil
die Portionen nicht unbedingt üppig waren. Ja und klar, - bei den
Polynesiern war er auch im Südpazifik. Warum er einst nach Amerika
ausgewandert war? Nun, er wollte damals 1959 an die Berkley School of
Music in Boston, und er reiste dort hin mit dem festen Vorsatz nicht
mehr dauerhaft nach Wien zurück zu kehren. Ich glaube es gab keinen
anderen Künstler, der so viel gemacht hat in seinem Leben und mit so
vielen Leuten zusammen gearbeitet hat, wie eben Joe Zawinul. Zusammen
mit Miles Davis erschuf er den Elektro Jazz. Und Jaco Pastorius, der nur
allzu jung und früh verstorben war, Victor Bailey und Markus Miller
(beide treten ebenfalls hin und wieder im Nightclub vom Bayerischen Hof
auf) sind nur einige wenige Namen, die aus der Ära Zawinul hervor
gingen.
Trotzdem möchte ich diesen Abend/Nacht nie missen wollen in meiner
Erinnerung und wir trennten uns mit dem Versprechen meinerseits, wieder
vor Ort zu sein, im Falle, dass Joe wieder mal in der Stadt sei. Es sollte
nicht mehr dazu kommen. |
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GEORDNETE
VERHÄLTNISSE |
Sämtliche Wände rundrum vom Boden bis zur Decke waren mit Regalen bestückt, die vollgestopft waren mit Schallplatten. Ich fragte mich, ob man da auch nur irgendwas noch finden würde. Daves Schwester erklärte uns sofort, dass es sich hierbei um die Sammlung ihres (Noch)Ehemannes handle. Und der hieß, wie ich bald erfahren sollte, - Elvis Costello. – Ja genau – der Elvis Costello der maßgeblich an der englischen Music history mitbeteiligt war und immer noch ist.
Nein,
er wohne nicht mehr wirklich hier und komme nur mehr sporadisch nach
Hause, um sich gewissen Dinge zu holen, meinte seine Noch-Angetraute.
Und es würde wohl nicht mehr lange dauern, bis auch die
Plattensammlung aus diesem Haus verschwinden würde. Jene war übrigens
nach einem bestimmten System geordnet. Und das beschlossen wir in
dieser Sekunde gehörig durcheinander zu bringen. Wir begannen die
Platten wahllos raus zuziehen und an anderen Stellen wieder rein
zustecken. – Ansich ein Kinderstreich, aber bei geschätzten 20.000
oder noch mehr Longplayern, eine Katatrophe. Mit zunehmendem
Alkoholpegel und Coke-Konsum stieg auch der Einfallsreichtum. Und es
genügte nicht mehr, die Platten als Ganzes zu vertauschen, sondern
auch noch innerhalb ihrer Hüllen. Halleluja, das könnte locker zur
Lebensaufgabe werden, die Dinger wieder in ihre Ordnung zu bringen.
– Gerade als wir so schön mitten drin waren, und das um etwa 2 Uhr
morgens, ertönte dieser eindringliche Summton, der von der
Gartenpforte herrührte. Mrs. Noch-Costello eilte zur Kamera um zu
sehen was da los sei und erschien fast augenblicklich wieder,
allerdings diesmal mit kreidebleichem Gesicht, denn der Noch-Gatte war heim
gekehrt. |
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ROCKSTAR ALLÜREN |
Die dritte Anekdote meiner Kurzgeschichten Teil 2 befasst sich mit einem Herrn, der sich, zumindest eine Zeitlang für einen Mega-Rockstar gehalten hat. Die Rede ist von Mr. John Sykes, der Anfang der Achtziger Jahre anfangs mit den Tygers Of Pan Tang von sich reden machte, aber seinen Namen im Prinzip erst mit Thin Lizzy und dem Album ‚Thunder And Lightning’ etablierte. Nach diesem Kapitel, folgte bekanntlich die Ära Whitesnake. Und nach dessen abrupten Ende nach Fertigstellung des Erfolgsalbums 1987 machte er zwar noch durch diverse andere Projekte von sich reden, wie z.B. seine Band Blue Murder. Aber erst die Wiederauferstehung von Thin Lizzy sorgte dann Ende der Neunziger für ein aufgefrischtes Renomee. Seien wir mal ehrlich, dieser ganze aufgewärmte Hokus Pokus einer einstigen Kultband, die ohne ihren viel zu früh verstorbenen Kopf – Phil Lynott ohnehin nur noch eine Covertruppe ist, hat doch im Prinzip nur dazu gedient, nochmal ordentlich Kohle abzusahnen. Anfangs mag das sogar ganz gut gelungen sein. Denn einstige Thin Lizzy Fans kamen schon allein aus Neugier, um zu sehen wie das denn funktionieren sollte. Gut, Sykes ist unbestritten ein Klasse-Gitarrist, und Scott Gorham ein (fast) Original-Urviech aus vergangenen Tagen. Der Rest der Lizzy Neuauflage war ohnehin austauschbar. Anyway, inzwischen ist John Sykes nach 10 Jahren auch wieder raus, aus warum auch immer.... Wie und ob es überhaupt weiter geht, steht im Moment nach wie vor in den Sternen. Aber zu Beginn dieser Thin Lizzy Parodie sind wir alle eben erstmal angetanzt gekommen. Und so manchem hat es sogar gefallen. Wie sagt man so schön? – Eine gute Band, aber nicht das Orignal – Punkt um.
Auf alle Fälle ergab sich die folgende Story im Jahr 2000, als die Sykes/Gorham Lizzy Version zur zweiten Tour ihrer Existenz aufbrach und u.a. auch in München Station machte. Sie traten im damaligen Babylon auf, das wie einige andere Venues im Kunstpark Gelände (jetzige Kultfabrik) gelegen war. Ca. 1.500 Leute fasst die Bude, und die war an dem Abend denn auch gut gefüllt, wenngleich auch nicht ausverkauft. Ich hatte vorab ein Rendevouz zum Interview Backstage oben in den Garderoben, wobei mir Mr. Sykes Rede und Antwort stand. Zu dem Zeitpunkt verlief auch noch alles relativ normal, und nichts ließ mich auch nur annähernd misstrauisch werden. Das Konzert – so so la la, mal abgesehen von der instrumentalen Perfektion. Aber auf die allein kommt es nun mal nicht an. Und John Sykes sonnte sich im Scheinwerferlicht mit seinen langen blonden Locken, geschwellter Brust und mit offensichtlicher Selbstgefälligkeit. Einzig der Umstand, dass er tatsächlich was auf dem Kasten hat musikalisch, rettete ihn vor mehr Häme
Backstage again hinterher, und was soll ich sagen....? Hier tummelte
sich dann so ziemlich alles was in der Münchner Szene so an Rang und
Namen hat inklusiver einiger hübschen und weniger
hübschen Damen, die mit schmachtenden Blicken und wie Hühner
auf der Stange darauf warteten, von den Rock’n’Rollern etwas
Beachtung zu erhalten.
Bis... ja, bis plötzlich eine
allgemeine Aufbruchsstimmung herrschte, und wir alle den Laden verließen,
um in Richtung Tourbus zu streben. Zwei Girls saßen bereits im Fond des Busses und warteten auf ihren Angebeteten. John
machte allerdings augenblicklich einen Rückzieher, stieg aus dem Bus,
bedeutete einem Roadie, die Damen abzulenken und drehte sich um zu
mir. „Du weißt doch wo wir logieren hier in München?“ fragte er,
wartete aber gar nicht meine Antwort ab, sondern zog mich am Ärmel
hinfort. Nur weg von hier, und das möglichst schnell. – Und da
standen wir nun – allein. Nein, er wolle doch noch nicht zurück ins
Hotel, sondern noch etwas trinken gehen. Also rein ins nächste
Kabuff, samt Eintrittsgeld und horrender Getränkepreise. Aber solange
ich das nicht berappen musste, war’s mir denn auch egal. Nach, ich
weiß nicht wie vielen mehr Drinks, verließen wir endlich die Bar,
und ich hielt das nächstbeste Taxi auf, um den, inzwischen sehr
angeheiterten Johnny Boy endlich zurück ins
Hotel zu bringen. Denn irgendwie fühlte ich mich denn doch für
ihn verantwortlich. Dort angekommen, (auch das Taxi hat er bezahlt so
wie sich’s gehört) Kaum ausgestiegen und drei Schritte getorkelt,
konnte sich unser strahlender Rockstar allerdings kaum noch auf zwei
Beinen halten und sackte förmlich in sich zusammen. Oh mein Gott,
bitte nur das nicht, hier mitten auf der Straße, direkt vor dem
Hotel. Ich schüttelte ihn kräftig und versuchte ihn irgendwie wieder
hoch zu kriegen. Fragt mich bitte nicht wie, aber ich bekam ihn tatsächlich
wieder auf seine zwei Beine, hakte ihn unter und wir betraten
schwankend die Hotel Lobby. Kaum eingetreten, stürzte sich
eine junge Dame auf John, die anscheinend schon seit Stunden
hier gewartet hatte. Was die Beiden miteinander besprachen wollte ich
gar nicht hören. Mir reichte es inzwischen. Ich stellte meine Tasche
an der Rezeption ab und suchte erst mal eine Toilette auf. Als ich zurück
kam in der Hoffnung, dass allesamt verschwunden wären, fand ich
lediglich Sykes vor, nicht aber diese Furie, die sich wie eine
Ertrinkende an ihn geklettet hatte. Er musste sie wohl gnadenlos weg
geschickt haben. Tja, und eigentlich hätte ich jetzt auch schleunigst
das Weite suchen sollen........ hab’ ich aber nicht...
Fakt ist last but not least, es war eine der wenigen
Begebenheiten, wo ich meine Prinzipien gebrochen habe. Aber bereut
habe ich es im Grunde nie! Und immer wieder klingelte das verdammte
Telefon und zwar so lange und ausdauernd, dass John schließlich den
Stecker zog. - |