Immer wieder fallen einem so kleine Begebenheiten ein, die zwar nicht wirklich weltbewegend sind, aber dennoch einen unauslöschbaren Platz in der eigenen Erinnerung beanspruchen. Und wieder einmal sind mir einige Anekdoten  eingefallen, die sich so und nicht anders an einem einzigen Tag, bzw. Abend zugetragen haben. Die erste Geschichte hat mit einem der besten Musiker der letzten 40 Jahre zu tun, einem, der Musikkennern umgehend ein ehrfürchtiges Nicken entlockt bei der bloßen Erwähnung seines Namens, oder aber für verständnislose Unkenntnis bei der jüngeren Generation sorgt. Die Rede ist vom gebürtigen Österreicher Joe Zawinul, der Gründer und Erfinder des ultimativen Fusionsounds. Seine Band Weather Report stellt neben Miles Davis  einen sogenannten Meilenstein im Fusionjazz dar. Und spätestens mit dem Song ‚Birdland’ schrieb er Musikgeschichte. Über 40 Jahren lebte Joe  in den USA, aber den Wiener Slang ist er nie los geworden. Wie auch immer, die folgende Story erzählt mein einziges Zusammentreffen mit diesem Ausnahmemusiker im Jahr 2003 in München.
Ich muss dazu erzählen, dass ich diese Geschichte bereits im Kapitel 'In Memory' kurz angeschnitten hatte. Hier ist nun die ausführliche Version:


Joe Zawinul & Weather Report feat.Jaco Pastorius 1978
Am Schlagzeug: Peter Erskine
"Birdland" 

                                                                          Polynesische Philosophien


Der Nightclub im Hotel Bayerischer Hof in München... – ein Mekka für Freunde der gediegenen Jazz, World- und Fusion Musik. Und zu verdanken hat man dies der Chefin (Bild links) des ehrenwerten Hauses, die selbst allergrößter Fan dieser Stilistik ist und sich mit jenem Nightclub Programm quasi selbst eine Freude macht. Oft schon war ich in den vergangenen Jahren dort Gast gewesen. Iich spreche hier von den 90er Jahren und auch später und bin es  immer noch hin und wieder. 

                                                                                             Nightclub
Die rustikal-gemütliche Atmosphäre und das gediegene Ambiente tut das seinige, damit man sich dort sofort wohl fühlt. Einziger Schwachpunkt sind die Getränkepreise, z.B. 6,-- Euro für ein Pils, oder gar 8,-- für ein Glas Wein. Aber wer hier her kommt weiß das auch...immerhin ist es ein ‚Nightclub’ und das im ersten Hotel am Platz, bzw. in München,  also so what? Viele erstklassige Künstler haben sich hier schon die Klinke in die Hand gegeben. Und an jenem Abend war es eben Joe Zawinul und seine Band. Ich muss gleich dazu sagen, dass ich diese Location, die ca. 200 Leute fasst, noch nie so überfüllt erlebt habe. Ein Durchkommen zu seinem Sessel, sofern man überhaupt einen inne hatte, wurde zur Unmöglichkeit. Und in diesem bunten Völkchen konnte man auch so manchen namhaften Musiker erspähen, der aus purer Neugier gekommen war, um sich Zawinul live anzusehen, unter ihnen auch Klaus Doldinger. 
                                                                                      
                                                                                            Klaus Doldinger 

Zawinuls Performance war eine Mischung aus Jazz und Worldmusic und das so absolut perfekt vorgetragen, dass es fast schon unheimlich war. Obwohl es heißt ja nicht umsonst: wer in Zawinuls Band gespielt hat, kann sich etwas einbilden. Der Meister selbst, inzwischen 71 Jahre jung, gab sich mondän etwas unnahar und vor allem unfehlbar. So erweckte es jedenfalls den Eindruck. 

Die 2stündige Darbietung war denn auch allererste Sahne ohne wenn und aber. Und das Publikum zeigte sich mehr als begeistert. Es war, ohne Übertreibung: saugeil. Und im Prinzip hätte dieser Musiker mit Leichtigkeit große Hallen füllen können, bevorzugte aber selbst lieber das intime Ambiente.

Logischerweise gab es nach dem Auftritt noch jede Menge Smalltalk, und der Club leerte sich nur langsam. – Ums gleich vorweg zu nehmen, ich bin selbst kein Autogrammjäger, da ich mir aus so was nie etwas gemacht habe. Aber es galt für einen Freund so eine begehrte Unterschrift zu holen, einen, für den eine Signatur von Herrn Zawinul wahrscheinlich Weihnachten, Ostern und Geburtstag zugleich bedeuteten. Also steuerte ich der Garderobentür zu, die direkt gegenüber des Clubs, durch einen Flur getrennt, im Keller des Hotels lag. Mein Klopfen verhallte im allgemeinen Gesprächslärm dahinter. Und beim öffnen der Tür, erwies sich auch dieser Raum als hoffnungslos überfüllt mit allen möglichen Adabeis. Da stand ich nun mit meinem Editstift und dem zu signierenden T-Shirt, fühlte mich deutlich unwohl, schon allein weil ich niemanden hier kannte, und versuchte zu eruieren, wo sich Herr Zawinul befand, damit ich meinem Autogrammwunsch möglichst schnell an den guten Mann brachte, und dann ab die Post und nix wie weg. – Und da stand er, ein kleiner Mann, mit seiner typischen Kopfbedeckung und sehr wachen Augen. Ich entschuldigte mich für die Störung und bat um die Unterschrift.
Er sah mich an und meinte lapidar: „Du bist  anders“. Dabei hatte ich mich noch nicht mal vorgestellt. Ein weiterer Verehrer machte sich vor mir breit und beglückte Joe mit einer Plastiktüte, die 2 Flaschen Schnaps enthielt. Aber der Meister gab sich nach einem Dankeschön nicht weiter mit ihm ab, drehte sich wieder zu mir um und meinte: „jetzt gehen wir auf ein Bier miteinander“, sagte es, öffnete die Tür auf und schob mich sanft aber bestimmt raus. Meine Annahme, dass noch jemand von der Band und dergleichen mitginge, erwies sich als Fehlgedanke. 
Ebenfalls in diesem Hotel und auch im Keller befindet sich eines der teuersten Restaurants Münchens, aus der Kette Traders Vics. Und genau diesem, steuerte Zawinul mit Zielstrebigkeit zu. Zurück blieben all die Wichtigtuer und Insider, vor allem jene, die im Club noch immer auf ein Auftauchen des Stars des Abends warteten. Pech gehabt Leute, denn der würde an dem Abend mit Sicherheit nicht mehr auftauchen.  – 
Peng, genau vor der Eingangstür des Traders Vics stolperte unser King of Fusion und fiel der Länge nach hin. Gerade noch rechtzeitig hielt er die Plastiktüte mit den Schnapsflaschen hoch, damit wenigstens diese nicht zu Bruch gingen. Einerseits war das ein Bild für Götter und ich musste mich zusammenreißen, damit ich nicht laut loslachen würde. Andererseits bot er mit seinen löchrigen Jeans und dem alten Hemd darüber ein Bild, das eher auf einen Penner unter der Isarbrücke vermuten ließ, aber beileibe nicht einen Multiinstrumentalisten, der seit langem Dollarmillionär war. Ihr hättet die Blicke der Traders Vics Belegschaft sehen sollen. Denn die hatten keine Ahnung, dass es sich bei diesem Herrn, um den Star aus dem ausverkauften Nightclub handelte. Man führte uns zu einem Tisch und reichte uns die Menükarten. Halleluja, wenn man sich die Preise hier ansah, dann war’s im Nightclub drüben noch billig. Mit einer vollen Mahlzeit inkl. Getränke ist man in diesem Restaurant zu zweit locker mal eben 150 – 200 Euro  los. Meister Zawinul bestellte Sparerips mit Dips polynesischer Art für Zwei und aß, wie soll ich es beschreiben, mit allen 10 Fingern. Noch weniger, als dass jetzt niemand sonst mitgekommen war, hatte ich hier eine komplette Mahlzeit erwartet. Und dann fing Joe an zu erzählen... von seiner Karriere, von 40 Jahren Arbeit und dadurch bedingte Reisen rund um den Globus. Und jeder Erdteil vermittelte ihm weitere Inspirationen zu neuen musikalischen Experimenten. 


http://www.tradervics.com/rest-munich.html

Er hatte noch keine 10 Minuten erzählt, da bereute ich auch schon, dass ich keinen Taperecorder mit dabei hatte, um diese ausschweifenden, abwechslungsreichen Anekdoten mitzuschneiden. Was für ein Jammer. Joe erzählte von indischen Gurus, tibetanischen Mönchen, Steinzeitmenschen auf Papua Neuguinea oder Aborigines in Australien mit denen er Freundschaft geschlossen hatte und dessen Musik er aufgenommen hatte und später in eigene Kompositionen verarbeitete. Er lernte von ihnen die exotischsten Instrumente zu spielen um diese später umzufunktionieren und zu verändern. Die Zeit verging wie im Flug. Und Joe bestellte gleich nochmal eine Portion Sparerips, weil  die Portionen nicht unbedingt üppig waren. Ja und klar, - bei den Polynesiern war er auch im Südpazifik.

Warum er einst nach Amerika ausgewandert war? Nun, er wollte damals 1959 an die Berkley School of Music in Boston, und er reiste dort hin mit dem festen Vorsatz nicht mehr dauerhaft nach Wien zurück zu kehren. Ich glaube es gab keinen anderen Künstler, der so viel gemacht hat in seinem Leben und mit so vielen Leuten zusammen gearbeitet hat, wie eben Joe Zawinul. Zusammen mit Miles Davis erschuf er den Elektro Jazz. Und Jaco Pastorius, der nur allzu jung und früh verstorben war, Victor Bailey und Markus Miller (beide treten ebenfalls hin und wieder im Nightclub vom Bayerischen Hof auf) sind  nur einige wenige Namen, die aus der Ära Zawinul hervor gingen. 
Joe erzählte mir denn auch ausschweifend über den morbiden Charakter eines Jaco Pastorius, und dass dessen Tod irgendwie vorprogrammiert war.  Kaum zu glauben, aber es waren denn auch satte 4 Stunden vergangen, während der es auch nicht eine einzige Minute langweilig geworden war. Fest stand auch,  40 – und ein paar zerquetschte Jahre in Amerika konnten Zawinul dennoch seinen typischen Wiener Schmäh und Charme nicht nehmen. Ich muss gestehen, ich habe mich selten so gut und spannend unterhalten, wie an jenem Abend und das ohne weitere Zaungäste, obgleich der  Schikeria, die alle etwas von ihm wollten. Und das, muss ich gestehen, schmeichelte natürlich meinem Ego. Nie vergessen werde ich auch, als es ans Bezahlen ging. In diesem vornehmen Laden, wo jeder Gast eigentlich seine goldene Kreditkarte zückt und vornehm dezent in das servierte Ledermäppchen platzierte, wutzelte Joe aus seiner ausgeleierten Hosentasche einige zerknüllte Geldscheine heraus und warf sie achtlos auf den Tisch. Und dabei handelte es sich mit Sicherheit um mindestens fünf Hunderter, wenn nicht mehr. Dabei konnte man der Bedienung deutlich die Skepsis ansehen, ob dieser, etwas verlottert-wirkende Herr auch zahlungsfähig wäre. Aber wenn Joe Zawinul eines nicht was, dann war es das..
4.30 Uhr morgens und totmüde, und trotzdem hätte ich noch stundenlang da sitzen - und  den weatherreportischen Stories zuhören können. Joe fragte mich dann noch, ob ich einen weiten Heimweg hätte, zur Not hätte er in seinem Hotelzimmer hier noch ein Sofa stehen. Das Ganze sagte er mit so einer Ernsthaftigkeit, dass ich mich zusammenreißen musste, um nicht zu lachen. Ich meine, viele Musiker versuchen ihr Glück, wenn es zu privateren Situationen kommt, aber mit über 70 Jahren wirkte das bei Joe, wie soll ich es beschreiben, irgendwie komisch.Aber böse sein konnte ich ihm deshalb nicht.

Trotzdem möchte ich diesen Abend/Nacht nie missen wollen in meiner Erinnerung und wir trennten uns mit dem Versprechen meinerseits, wieder vor Ort zu sein, im Falle, dass Joe wieder mal in der Stadt sei. Es sollte nicht mehr dazu kommen.
Josef Erich Zawinul, verstarb mit 75 Jahren am 11. September 2007 im Wilheminenspital in Wien an Hautkrebs. Übrigens seine Frau Maxine war nur wenige Wochen vor ihm im Juli 2007 verschieden. Sein Grab liegt genau neben dem von Beethoven und Brahms am Wiener Zentralfriedhof. Und auf dem Grab steht vorerst nur ein schlichtes Holzkreuz mit der Inschrift: Joe Zawinul 1932 - 2007. Maxine Zawinul 1941 - 2007. 
Aber eines steht fest, wenn ich irgendwann  wieder mal in Wien bin, dann besuche ich ihn ganz bestimmt. Ich meine, versprochen ist nun mal versprochen.


 

GEORDNETE VERHÄLTNISSE


Eine kleine amüsante Begebenheit ereignete sich während meinen London Jahren. Ganz genau kann ich das Datum auch hier wieder nicht nennen. Aber es muss im Herbst 1988 gewesen sein, zu einem Zeitpunkt, wo ich noch nicht voll in die Londoner Rock’n’Roll Society eingemeindet war. Auch muss ich gleich gestehen, dass es zu dieser kleinen Geschichte kaum Fotos gibt, da ich just an jenem Abend keine Kamera mit dabei hatte.
Es war einer jener Abende, wo man ansich nichts vor hatte, aber trotzdem nicht zu Hause bleiben wollte. Und da London bekanntlich das Mekka der Musikszene ist und immer schon war, fiel es auch nicht schwer, sich einen der vielen Rockclubs auszusuchen, um dort ordentlich einen abzurocken. Eine dieser Bars war das Rock Garden am Covent Garden, mitten im Herz Londons. Ebenerdig war dies ein Restaurant, in welchem man Burger und Tex Mex Food genießen konnte, im Keller befand sich die Bar, eine Tanzfläche und eine kleine Bühne, auf der diverse Kleinkünstler ihr Talent zum Besten gaben. Meist kannte man die Bands und Musiker nicht einmal. Aber egal, in diesem Fall ging es ja weniger darum, eine Band live on Stage auszukundschaften, als vielmehr um die allgemeine Unterhaltung inkl. erhöhtem Alkoholkonsums. Aber auch andere ungesunde Konsumgüter wechselten hier in schöner Regelmäßigkeit die Besitzer, wenn Ihr wisst, was ich meine. Ob das heute noch der Fall ist nach über 20 Jahren bezweifle ich stark. Ich meine mich sogar erinnern zu können, dass der Laden zwischenzeitlich geschlossen wurde. Ich war nicht oft im Rock Garden, muss ich gestehen, und wenn, dann hielt ich mich nie besonders lange dort auf. An diesem einen Abend spielte auch irgendeine Band. Aber fragt mich bitte nicht mehr, wer das war. Mit halben Ohr war man dabei, und mit den Augen suchte ich die unmittelbare Umgebung ab nach Unterhaltung. Ich habe mich noch nie schwer getan, Leute kennen zu lernen. Aber so schön das mitunter ist, es kann auch nervtötend sein, wenn man dann irgendwelche unsympathische Verehrer nicht mehr vom Hals kriegt.
It’s showtime, und das im wahrsten Sinn des Wortes. Und alles fing an mit ein wenig Zigarettenasche, die jemand unab - oder absichtlich auf meine linke Schulter fallen ließ.
Der Kerl war eher einer von der Sorte Allerweltstypen, nicht besonders groß oder schön und vor allem unauffällig. Um ehrlich zu sein, ich kann mich nicht mal mehr genau an seinen Namen erinnern. Ich nenne ihn jetzt einfach mal Dave. Nun, Dave entschuldigte sich für die, auf mich gestreute, Asche und versuchte diese mit zwei Fingern weg zu schnippen. Er grinste etwas verlegen und fragte mich, ob er mich für das Missgeschick zu einem Drink einladen dürfe. Das war zwar das übliche Angebaggere, aber eine Drink-Einladung lehnte ich in jener Phase generell nie ab. Denn meine damalige finanzielle Situation begrüßte jede Gelegenheit dieser Art. Auch wenn ich es jetzt in dem Fall nicht unbedingt darauf angelegt hatte, muss ich gestehen. Und so kamen wir ins Gespräch, dass sich mit der Zeit als recht interessant entpuppte. Über was wir genau gesprochen haben, kann ich heute nach über 20 Jahren nicht mehr sagen, aber das ist ja auch nicht relevant . Auf alle Fälle hatte er noch einen Bekannten und dessen Freundin im Schlepptau, die sich aber verständlicherweise etwas abseits hielten. Irgendwann schlug Dave vor den Standort zu wechseln, und er meinte, er hätte da schon so eine Idee. Wir verließen das Rock Garden, schnappten uns das nächstbeste Taxi, um.... weiß Gott wohin zu fahren. Auf alle Fälle handelte es sich nach einer, mindestens 30minütigen Fahrt, um einen südlichen Vorort von London. Der Wagen hielt vor einem relativ großen Anwesen, das von eindeutigem Wohlstand zeugte. Dave ging schnurstracks auf das große Tor zu, das von links und rechts oben von Kameras beäugt wurde. Auf sein Klingeln öffnete sich die Pforte fast lautlos, und wir gingen in Richtung Eingangstür, die sich umgehend öffnete. Eine hübsche Blondine lächelte uns zu und begrüßte Dave mit einer herzlichen Umarmung. Meine offenen Fragen wurden schnell beantwortet, als mir Dave seine Schwester vorstellte, die anscheinend diese Nobelherberge bewohnte. Ein Einrichtung war vom feinster, altenglischer Stil mit modernster Technik ausgerüstet. Aber als wir den sogenannten Living Room betraten, blieb mir schier die Spucke weg. Im Ernst, aber ich habe noch nie vorher und auch nach her nicht, so eine riesige Plattensammlung gesehen. 

Sämtliche Wände rundrum vom Boden bis zur Decke waren mit Regalen bestückt, die vollgestopft waren mit Schallplatten. Ich fragte mich, ob man da auch nur irgendwas noch finden würde. Daves Schwester erklärte uns sofort, dass es sich hierbei um die Sammlung ihres (Noch)Ehemannes handle. Und der hieß, wie ich bald erfahren sollte, - Elvis Costello. – Ja genau – der Elvis Costello der maßgeblich an der englischen Music history mitbeteiligt war und immer noch ist.


Promo Pic


Videoclip zu einem seiner größten kommerzielen Hits
'Oliver's Army'

http://www.elviscostello.com/ 

Nein, er wohne nicht mehr wirklich hier und komme nur mehr sporadisch nach Hause, um sich gewissen Dinge zu holen, meinte seine Noch-Angetraute. Und es würde wohl nicht mehr lange dauern, bis auch die Plattensammlung aus diesem Haus verschwinden würde. Jene war übrigens nach einem bestimmten System geordnet. Und das beschlossen wir in dieser Sekunde gehörig durcheinander zu bringen. Wir begannen die Platten wahllos raus zuziehen und an anderen Stellen wieder rein zustecken. – Ansich ein Kinderstreich, aber bei geschätzten 20.000 oder noch mehr Longplayern, eine Katatrophe. Mit zunehmendem Alkoholpegel und Coke-Konsum stieg auch der Einfallsreichtum. Und es genügte nicht mehr, die Platten als Ganzes zu vertauschen, sondern auch noch innerhalb ihrer Hüllen. Halleluja, das könnte locker zur Lebensaufgabe werden, die Dinger wieder in ihre Ordnung zu bringen. – Gerade als wir so schön mitten drin waren, und das um etwa 2 Uhr morgens, ertönte dieser eindringliche Summton, der von der Gartenpforte herrührte. Mrs. Noch-Costello eilte zur Kamera um zu sehen was da los sei und erschien fast augenblicklich wieder, allerdings diesmal mit kreidebleichem Gesicht, denn der Noch-Gatte war heim gekehrt.
                                                                                                      
Ausgerechnet heute Nacht, und um diese Zeit... allgemeine Panik war angesagt mit der Vorgabe: nix wie raus hier – ab durch den Garten zur Hintertür, die selbstredend verschlossen war. Es half alles nichts, jetzt hieß es über die Mauer klettern. Und das war Schwerstarbeit. Mittlerweile war zu allem Überfluss auch noch die Alarmanlage losgepoltert. Und in der Ferne ertönte der wohlbekannte Polizeiton.
Dave, die anderen Beiden und ich rannten drauf los, ab durch die Mitte, egal wohin, Hauptsache weg. Nur Mrs.Costello hielt die Stellung, um jetzt ihrem Noch-Göttergatten erklären zu dürfen, was denn passiert sei. Wie jener auf all das reagiert hat, denn die Verwüstung im Living Room war unübersehbar, - weiß ich bis heute nicht. Aber angenehm dürfte es wohl nicht gewesen sein für Daves Schwester. Vor allem deshalb, weil neben dem Plattensalat mit Sicherheit noch Rückstände von anderen ungesunden Substanzen liegen geblieben waren. Eieiei, das könnte brenzlig geworden sein. – Jedenfalls keine Ahnung was da noch war dann...
Tatsächlich schafften wir es irgendwie wieder auf eine Hauptstraße und kaperten uns ein Cap. Das befreundete Pärchen verließ uns irgendwann, und wir fuhren zu Dave bei dem ich dann den Rest der aufregenden Nacht verbrachte. Allerdings war jener, ich meine der Rest, dann weniger berauschend. Am nächsten Vormittag noch eine kurze Verabschiedung, und zwar war es eine auf Nimmer Wiedersehen. Keiner legte Wert drauf, keiner war mehr interessiert. Aus, Schluss und Feierabend. Ich für meinen Teil war froh, alsbald wieder weit weg von allem zu sein, und dank der Tatsache, dass ich nie meinen Nachnamen oder sonst was preis gegeben hatte, dürfte es auch schwer gefallen sein, mich zu finden. Na, und last but not least, glaube ich auch kaum, dass Mrs.Costello ihren eigenen Bruder verpfiffen hat...  Was auch immer sie erfunden hat, - wie die Geschichte ausgegangen und was aus der Plattensammlung geworden ist, ich werde es wohl nie mehr erfahren. 



 

ROCKSTAR  ALLÜREN


Die dritte Anekdote meiner Kurzgeschichten Teil 2 befasst sich mit einem Herrn, der sich, zumindest eine Zeitlang für einen Mega-Rockstar gehalten hat. Die Rede ist von Mr.
John Sykes, der Anfang der Achtziger Jahre anfangs mit den Tygers Of Pan Tang von sich reden machte, aber seinen Namen im Prinzip erst mit Thin Lizzy und dem Album ‚Thunder And Lightning’ etablierte. Nach diesem Kapitel, folgte bekanntlich die Ära Whitesnake. Und nach dessen abrupten Ende nach Fertigstellung des Erfolgsalbums 1987  machte er zwar noch durch diverse andere Projekte von sich reden, wie z.B. seine Band Blue Murder. Aber erst die Wiederauferstehung von Thin Lizzy sorgte dann Ende der Neunziger für ein aufgefrischtes Renomee. Seien wir mal ehrlich, dieser ganze aufgewärmte Hokus Pokus einer einstigen Kultband, die ohne ihren viel zu früh verstorbenen Kopf – Phil Lynott ohnehin nur noch eine Covertruppe ist, hat doch im Prinzip nur dazu gedient, nochmal ordentlich Kohle abzusahnen. Anfangs mag das sogar ganz gut gelungen sein. Denn einstige Thin Lizzy Fans kamen schon allein aus Neugier, um zu sehen wie das denn funktionieren sollte. Gut, Sykes ist unbestritten ein Klasse-Gitarrist, und Scott Gorham ein (fast) Original-Urviech aus vergangenen Tagen. Der Rest der Lizzy Neuauflage war ohnehin austauschbar. Anyway, inzwischen ist John Sykes nach 10 Jahren auch wieder raus, aus warum auch immer.... Wie und ob es überhaupt weiter geht, steht im Moment nach wie vor in den Sternen.
Aber zu Beginn dieser Thin Lizzy Parodie sind wir alle eben erstmal angetanzt gekommen. Und so manchem hat es sogar gefallen. Wie sagt man so schön? – Eine gute Band, aber nicht das Orignal – Punkt um.


John Sykes  &  Scott Gorham

Auf alle Fälle ergab sich die folgende Story im Jahr 2000, als die Sykes/Gorham Lizzy Version zur zweiten Tour ihrer Existenz aufbrach und u.a. auch in München Station machte. Sie traten im damaligen Babylon auf, das wie einige andere Venues im Kunstpark Gelände (jetzige Kultfabrik) gelegen war. Ca. 1.500 Leute fasst die Bude, und die war an dem Abend denn auch gut gefüllt, wenngleich auch nicht ausverkauft. Ich hatte vorab ein Rendevouz zum Interview Backstage oben in den Garderoben, wobei mir Mr. Sykes Rede und Antwort stand. Zu dem Zeitpunkt verlief auch noch alles relativ normal, und nichts ließ mich auch nur annähernd misstrauisch werden. Das Konzert – so so la la, mal abgesehen von der instrumentalen Perfektion. Aber auf die allein kommt es nun mal nicht an. Und John Sykes sonnte sich im Scheinwerferlicht mit seinen langen blonden Locken, geschwellter Brust und mit offensichtlicher Selbstgefälligkeit. Einzig der Umstand, dass er tatsächlich was auf dem Kasten hat musikalisch, rettete ihn vor mehr Häme

Backstage again hinterher, und was soll ich sagen....? Hier tummelte sich dann so ziemlich alles was in der Münchner Szene so an Rang und Namen hat inklusiver einiger hübschen und weniger  hübschen Damen, die mit schmachtenden Blicken und wie Hühner auf der Stange darauf warteten, von den Rock’n’Rollern etwas Beachtung zu erhalten. 

<<< Marco Mendoza (Bass) ebenfalls in bereits gehobener Stimmung :-)

Ein Mädel, dessen Namen ich jetzt nicht nennen will, hatte es vor allem auf einen abgesehen. Und das war, wie sollte es anders sein, John Sykes. Aber irgendwie wollte das nicht so richtig klappen. Denn der Herr war viel zu sehr damit beschäftigt sich selbst zu beweihräuchern, auch vielleicht dank des Umstands, dass er schon so einige Gläschen intus hatte. Der Hospitality Bereich leerte sich langsam, und eigentlich gedachte ich auch langsam meine Zelte hier abzubrechen. Just in dem Moment kam der Tourmanager zu mir, drückte mir einen Zettel in die Hand und meinte nur: „pass auf auf ihn. Wir sind jetzt weg“. Total verdattert warf ich erst mal einen Blick auf den Fetzen Papier, auf dem in, fast unleserlichen Buchstaben die Adresse eines Hotels drauf stand. In der Zwischenzeit hatte man aber Mr.Sykes, denn um den ging es natürlich, abgeholt für irgendein weiteres Interview um die Ecke. Also blieb mir nichts anderes übrig, als mit dem Rest der Truppe, die noch dageblieben war, in einen Club am selben Gelände mitzumarschieren, um dort dann hoffentlich den Kerli aufzulesen. Gleichzeitig fragte ich mich natürlich: warum mache ich das eigentlich? Bin ich etwa sein Babysitter oder wie oder was??? Im Club angekommen, gings gleich hoch her inkl. der feuchtfröhlichen Runde, die aus Thin Lizzy Mitgliedern, deren Crew und der Supportband rund um den finnischen Musiker Ben Granfelt, bestand. Dank der guten Stimmung die nonstop herrschte, ließ ich mich denn doch anstecken vom allgemeinen Tenor. Was soll’s, dachte ich mir, wenn man schon mal hier ist, dann sollte man es auch genießen. Von Sykes bekam ich nicht viel zu sehen. Irgendwann tauchte er auf mit einem ganzen Schwanz an Verehrer(innen) im Schlepptau und fühlte sich sichtlich wie der Hahn im Korb. Oh, wie mir das am Arsch vorbei ging. Ich hatte schon von jeher eine Antipathie gegen solche stolze Gockelhähne, die von sich dachten, nichts kann ihnen widerstehen. Also feierte ich meinen Teil der Party, und das bis zum abwinken. 


.....damit nur ja das Bier nicht ausgeht....


Die Lizzy Crew - mit den Men in Black....

Bis... ja, bis plötzlich eine allgemeine Aufbruchsstimmung herrschte, und wir alle den Laden verließen, um in Richtung Tourbus zu streben. Zwei Girls saßen bereits im Fond des Busses und warteten auf ihren Angebeteten. John machte allerdings augenblicklich einen Rückzieher, stieg aus dem Bus, bedeutete einem Roadie, die Damen abzulenken und drehte sich um zu mir. „Du weißt doch wo wir logieren hier in München?“ fragte er, wartete aber gar nicht meine Antwort ab, sondern zog mich am Ärmel hinfort. Nur weg von hier, und das möglichst schnell. – Und da standen wir nun – allein. Nein, er wolle doch noch nicht zurück ins Hotel, sondern noch etwas trinken gehen. Also rein ins nächste Kabuff, samt Eintrittsgeld und horrender Getränkepreise. Aber solange ich das nicht berappen musste, war’s mir denn auch egal. Nach, ich weiß nicht wie vielen mehr Drinks, verließen wir endlich die Bar, und ich hielt das nächstbeste Taxi auf, um den, inzwischen sehr angeheiterten Johnny Boy endlich zurück ins  Hotel zu bringen. Denn irgendwie fühlte ich mich denn doch für ihn verantwortlich. Dort angekommen, (auch das Taxi hat er bezahlt so wie sich’s gehört) Kaum ausgestiegen und drei Schritte getorkelt, konnte sich unser strahlender Rockstar allerdings kaum noch auf zwei Beinen halten und sackte förmlich in sich zusammen. Oh mein Gott, bitte nur das nicht, hier mitten auf der Straße, direkt vor dem Hotel. Ich schüttelte ihn kräftig und versuchte ihn irgendwie wieder hoch zu kriegen. Fragt mich bitte nicht wie, aber ich bekam ihn tatsächlich wieder auf seine zwei Beine, hakte ihn unter und wir betraten schwankend die Hotel Lobby. Kaum eingetreten, stürzte sich  eine junge Dame auf John, die anscheinend schon seit Stunden hier gewartet hatte. Was die Beiden miteinander besprachen wollte ich gar nicht hören. Mir reichte es inzwischen. Ich stellte meine Tasche an der Rezeption ab und suchte erst mal eine Toilette auf. Als ich zurück kam in der Hoffnung, dass allesamt verschwunden wären, fand ich lediglich Sykes vor, nicht aber diese Furie, die sich wie eine Ertrinkende an ihn geklettet hatte. Er musste sie wohl gnadenlos weg geschickt haben. Tja, und eigentlich hätte ich jetzt auch schleunigst das Weite suchen sollen........ hab’ ich aber nicht... 
Oben auf seinem Zimmer wurde er, wie durch ein Wunder fast wieder nüchtern. Den Anfang machte eine ausführliche Lebensbiographie des gebürtigen Engländers, der übrigens nur 3 Jahre älter ist, als ich selbst, gefolgt von etlichen Fotos seiner drei Kinder, die von seiner Ex-Frau stammten.  Und ich stellte irgendwann fest, dass dieser Mann auch eine sehr menschliche und nette Seite hatte. Nichts mehr war zu spüren von irgendwelchen Rockstar Allüren. Im Gegenteil, langsam bekam ich eher den Eindruck, dass John Sykes unter einem gewissen Komplex litt, und er sich hinter dem riesigen Ego, dass er an der Öffentlichkeit hervorkehrte, lediglich versteckte. Was mir bei einem erneuten Gang ins Bad dann noch auffiel, war die überdimensional große Flasche Johnson’s Babyöl auf dem Regal. Für was er die benötigte wollte ich lieber nicht wissen. Ob es für den Erhalt von Babyhaut im Gesicht war oder für anderweitige Körperteile – sei dahin gestellt. Dass ich diese Flasche überhaupt erwähne hat lediglich den Grund, dass sie zum Abschluss meiner Geschichte hier noch eine kleine Rolle spielt. Mir wurde kalt, bzw. ich bekam langsam kalte Füße, und das buchstäblich, und nicht vielleicht wie Ihr Leser jetzt vielleicht denkt. Ich wusste ja, was passieren könnte oder eben nicht... Und es war up to me...


Jon Sykes im Jahr 2000
(es existiert noch ein Foto von uns Beiden, aber das ist leider verloren gegangen. Sollte ich es doch noch finden, dann füge ich es noch nachträglich hinzu)

Fakt ist last but not least, es war eine der wenigen Begebenheiten, wo ich meine Prinzipien gebrochen habe. Aber bereut habe ich es im Grunde nie! Und immer wieder klingelte das verdammte Telefon und zwar so lange und ausdauernd, dass John schließlich den Stecker zog. -
Er bat mich zu bleiben, aber das wollte ich nicht..... Mein Wunsch war  nur noch- ab nach Hause und das so schnell wie möglich. Ich schnappte mir spontan beim raus gehen noch zwei Socken von ihm, die da rum lagen.... (warum eigentlich Socken?) Ich weiß es nicht mehr.... Vielleicht weil ich irgend etwas als Erinnerung behalten wollte von jenem Abend... und dann war ich fort.
Allerdings konnte ich es mir nicht verkneifen bei einem Auftritt in Nürnberg kurze Zeit später, einen Kollegen hinzuschicken um ihm ein Päckchen zu übergeben. Inhalt: die größte Flasche Johnson’s Babyöl die es zu kaufen gab. Dummerweise hat er (lt.Bericht) meine Post offenbar vor versammelter Mannschaft geöffnet,- die dann alle ihre helle Gaudi dabei hatten und alles mögliche mutmaßten. Gott sei Dank hatte ich keinen Namen oder dergleichen dazu geschrieben. Und ich glaube, der Einzige der gewusst hatte von wem das amouröse Geschenk  war, und was es damit für eine Bewandtnis hatte, war Sykes selbst. Ich vermute, er hat mich in dem Moment zum Teufel gewünscht. Genau werd’ ich’s wohl nie erfahren.
Zwei Jahre später habe ich ihn noch einmal persönlich in Salzburg getroffen. Er war sehr zuvorkommend, sehr nüchtern und es fiel kein Wort über damals. Und bei der Gelegenheit habe ich ihm sogar seine Socken retourniert. Wieder ein Päckchen... das er aber wohlweislich ungeöffnet in seiner Tasche verstaute. Man konnte ja nicht wissen, was da wieder drin war.
Und das letzte Mal, dass ich ihn, zumindest aus einer Distanz wieder gesehen habe, war
live on Stage am 12. Oktober 2008, und es war wieder hier in München, diesmal im  Circus Krone. Im Fotograben bekam ich einmal mehr das typische überhebliche Grinsen geschenkt... so eines das mehr als 1.000 Worte ausdrückt, wie man so schön sagt. – Und das war’s dann auch. Trotz eines, von ihm hinterlegten, Backstage Passes bin ich hinterher nicht mehr nach hinten gegangen....  Und ich werde ihn wohl auch so schnell nicht mehr treffen. Denn Thin Lizzy die Zweite ist inzwischen Vergangenheit, zumindest mit ihm im Line up.... und wenn John Sykes nicht noch der großen Wurf mit, - wie z.B. mit einer Reunion von Blue Murder oder mittels seiner Solokarriere oder dergleichen gelingt, dann war’s das dann wohl.... Schade eigentlich, dass so ein Talent im Dschungel des allgemeinen Musikzirkus nicht mehr so richtig hoch kommt.Aber wahrscheinlich hat er sich das auch zum Teil selbst zuzuschreiben.
Ach ja, und  zu meinen Life Stories habe ich diese Anekdote, so wie alle anderen bis jetzt, - lediglich getan, weil sie, aus was immer für welchen Gründen, doch fest verankert ist in meiner Erinnerung...  Gute Nacht.