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Gleich zu Beginn sei vermerkt, dass es sich hierbei um eines der drei besten Konzerte handelt, die ich in diesem Jahr live erlebt habe. Mit einer Bilanz von bislang über 70 Events, ist das hier neben den Eagles of Death Metal und Steely Dan die genialste Vorstellung, die ich mir überhaupt vorstellen kann. Hundertprozentiges Können, absolute Genialität und kein bisschen langweilig. Denn Gott sei Dank gehören die Amerikaner nicht zu jenen Vertretern von Perfektionisten, die während einer Show vergessen, dass da unten auch noch ein Publikum vorhanden ist. Keine Sterilität sondern Leben ist hier angesagt, lebendige Farben in der Musik und natürlich was den visuellen Aspekt betrifft.
Kurz und gut Living Colour gibt’s seit 1984 und machten sich damals einen Namen durch Supportslots bei den Rolling Stones, deren Sänger Mick Jagger sie fleißig unterstützte und förderte. Living Colour waren Teil der Black Rock Coalition, ein Zusammenschluss schwarzer Musiker aus dem Bereich der Rock Musik. Sie äußerten auf ihren Platten politische Statements u.a. im Hinblick des Status der Schwarzen in der Geschichte des Rock’n’Roll, so z. B. den Vorwurf der Instrumentalisierung schwarzer Kultur durch die Weißen im Titel "Elvis is dead". Eine schwarze Rockband war und ist auch heute noch eher selten im Genre.


Living Colour 1988

Den großen Durchbruch erzielten Living Colour 1988 mit dem Hit „Cult Of Personality“. Ihm folgten weitere einschlägige Erfolge wie „Type“ – 1990 und „Love Rears It’s Ugly Head“ – 1991. Mitte der 90er Jahre legte man die Band auf Eis, löste sich aber nie wirklich auf. Sänger Corey Glover, Gitarrist Vernon Reid, Bassist Doug Wimbish und Drummer Will Calhoun widmeten sich verschiedenen Soloprojekten, die hauptsächlich im Fusion-Funk und Jazz beheimatet waren und nach wie vor sind. 2002 entschlossen sich die Vier, Living Colour zu reaktivieren. Die insgesamt vierte Scheibe Collide0scope kam ein Jahr später. Es folgten What's your Favorite Colour? (2005) - Remixes, B-Sides & Rarities  und Everything Is Possible: the Very Best of...(2006) Obendrein ist eine DVD erschienen.  Vor drei Jahren war die Band zum ersten Mal seit ihrer Reunion wieder in Europa, und spielten u.a. im Münchner Backstage, wo ich sie auch zuletzt gesehen hatte. (Hier klicken & runter scrolen)

Dieses Mal wurde unsere Stadt leider vernachlässigt, aber da Augsburg quasi ja nur um die Ecke liegt mit ca. 50 Minuten Fahrzeit, bedarf es für mich kein überflüssiges Überlegen, um diesem neuerlichen Auftritt der Schokorastas beizuwohnen. Mein Dank gilt hierbei vor allem dem örtlichen Veranstalter für seine Unterstützung, da die Gruppe im Moment über kein Label, bzw. einen Medien-Ansprechpartner verfügt.
Leider hält sich der Zulauf heute Abend in Grenzen, und nur eine Handvoll Freaks haben den Weg hier her gefunden. Schätzungsweise sind es in etwa 150 Besucher, die die Band aus der Vergangenheit kennen oder sich einfach nur überraschen lassen wollen. – Und obwohl auch ich Living Colour bereits seit ihren Ursprüngen kenne, fasziniert mich ein Auftritt der Amis immer wieder auf’s neue.



Support gibt’s keinen, und Showbeginn ist um 20.45 Uhr. Anfangs gewinne ich den  Eindruck, dass Vernon und Co. eine Laus über die Leber gelaufen ist aus was immer für welchen Gründen. Sie beginnen hart und ohne eine Miene zu verziehen. Und es gibt anfangs vor allem keine Begrüßung, keine Zwischenkommentare und keinerlei Kommunikation. Aber dafür spricht die Musik, und wie!!! Man merkt, dass diese Musiker aus dem Fusion Bereich kommen. Living Colour Musik ist Crossover vom feinsten. 
Und los geht’s sofort mit einem ihrer größten Hits “Type”, ein knallharter Song, der von Vernichtung, verquerer Politik und Ungerechtigkeit handelt. Ein Thema, das jahrelang an oberster Stelle stand in den USA. – Heute geht’s bei all diesen überkritischen Tönen, die Living Colour anschlagen eher um den Unterhaltungswert. Und der kommt dabei auch nicht zu knapp. Es gibt da noch eine Sache, die mich bei dieser Band schon immer fasziniert hat. Eigentlich lehne ich ausschweifende, lange Soli ab bei einem Hardrock Konzert, besonders wenn sie sehr kompliziert sind. Nach dem Motto, so was versteht dann nur noch ein Fachmann.  Nicht so bei Living Colour. Denn hier paart sich die Virtuosität mit einer ganz speziellen Aura, die eine ungeheuere Faszination ausstrahlt. Vernon Reid gehört nicht umsonst zur Oberliga von Gitarristen, und wird stets in einem Atemzug mit Musikern wie John Petrucci von Dream Theater genannt. Oder Doug Wimbish, der als Bassist eine Akrobatik an den Tag legt, dass ein Schwindelgefühl auf einer Achterbahn Peanuts dagegen ist.  Corey Glover macht zwischendurch immer wieder den Spagat zwischen, bzw. über zwei Oktaven, die Stimmbänder schlagen dabei dreifache Salti, und das Schlagzeug hat ohnehin schon abgehoben  und sich fast verselbstständigt. Mein Gott, ist das herrlich, - so viel Können mit der genau dosierten Portion Entertainment gepaart, und zwar so, dass auch Otto Normalverbraucher voll auf seine Kosten kommt. Aber so waren sie schon immer. Jimi Hendrix gibt seinen Segen von oben wie immer .... -
Im Lauf der Zeit wird die Atmosphäre on Stage lockerer und die Gesichter freundlicher. Je länger sich diese Musiker in ihre Klangorgien verstricken, desto fetziger wird die Partie. Endlich kommen auch die bisher fehlenden Ansagen, und der Draht zum Publikum verfestigt sich samt Funkenflug. Nein, eines steht fest, sie sind unverändert eine Klasse für sich mit einer fesselnden Faszination die ihresgleichen sucht.


Das einzige was sich seit 2003 tatsächlich verändert hat, ist der Look. Dieser hat sich vom schillernd-bunten Paradiesvogel Stil, der immer so typisch war für diese Band, in eher nüchterne, praktische Outfits verwandelt, vom Military Aufzug, über sportiv, bis hin zur Pyjama  Haute Couture.  Lediglich die Rastalocken sind bei zwei der Knaben geblieben, wovon einer heute auch noch seinen 43sten Geburtstag feiert. Happy Birthday Will!
Okidok, letzter Song im Set, der zweite ganz große Hit von damals – “Cult Of Personality”. Wiedererkennungswert liegt bei 150 Prozent. – Eine Zugabe gibt’s auch noch nach fast zweieinhalb Stunden Spielzeit, und die ist, wie könnte es anders sein, Jimi Hendrix gewidmet, dem wohl berühmtesten schwarzen Rocker.
Fazit ist letztendlich ein Konzert, dass nicht nur bei mir absolute Befriedigung ohne offene Wünsche hinterlässt.  Nein, nicht steril und überperfekt, sondern lebendig, großartig und gehaltlich so satt, dass man davon noch lange zehren kann.
Was die Zukunft bringt, ist ungewiss. Eine neue Scheibe ist überfällig und dazwischen wird weiter den Soloaktivitäten nachgegangen. Ich bin mir sicher, dass in absehbarer Zeit, vielleicht sogar noch dieses Jahr, der Name Doug Wimbish, Will Calhoun oder Vernon Reid wieder auf dem Programm-Prospekt vom Nightclub des Bayrischen Hofs steht. Und eines weiß ich jetzt schon, - das ist absoluter Pflichttermin für mich und ich freu’ mich jetzt schon.
Good Luck Boys..... Ihr habt’s verdient…..
Und wie heißt's so schön...? Ich will keine Schokolade, ich will lieber ........?!?!?!
http://www.livingcolour.com/
             
                                                                                      
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